Pluto

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Es ist noch früh am Morgen und ich habe reichlich Zeit um zu frühstücken. Es wäre eigentlich richtig schön, wenn da nicht meine Eltern wären. Ich hasse es, morgens schon mit anderen Leuten reden zu müssen. Stille ist doch etwas schönes, warum muss man das gleich verhunzen? Meine Eltern sind generell Meister in sowas.
Sie sitzen schon am Tisch und unterhalten sich leise, als ich durch die Küchentür zu ihnen stoße.
Es dauert keine zwei Sekunden und schon sind sie verstummt. Also doch endlich mal Ruhe?


"Felix.", mein Vater zögert, bevor er weiter spricht. das macht er öfters, damit er sich seine Worte schon mal zurecht legen kann. "Wo warst du gestern noch so lange?" Er sieht mich streng an.
Er weiß ganz genau, dass wieder Stadt-Café-Tag war. Was will er also bitte?

Ich setzte mich genervt an meinen Platz, gieße mir Milch in meine Schüssel und überlege, welche Cornflakes ich diesmal essen soll. Gestern hatte ich Nougat Bites. Vielleicht nehme ich heute mal Cini Minis.

Mein Vater scheint tatsächlich auf eine Antwort zu warten, also erzähle ich ihm vom Café.
"Bist du dir sicher?", fragt meine Mutter. Sie scheint angespannt zu sein.
Ich nicke nur.
Langsam gucke ich erst meinem Vater und dann meiner Mutter in die Augen. Erst jetzt bemerke ich, dass sie etwas in der Hand hält. Ich reiße meine Augen auf. Scheiße.

"Du weißt ganz genau, dass wir nicht wollen, dass du jemanden zu dir einlädst, wenn wir nicht im Haus sind." Mein Vater wirkt fast bedrohlich, sobald er wütend wird.
Sorgsam legt meine Mutter das bunte Armband vor mir ab. Zehn verschieden große Kugeln sind darauf aufgezogen. Eine große gelbe, welche für die Sonne steht und neun kleinere, welche die Planeten darstellen. Linus sagt immer, dass Pluto für ihn dazu gehört. Er muss es gestern hier verloren haben.
Okay, wie kann ich das jetzt erklären...

"Das gehört Stefan, er hat mich gestern abgeholt.", versuche ich zu lügen.
Mama guckt mich ungläubig an. "Wenn du gesagt hättest, es gehöre Lea, hätte ich dir wahrscheinlich noch geglaubt. Aber Stefan? Er ist ein Mann. Der trägt keinen Schmuck."
Mist. Ich kratze an meinem Kinn.
Einen Versuch mache ich noch: "Ja, das hat er von seiner Freundin geschenkt bekommen. Ich werde es ihm im Matheunterricht zurück geben."
Ich stehe hastig auf. So richtig glaubwürdig war das jetzt auch nicht. Mit meiner Cornflakes-Schüssel in der Hand laufe ich hoch in mein Zimmer und rufe dabei, dass ich noch Hausaufgaben machen muss.
"Wenn er mit Lea zusammen ist, kann er uns das doch einfach sagen. Das würde ich gar nicht schlimm finden", höre ich meinen Vater noch sagen. Ich bin mir fast sicher, dass er es extra so laut gesagt hat, dass ich es auch hören kann. Ich verdrehe meine Augen.

Wieso sind meine Eltern eigentlich so altmodisch? Als ob ein Mann nicht auch anderen Schmuck als Armbanduhren tragen darf.
Ich hab mir mal meine Finger schwarz lackiert. Das fand ich unglaublich cool. Aber meine Eltern nicht.
Den Lack hab ich immer noch, er liegt jetzt schon mindestens ein halbes Jahr unter meinem Schreibtisch. Dort liegt alles, was ich vor den Blicken meiner Eltern verstecken will. Es ist dort nämlich so unordentlich, dass sie nicht einmal darauf kommen würden, dass es eigentlich nur ein gut getarntes Versteckt ist. Na ja gut, eigentlich ist es wirklich nur ein großer Haufen Schulbücher. Aber da hinter habe ich etwas Platz gelassen.
Einen kurzen Moment überlege ich, ob ich das Armband einfach mit dort hinlege. Aber das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Und so habe ich immerhin noch einen guten Grund, mich heute mit Linus zu treffen.

Sobald ich aufgegessen habe, sprinte ich mit Linus' Armband in der rechten Hosentasche und meinem Rucksack auf dem Rücken, die Treppe herunter, flitze an meinen Eltern vorbei - bloß keinen Augenkontakt! - und schließe die Tür hinter mir mit einem lauten Knall. So, jetzt bin ich erst einmal bis zum Abend vor den beiden sicher.
Kurze Verschnaufpause.
Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wie ich Lea davon überzeugen kann, dass Linus nächsten Freitag mit dabei sein darf. Da kommt der kleine Fußmarsch zur Schule ganz gelegen. Beim gehen habe ich nämlich die besten Ideen. Da ist es schön ruhig und ich kann ungestört meinen Gedanken nachgehen.
Musik darf dabei nicht fehlen, also hole ich mein Handy und stöpsle meine Kopfhörer ein. Letzte Woche habe ich mir extra neue gekauft. Die haben extra Bass. Da hört sich U2 gleich noch mal besser an. Geht das?

GelbWo Geschichten leben. Entdecke jetzt