4. Kapitel

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-----Blakes POV:

"uhh...ähm", ich räusperte mich und versuchte ihn nicht anzustarren.

"Ich komm nicht an den Reisverschluss heran". Ich machte eine Geste zu meinem Rücken, um ihm zu demonstrieren, dass meine Arme zu kurz waren, um den Reisverschluss öffnen zu können.

Er stand immernoch da, die Arme verschränkt, halbnackt und sein Grinsen wurde noch breiter. Er hob eine Augenbraue und sagte: "Jaaaa...und jetzt?".

Wieso war er so gemein zu mir? Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihm je etwas getan zu haben. Naja, außer ihn zu heiraten.

"Denkst du...du könntest mir, hm, helfen?" fragte ich kleinlaut.

Noch immer vermied ich es, ihn anzuschauen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Parkettboden. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er entnervt die Arme fallen ließ und sich mir näherte. Je näher er mir kam, desto schneller schien mein Herz zu schlagen. Ich befahl mir, mich zu beruhigen, damit er nicht bemerkte, wie nervös ich war.

"Dreh dich um", sagte er knapp.

Ich gehorchte. Als er seine Hände an meinen Rücken legte, wurde mir ganz schwummrig. Seine Hände waren warm und weich.

Er zog an meinem Kleid und fluchte. "So eine scheiße. Willst du mich verarschen? Der Reisverschluss klemmt..."

Ich spürte, wie er weiter daran zog. Da ich ihm nicht behelflich sein konnte, beschloss ich, mich in dem Schlafzimmer umzuschauen. Wahrscheinlich würde ich nie wieder hier rein dürfen. Es sei denn, um aufzuräumen. Auf dem Boden lagen überall Kartons, auf denen unsere Namen standen. Das waren unsere Klamotten, die wir gestern her liefern lassen hatten. Darum wollten sich unsere Eltern nicht auch noch kümmern. Ich würde meine Kartons ins Gästezimmer bringen und dort auspacken.

Ich erschrak, als ich mir gegenüber plötzlich mich selbst sah. Wie im anderen Zimmer, nahm der Spiegel die ganze Wand ein. So konnte ich, ohne mich umzudrehen und ohne, dass es Adrian auffiel, das Zimmer betrachten. Die Wände waren weiß gehalten worden. Ich hasste weiß. Doch ich wusste, dass Adrian schlichte Farben vorzog...oder eben gar keine Farben. Das Doppelbett war viel kleiner, als ich erwartet hätte. Dafür war der Kleiderschrank riesig. Er hatte eine hölzerne Farbe, genauso wie das Bett, an dessen beiden Seiten kleine Nachttische mit Schubladen angebracht waren und auch die Kommode auf der anderen Seite des Zimmers hatte dieselbe Farbe. Die war bestimmt für mich gedacht.  Ich schaute sehnsüchtig auf die Balkontür. Schon immer hatte ich mir ein Zimmer mit direktem Zugang auf einen Balkon gewünscht.

Ich seufzte.

"Warum seufzst du eigentlich immer?", fragte Adrian, während er immernoch mit dem Reisverschluss kämpfte. Ich zuckte die Schultern.

Ich begegnete seinem Spiegelbild, als ich wieder in den Spiegel schaute. Ich zuckte bei dem Anblick seiner durchdringenden Augen zusammen, die Blitze abzufeuern schienen. Er hatte nicht bemerkt, dass ich ihn anschaute, also traute ich mich, ihn weiter zu beobachten. Er hatte seinen markanten Kiefer zusammengepresst, sodass dieser und seine Wangenknochen perfekt hervorgehoben wurden.

Plötzlich schaute er auf und begegnete meinem Blick im Spiegel. Er rümpfte die Nase, schnitt eine Grimasse und machte sich weiter daran, mich aus dem Kleid zu befreien.

Ich hörte, wie er vor sich hin murmelte: "Du scheiß Kleid...Au...mein Finger"

Und plötzlich konnte ich wieder richtig atmen, denn Adrian war es gelungen, den Reisverschluss zu öffnen. Ich drehte mich zu ihm, um mich zu bedanken, als ich sah, wie er seinen Daumen in den Mund steckte, mit einem schmerzverzerrten Gesicht. Sein rechtes Auge war geschlossen. Mit dem linken warf er mir einen entnervten Blick zu.

"Hast du den eingeklemmt?"

"Nein ich lutsch noch am Daumen"

Stille.

Mir wurde kalt und ich merkte, dass Adrian nicht der einzige war, der halbnackt hier herumstand. Mein halber Rücken war unbedeckt. Sofort versuchte ich ihn zu bedecken, indem ich mit meinen Händen das Kleid hinten zusammenhielt.

"Also...danke. Ich geh dann jetzt mal schlafen. Gute Nacht. Und danke"

Ich schlängelte mich rückwärts aus dem Zimmer und erhaschte noch einen Blick auf Adrian, der die Augen verdrehte, noch immer den Daumen in seinem Mund.

Nachdem ich dir Tür hinter mir geschlossen hatte, rief er: "Keine Angst, ich bin nicht scharf auf deinen Rücken. Außerdem hab ich sowieso schon gesehen, was es zu sehen gibt."

Adrian...wieso bist du nur so zu mir? Ich seufzte...Er hatte recht. Wieso seufzte ich immer? Ich war noch nie ein Seufzer gewesen. Tja, er machte mich zu einem Seufzer.

Schnell verschwand ich in meinem Zimmer. Endlich konnte ich mich ganz aus dem Kleid befreien. Ich saß auf dem Bett und genoss es, mich frei bewegen zu können. Dann überkam mich wieder die Müdigkeit und ohne mich nach einem Schlafanzug umzuschauen, der ja sowieso in Adrians Zimmer gefangen war, kuschelte ich mich in meiner Unterwäsche ins Bett.

Doch sobald ich im Bett lag, war die Müdigkeit verschwunden. Stattdessen kreisten in meinem Kopf unendlich viele Gedanken herum. Ich fragte mich, ob Adrian mich jemals akzeptieren würde. Dass er mich niemals lieben würde, hatte ich mittlerweile begriffen, aber ein kleines Fünkchen Hoffnung gehabt, dass er mir eine Chance geben würde. Diese Hoffnung lag im Moment im Sterben.

Aber was hatte ich auch erwartet? Ich wusste von seiner Freundin, mit der er seit 2 Jahren zusammen war. Ich hatte sie sogar auf der letzten Geburtstagsfeier seiner Mutter kurz kennengelernt, als wir noch nicht miteinander verheiratet werden sollten und als er noch freundlich und höflich mir gegenüber war. Immer wenn er mich gesehen hatte, war er zu mir gekommen und wir hatten uns nett unterhalten, wenn auch nur für wenige Minuten. Es war verständlich, dass er mich hasste. Ich hatte sein Leben ruinert. Ob sie noch zusammen waren? Bestimmt. Wieso auch nicht?

Ich fragte mich nur, weshalb er so eklig zu mir war. Ich hatte niemanden darum gebeten, uns zu verheiraten. Ich war genauso wie er, zu dieser Eheschließung gezwungen worden. Mein Studium war mir wichtig und meine Eltern würden mich nicht länger studieren lassen ohne einen Mann an meiner Seite. Ich war schon seit Jahren in Adrian verknallt, doch das wusste niemand. Also hatte ich eigentlich genau wie er auch, das Recht so wütend zu sein und ihn wie ein Stück Dreck zu behandeln. Doch ich tat es nicht. Das sollte er sich mal klarmachen und mich wenigstens mit ein wenig Respekt behandeln.

Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, während ich über mein verkorkstes Leben nachdachte. Ich versuchte wenigstens leise zu weinen, doch immer wieder entfuhren mir laute Schluchzer. Er würde mich wahrscheinlich sowieso nicht hören. Er träumte bestimmt schon lange von einem Leben ohne mich und so teuer wie dieses Haus war, waren die Wände sicherlich dick genug, um keinen Mucks herauszulassen.

Ich hatte Angst vor der kommenden Woche, die wir gemeinsam in London in seiner Wohnung verbringen würden. Vielleicht schließt er mich eine Woche lang in ein Zimmer und vergnügt sich ohne mich, war mein letzter Gedanke, bevor ich endlich in einen unruhigen Schlaf glitt.


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My heart is broken,

Somebody fix it.

My walls are closing in,

Caught in a deep hole.

- Morgan Taylor Reid: Where do I even start?


Nein, Ich will.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt