5.Kapitel

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Bis in den späten Nachmittag hält das Beruhigungsmittel an und ich dämmere in meinem Bett vor mich hin. Die Gedanken an Louis und die Angst, er könnte mir nicht verzeihen und mich allein lassen, sind noch immer da, aber ich erlebe sie wie durch einen Schleier.

Ohne den Kopf auch nur einmal wegzudrehen, blicke ich die ganze Zeit auf die Tür.

Gleich kommt er wieder rein. Ganz bestimmt. Sicher ist er schon im Flur. Gleich ist er da...gleich...gleich...gleich...

Aber Louis kommt nicht. Ob er zurück ins Hotel gegangen ist? Oder hat sein Onkel eine Wohnung für die Zeit angemietet? Keine Ahnung. Dass ich nicht weiß, wo Louis ist, macht mich irre und ich weiß gar nicht wohin mit meinen ganzen Gefühlen. Mein Innerstes rebelliert, will, dass ich aufstehe, das Zimmer verlasse und nach ihm frage, aber man hat mir keine Krücken da gelassen. Die wissen schon warum.

Meine Situation so auszunutzen und mich ans Bett zu fesseln, das geht gar nicht.

Plötzlich höre ich Schritte draußen und die Tür geht einen Spalt breit auf. Ohne ihn wirklich zu sehen, weiß ich, dass es Louis ist, der da steht und zu mir hinein lugt. „Louis...", hauche ich heiser und kneife die Augen zusammen, um ihn besser sehen zu können. Langsam wird die Tür ein wenig weiter aufgeschoben und die schmale Statur meines Freundes schiebt sich ins Zimmer.

Sofort verrät mich der Monitor erneut durch ein Piepsen und ich bin erleichtert, ein kleines Lächeln auf Louis' Gesicht zu sehen. Immerhin, ein kleines ist besser, als nichts. „Du bist ja wieder wach", stellt er fest und zieht unsicher die Ärmel seines dünnen Pullis über die Hände. „Hab unfreiwillig geschlafen", antworte ich und setze mich langsam auf, weil ich es unhöflich finde, liegen zu bleiben, wenn Louis da ist, doch er schüttelt den Kopf: „Du solltest liegen bleiben, sonst überanstrengst du dich noch."

Na gut, wenn er meint.

Langsam sinke ich zurück in die Kissen, ohne jedoch den Blick von ihm zu nehmen. Keine Ahnung, was ich zu ihm sagen soll. Louis scheint genauso sprachlos zu sein, wie ich, denn auch er schweigt und sieht eigentlich eher so aus, als hätte er sich in der Tür geirrt. „Hast du schon was gegessen?", fragt er leise und ich schüttele den Kopf. „Ich auch nicht...ich hab mir was beim Chinesen geholt, wenn du magst, dann warte ich, bis dein Abendessen kommt und wir können dann gemeinsam essen..."

„Ja, das wäre sehr schön, Louis." Oh Gott, er ist so süß. „Gut, dann stelle ich es mal hier hin, okay?" Louis nimmt die Tüte, die er mitgebracht hat und stellt sie auf dem kleinen Tischchen ab, dann setzt er sich daneben auf einen Stuhl und ist jetzt fast drei Meter entfernt von mir, weshalb ich mich wieder aufrichte, um ihn besser sehen zu können.

Diese Stille ist furchtbar. Kein peinliches Schweigen zwar, aber unangenehm und ich will sie irgendwie durchbrechen. „Ist dein Onkel noch hier? Seid ihr ihn einem Hotel untergekommen?", frage ich interessiert und könnte mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich klinge, als würde ich Konversation machen wollen.

Nun gut, im Grunde will ich das ja auch. Louis steigt sofort darauf ein. Auch ihm scheint das Schweigen unangenehm vorgekommen zu sein.

„Wir sind hier ganz in der Nähe. Das Hotel ist recht hübsch und ich kann zu Fuß herkommen. Mein Onkel erledigt seine Geschäfte von dort aus, weil er mich hier nicht allein lassen will und ich mich mich in den letzten Wochen geweigert habe, zurück nach London zu fahren."

„Das ist schön. Wirst du denn auch hier bleiben, jetzt, wo ich wach bin?" Vor der Antwort auf diese Frage habe ich Angst, dass Louis sie mit einem Nein beantworten könnte, doch zu meiner Erleichterung nickt er. „Ja, ich gehe nicht..."

Bedeutet das, dass wir zusammen bleiben? Dass er mich noch liebt? Oder will er einfach nur wissen, dass es mir gut geht und dann erst zurück nach London fliegen, wenn er weiß, dass ich allein zurecht komme? Fragen über Fragen ploppen in meinem Kopf auf und ich sehe ihn direkt an. Noch immer löst der Blickkontakt in mir ein Kribbeln aus und die Wärme breitet sich über meinen ganzen Körper aus. „Heißt das...", fange ich an und würde die Worte am liebsten zurücknehmen. Wenn ich Louis jetzt bedränge, dann kann er sich erst recht nicht sortieren. „Harry ich kann dir nicht sagen, was ich fühle...ich weiß es selbst nicht genau", sagt er vorsichtig und in seiner Stimme schwingt schon wieder die Verzweiflung mit und er sieht schnell aus dem Fenster. Die Sonne steht mittlerweile tiefer und warme Strahlen fallen durch das Glas direkt auf sein hübsches Gesicht.

Heal me • Buch III (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt