Männergespräch

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"Felix, was hältst du davon, wenn wir heute Abend mal was zusammen machen?" Mein Vater guckt mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an.
"Gar nichts", hätte ich am liebsten geantwortet, nicke aber statt dessen. Ich habe jetzt keine Lust auf Streit und so ein Familienabend kann ja auch mal Spaß bringen. Mal sehen.

Wir entscheiden uns dazu, zusammen Monopoly zu spielen. Eine schlechte Idee, weil meine Mutter eine schlechte Verliererin und noch dazu sehr schlecht in diesem Spiel ist.
Es dauert keine halbe Stunde, da packen wir das Spiel auch schon wieder ein. Ich setze mich auf die Couch, meine Mutter verschwindet im Nebenzimmer. Die kommt da heute wohl auch nicht mehr raus. Bis sie sich abgeregt hat, kann es manchmal echt lange dauern. Mit ihr bringt ein Spieleabend überhaupt keinen Spaß.

Ich mache es mir richtig gemütlich, nehme mir ein Kissen und lehne mich gegen die Seite der Couch. Vielleicht kann ich heute mal ein bisschen lesen. Ich bin schon ewig nicht mehr dazu gekommen, dabei hänge ich an einer total spannenden Stelle. Doch mein Vater macht mir einen Strich durch die Rechnung.
"So, jetzt haben wir endlich mal Zeit für ein richtiges Männergespräch!" Papa setzt sich auf die andere Seite des Sofas. Er scheint das wirklich für eine tolle Idee zu halten. Ich verdrehe die Augen. Kann der Abend noch schlimmer werden?

"Erzähl, was macht Lea so? Findest du sie immer noch so süß?" Er guckt mich mit einem triumphierenden Lächeln an. Als wäre er meinem größten Geheimnis auf die Schliche gekommen.
"Ich habe nie gesagt, dass ich sie süß finde. Wie oft soll ich das denn noch sagen.", antworte ich genervt. Er kann ruhig merken, dass ich keine Lust auf dieses Gespräch habe. Ich hätte einfach in mein Zimmer gehen und mich in mein Bett kuscheln sollen. Da hätte ich jetzt wenigstens meine Ruhe.
Erschrocken sieht mein Vater mich an. "Aber ihr seht euch doch so oft. Da muss doch was sein!" Langsam schüttelt er den Kopf und lacht. "Du kannst das ruhig sagen. Ich helfe dir dann bei so wichtigen Fragen wie Verhütung und solchen Dingen!"

Oh Gott, nein. Hilfe! Was soll das denn jetzt? Da hab ich noch weniger Lust zu.
"Sie ist nur eine Freunden, okay?" Ich bete, dass er mir endlich glaubt.
Ein verschmitztes Lächeln macht sich auf seinem Gesicht breit. "Na gut, aber du bist verliebt. Das kannst du mir nicht verheimlichen. Ich habe das schon vorher bemerkt. Das Armband, das gehört deiner Geliebten, nicht wahr?"

Verdammt, das Armband. Ich hab ja total vergessen, es Linus zurück zu geben! Ich sollte ihm nachher schrieben, dass ich es habe. Nicht, dass er es sucht.
Aber jetzt muss ich erst mal versuchen, aus dieser Situation heraus zu kommen.

"Nein, Papa, ich habe keine Freundin!" Ich betone das Wort "keine" extra deutlich.
"Aber du bist verliebt.", antwortet er wieder.
Langsam scheint mir die Wahrheit als einziger Ausweg aus dieser blöden Situation.
"Toll. Ich bin verliebt. Na und?" Er muss nicht wissen, in wen ich verliebt bin. Er muss nicht wissen, dass ich auf Männer stehe. Zumindest nicht jetzt. Am Besten nie. Wenn man bedenkt, wie altmodisch er generell in allen Dingen ist.

"Na dann erzähl. Wie heißt sie? Wie alt ist sie? Du weißt, du kannst mit mir darüber reden!" Papa zwinkert mir zu und legt seine Hand auf mein Knie.
"Das geht dich nichts an." Ich gucke demonstrativ an ihm vorbei und schüttle seine Hand runter. Hoffentlich versteht er das als ein Zeichen, dass er nicht weiter nachfragen soll. Wenn das so weiter geht, bekomme ich noch Kopfschmerzen.

"Komm, mein Junge. Irgendwann finde ich das doch eh raus, das weißt du. So hässlich kann sie nicht sein. Oder stehst du etwa auf Männer?"
Mein Vater lacht. Ich starre ihn an.
"Das war ein Witz, du kannst ruhig lachen!", fügt er hinzu.
Mir ist aber nicht nach Lachen zu Mute. Was ist das für ein bescheuerter Witz! Wie kann man nur denken, dass so etwas lustig ist?
Ich spüre Tränen in mir hoch kommen. Ich bin noch nie so enttäuscht von ihm gewesen. Enttäuscht und verletzt.
Ich balle meine Finger zu Fäusten zusammen. Fang jetzt bloß nicht an zu weinen!
Einatmen. Ausatmen. Ruhig bleiben.

"Ja, Papa. Ich stehe auf Männer.", murmle ich und bin selbst überrascht, dass ich das gerade tatsächlich ausgesprochen habe. Ich strecke meine Finger und sehe, dass meine Fingernägel Spuren in meiner Hand hinterlassen haben. Hab ich sie so doll zusammengeballt?

Ich gucke zu meinem Vater. Er scheint schockiert zu sein, schaut mich ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an.
Jetzt schaffe ich es nicht mehr, meine Tränen zurück zu halten. Ich habe einfach zu große Angst, dass er negativ reagiert. Die erste Träne fängt schon an, meine Wange herunter zu kullern. Ich lasse ihnen freien Lauf - was anderes hilft jetzt auch nicht mehr - ziehe meine Beine an meinen Körper und vergrabe mein Gesicht zwischen meinen Knien.
Ich komme mir hilflos vor, ausgeliefert und verletzlich wie ein Neugeborenes, dass von seiner Mutter liegen gelassen wurde.

Warm spüre ich die Arme meines Vaters um meinen Körper. Er streichelt durch meine Haare.
"Ist schon okay, Felix. Es ist okay, mache dir keine Sorgen.", flüstert er in mein Ohr. "Ich bin immer für dich da, das weißt du doch."

GelbWo Geschichten leben. Entdecke jetzt