Kapitel 1

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Wir hatten das große Gebäude vor etwa zehn Minuten betreten und nun stand ich vor ihm. Das sollte mein neuer Bruder sein. Ich konnte meine Eltern nicht verstehen. Immer hatten sie mir gesagt, ich sei ihr ganzer Stolz, das Wichtigste in ihrem Leben. Scheinbar hatten sie das nicht ernst gemeint. Sonst ständen wir jetzt nicht hier in dem hellen Büro dieser Frau mit dem aufgesetzten Lächeln gegenüber.

Am liebsten wäre ich Zuhause geblieben, doch meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich mitkam, um unser neues 'Familienmitglied' zu begrüßen. Wenn ich mir den Jungen neben der Frau so anschaute, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Die schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht und er hielt den Kopf gesenkt, beobachtete nur den Fußboden und unsere Schuhe.

So schwach, wie er aussah, würde ich ihm nicht einmal zutrauen, meinen Schulrucksack zu tragen, wenn ich einen 'schweren' Tag hatte. Und seine Klamotten. Wir hatten zwar Geld, aber als versnobt würde ich mich nicht bezeichnen und doch konnte ich bei dem Anblick der abgetragenen Jeans und dem verschwaschenen Pulli, der im Übrigen viel zu groß schien, nur die Nase rümpfen.

"Das ist Jimin. Er ist seit drei Wochen bei uns und freut sich, dass sich so schnell eine neue Pflegefamilie für ihn interessiert."

Bei diesen Worten verbeugte sich der Junge in einem sauberen Neunzig Grad-Winkel und hielt einen Moment aus, bevor er sich wieder aufrichtete.

"So wohlerzogen", merkte meine Mutter anerkennend an und ich beobachtete, wie sie sich zufrieden an meinen Vater lehnte. Sie waren gute Eltern. Woher sie aber die schwachsinnige Idee hatten, einen zweiten Sohn aufzunehmen, wusste ich nicht.

"Es freut uns, dich kennenzulernen."

Meine Eltern lächelten und betrachteten den Jungen, der nun langsam den Blick hob. Seine Augen waren dunkel und huschten von einer Person zur anderen, bis sie meinen Blick kreuzten. Für einen Moment hielt er den Kontakt, dann starrte er wieder auf den Boden.

Nachdem wir uns alle vorgestellt und an einen runden Tisch gesetzt hatten, erzählte die Frau uns von Jimin, er selbst hatte noch nicht ein Wort gesprochen. Und er hatte es vermieden, ein weiteres Mal aufzusehen.

"... von verschiedenen Familien aufgenommen, seit seine Mutter bei einem Unfall ums Leben kam."

Ich beobachtete relativ unbeteiligt die Anwesenden und versuchte, nur das Nötigste zu hören. Diese helle Stimme war unglaublich nervtötend. Am liebsten hätte ich ihr das rote Tuch von ihrem Hals in den Mund gestopft, dann wäre es endlich still und ich müsste ihr falsches Lächeln nicht mehr sehen. Das hielt doch kein Mensch aus. Und das alles nur, weil meine Eltern einem armen Kind ohne Zukunft eine Familie geben wollten.
Unfassbar.

Warum nicht ein kleines Mädchen, das lieb und nett war, warum musste es ein Junge sein, der nur zwei Jahre jünger war als ich und mir vermutlich bei der erstbesten Gelegenheit eins auswischen würde?

"Nicht wahr?"

Ich wusste nicht, was die Schreckschraube ihn gerade gefragt hatte, doch als sie ihren Arm um seine Schultern legte, spannte er sich merklich an, bevor er etwas abgehackt nickte.

"Sehr schön." Sie klatschte in die Hände, woraufhin er zusammenzuckte. "Haben Sie noch Fragen? Sie werden Jimin erstmal für fünf Tage aufnehmen und am Donnerstag komme ich Sie alle besuchen und frage, wie es aussieht."

Fünf Probetage also. Vielleicht konnte ich ihn ja wieder loswerden.

- - -

So, ihr Lieben!

Das war also das erste und kürzeste Kapitel der gesamten Geschichte.

Am liebsten würde ich gleich alle Teile raushauen, weil ich es schon so lange hab schleifen lassen, aber ich bin mit der Korrektur noch nicht besonders weit.

Der nächste Teil kommt wahrscheinlich bis Samstag, ich weiß noch nicht, ob ich mir einen festen Update-Tag aussuchen will...
Falls ihr da einen Wochentag bevorzugen würdet, lasst es mich einfach wissen!

Und genug geschwafelt, genießt die restliche Woche!

LG SerenaTopas

Brother's Love // YoonMinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt