„Nein!" Lea schreit fast das ganze Café zusammen. Na ja, es kommt mir wahrscheinlich nur so vor, aber sie ist schon ziemlich laut. Ich hatte schon damit gerechnet, dass sie so reagiert. Dann eben nicht. Aber wie bringe ich es Linus bei? Ich bin nicht so der Nein-Sager-Typ. Schon gar nicht bei jemanden wie ihm.
„Es ist Tradition, das weißt du.", fügt Lea leise dazu. Ich nicke, versuche zu lächeln, aber so richtig machen meine Lippen nicht mit.Stefan lacht nur. Manchmal hasse ich ihn richtig. Ich muss Lea sagen, dass ich ihn nicht mehr dabei haben will.
„Lad diesen Spacko doch einfach ein!", scherzt er und macht dabei eine Grimasse. Als wenn er so nicht schon hässlich genug wäre.Manchmal erschrecke ich mich selbst über meine Gedanken. Diesmal auch, aber irgendwie hat er es ja verdient.
Damals, als Lea, Stefan und ich noch gemeinsam zur Grundschule gingen, haben wir fast jeden Tag zusammen verbracht. Es gab einen Spielplatz direkt neben Leas Haus. Ich weiß noch ganz genau, wie Stefan und ich einmal auf der Rutsche auf sie gewartet haben. Irgendwie brauchte sie länger, ihre Eltern wollten wohl mal wieder, dass sie beim Abwaschen hilft. Er rutschte herunter, sah dann von unten hinauf.
"Hey, du Angsthase, du traust dich bestimmt nicht zu rutschen, während ich hier unten im Weg stehe!", rief er.
Ich wollte natürlich nicht, dass er mich so nennt. Also beeilte ich mich, um so schnell es ging hinabzugleiten. Und genau in diesem Moment schmiss er nach mir. Steine, die er wohl zuvor in seiner Tasche gesammelt hatte.
So richtig weh tat es am Anfang nicht. Als ich dann aber das Blut von meiner Stirn tropfen sah, fing ich an zu schreien.
Ins Krankenhaus musste ich, genäht werden. Und Stefan - dieser Idiot - hatte natürlich nichts besseres im Sinn, als zu lachen.Ich habe bis heute nicht verstanden, warum er das gemacht hat.
Ich mochte ihn trotzdem noch, er hatte eine coole Rennautobahn und das war im Winter eine Zeit lang unsere Hauptbeschäftigung nach der Schule.
Aber er wurde immer eingebildeter - glaubte, etwas besseres zu sein. Er hat sogar eine unserer Mitschülerinnen gemobbt, nur weil sie mit ihrer besten Freundin Händchen gehalten hatte. Als wäre es ein Verbrechen.
Als ich dann mehr und mehr bemerkte, dass ich auf Männer stehe, empfand ich es als klug, mich etwas von ihm zu entfernen.
Bis auf die paar Stunden Mathe in der Woche haben wir auch fast nie etwas mit einander zu tun.
Weder er noch Lea haben mich jemals darauf angesprochen."Ich finde die Idee gar nicht so schlecht.", versuche ich Lea nun zu überzeugen. "Wenn wir Linus einladen, ist er vielleicht nicht so traurig, dass ich keine Zeit für ihn habe und du kannst ihn etwas besser kennen lernen." Ich nicke mit meinem Kopf.
Stefan lacht. "Ach, unser Felix!"
Außer ihm lacht keiner. Einen komischen Humor hat er.Lea legt den Kopf schief. Denkt sie gerade ernsthaft darüber nach, ob sie ja sagen sollte?
"Ich weiß nicht, Felix. Ich denke da mal drüber nach, okay?", antwortet sie mit einem schuldbewussten Blick.
"Reden wir morgen früh noch mal?" Ich gucke direkt in ihre grauen Augen. Das mache ich öfter bei ihr, es kommt mir nämlich so vor, als könnte sie so meine Gedanken lesen oder wenigstens ein bisschen besser verstehen, was in meinem Kopf vorgeht.
Vielleicht muss ich ihr einfach erzählen, dass ich auf ihn stehe. Vielleicht ist es dann okay für sie. Mal sehen."Was ist das denn für ein Blick?" Stefan piekt mir in die Seite. Er wackelt mit den Augenbrauen. "Ist es das, was ich denke?"
"Stefan!" Lea holt ihre strenge Erzieherinnenstimme heraus. Ich war mir früher immer sicher, dass sie etwas mit Kindern machen wird. Tja, daraus wird wohl nichts, wenn sie die Kuchen und Torten für unser Café backen will. Ich schmunzle in mich hinein. Irgendwie freue ich mich, dass ich schon jemanden an meiner Seite weiß. Es wird bestimmt einfacher mit ihr als alleine."Wie? Seit ihr immer noch nicht zusammen?" Stefan redet mit einer gekünstelt empörten Stimme. Ich weiß ganz genau, worauf er hinaus will.
Meine Eltern - oder viel mehr mein Vater - sind fest davon überzeugt, dass ich schon seit ein paar Jahren total auf Lea stehe. Sogar wenn wir Besuch haben, machen sie nicht davor halt, darüber zu reden. Stefan haben sie einmal gefragt, ob er etwas genaueres wüsste.
Eins muss man ihm lassen: Auch wenn wir schon lange nicht mehr gute Freunde sind, bei solchen Sachen ist er trotzdem noch ganz der Alte. Er macht nichts Großes draus. Zumindest nicht in Gegenwart anderer Personen. Nur Lea hat er davon erzählt. Aber die wusste das eh schon von mir.Okay, wahrscheinlich bin ich etwas zu streng mit ihm. Nett ist er ja doch. Und so schrecklich sind die Abende im Stadt-Café mit ihm und Lea auch nicht. Ohne ihn ist es besser, aber mit ihm ist es auch ganz nett.
Wir lassen uns noch etwas Zeit bevor wir den Abend ausklingen lassen. Lange halten wir es eh nicht mehr aus. Morgen früh ist wieder Schule und wir wollen ja einen Mittagsschlaf im Unterricht vermeiden.
Als ich zu Hause ankomme, sind meine Eltern schon im Bett. Ich tapse ganz leise in mein Zimmer. Langsam ziehe ich die Luft ein. Es riecht sogar noch ein bisschen nach Linus. Oder ist das Einbildung?
Ich kuschle mich in mein Bett und gucke noch einmal schnell auf mein Handy. Keine neue Nachricht.
Ich möchte ihm eigentlich noch erzählen, wie wir uns jetzt entschieden haben, aber ich bin zu müde und mir fallen die Augen zu, noch bevor ich auch nur ein Wort schreiben kann.

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Gelb
Teen FictionIch lege mich neben ihn ins Gras. Er schaut hinauf in die Wolken. Schön sieht er aus, verträumt irgendwie. Ich rücke so nah es geht an ihn heran. Unsere Arme berühren sich, er schreckt nicht zurück. Vor einem halben Jahr hätte ich nicht gedacht, das...