37.Kapitel

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 „Ich weiß nicht, was aus mir werden soll." Mir läuft die Nase und ich wische sie am Handrücken ab. In meinem Kopf dreht sich alles und obwohl ich vorhin nur kurz diesen Gedanken hatte, scheint er sich festgefressen zu haben und es dreht sich jetzt alles nur noch um meine Zukunft. Und weil ich nicht weiß, wie die aussehen soll, zieht sich vor lauter Angst gerade alles in mir zusammen.

„Du solltest erst mal aus dem Wasser raus, sonst erkältest du dich noch. Komm hoch." Triefend setze ich mich auf den Rand der Wanne und trockne mich schnell ab, dann ziehe ich mir den weißen Bademantel über, doch er gibt mir nicht das Gefühl von Geborgenheit, wie das sonst immer der Fall ist. „Komm, lass uns ins Zimmer gehen, da kannst du mir erzählen, was dir gerade im Kopf herumgeht", schlägt Louis leise vor.

Wenig später sitzen wir auf dem Bett und dieses Mal bin ich es, der sich zusammengerollt hat und in Louis' Arm liegt. Beruhigend streichelt er mir über den Kopf, krault mir den Nacken und berührt liebevoll mein Gesicht. „So, dann erzähl mal. Was ist los?", sagt er leise.

Tja, wenn ich das nur wüsste. Ich kann es nicht genau benennen und deswegen rede ich einfach mal drauf los. „Ich hab mich in den letzten Tagen mal gefragt, was denn aus mir wird, wenn wir hier raus sind. Den Deal mit dem MI5 habe ich gemacht, weil man mich Straffreiheit versprochen hat und ich will ein neues, ein legales Leben anfangen. Mit dir."

„Das ist schön, dass du das sagst", haucht Louis und lächelt mild. „Ja, aber dafür brauche ich einen Beruf und sind wir mal ehrlich? Wer würde mich einstellen? Ich habe keine Ausbildung, bin Mitte Zwanzig und habe bereits einmal im Gefängnis gesessen. Von meinem Bein und dem Auge will ich da gar nicht erst anfangen. Meine Wohnung muss ich aufgeben, weil ich mir die neue Miete nicht leisten kann...von welchem Geld soll ich mir eine neue leisten?"

„Mein Onkel könnte dir...", fängt Louis an, doch ich unterbreche ihn: „Ich kann ihn nicht auch noch darum bitten. Er hat schon viel zu viel für mich getan, was gar nicht nötig gewesen wäre."

„Aber er hat dich gern und ich bin sicher, dass er dir helfen wird, wenn ich ihn darum bitte. Du kannst doch nicht auf der Straße sitzen."

„Nein, das will ich nicht. Ich will nicht ständig um etwas bitten. Ich muss sowas doch auch allein hinkriegen, immerhin bin ich erwachsen und ich will dir auch beweisen, dass ich für mich selbst sorgen kann, ohne krumme Dinger zu drehen."

Fast schon trotzig balle ich meine Hand zur Faust und beiße mir auf die Innenseite der Wange. Ist das nicht nachvollziehbar?

Ich will Louis zeigen, dass ich für mich selbst sorgen kann und zwar auf legalem Wege. Wenn ich jetzt einfach seinen Onkel frage, dann wüsste ich nie, ob ich es nicht vielleicht wirklich auch aus eigener Kraft geschafft hätte. „Aber wenn du doch Hilfe brauchst..."

„Dann will ich sie nicht von deinem Onkel. Vorher nehme ich lieber Sozialhilfe an." Louis' Hand hört auf, mich zu streicheln und er sieht mich an, dann flüstert er: „Bist du wirklich zu stolz?"

„Ja, bin ich", antworte ich trotzig und schiebe die Unterlippe vor.

„Gut, dann werde ich nicht bei meinem Onkel für dich um Hilfe bitten", sagt Louis schlicht. „Auch, wenn ich es jederzeit tun würde."

„Ja, bitte tu das nicht. Ich will es allein schaffen. Immerhin habe ich dir immer gesagt, dass du dich von ihm loseisen musst und nicht abhängig sein darfst, da kann ich es jetzt schlecht selbst so machen."

Louis verspricht, seinem Onkel nichts von meinen Bedenken zu sagen, auch wenn ich ihm deutlich genug ansehe, dass er es gerne getan hätte. Aber er kennt mich mittlerweile und weiß, dass ich da ziemlich sauer wäre, wenn er sich hinter meinem Rücken mit ihm abspricht.

Heal me • Buch III (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt