36.Kapitel

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Weil ich Louis auf keinen Fall verschrecken will, gehe ich allein ins Badezimmer und lasse das Wasser in die Wanne. „Komm erst nach, wenn ich dich rufe, ja?", sage ich laut, damit er mich im Zimmer auch hört. „Okay", kommt es leise zurück und ich strecke den Kopf nochmal aus der Tür. Louis klang ängstlich und tatsächlich sitzt er ein wenig unsicher auf dem Sofa und sieht zu mir hin, wie ich mich aus der Tür lehne. „Es wird alles gut gehen, das verspreche ich dir", sage ich leise und er nickt unsicher, bringt aber ein Lächeln zustande.

Natürlich hat er Angst, das weiß ich, aber irgendwann muss er den Schritt einmal wagen und da auch er in den letzten Tagen weit gekommen ist, was seine Therapie angeht und der Vorschlag, das Bad zu nutzen von ihm selbst kam, möchte ich ihn dabei unterstützen.

Als das Wasser die Wanne gefüllt hat, ziehe ich mich aus und nehme die Prothese ab, lege sie unters Waschbecken und setze mich vorsichtig ins warme Wasser. Es ist angenehm und meine ganze Haut fängt an zu kribbeln. „Louis, du kannst reinkommen!", rufe ich in Richtung Tür und höre auch schon seine Schritte auf dem glatten Boden. Er schiebt die Tür auf und streckt den Kopf herein: „Oh, ist es hier warm", stellt er fest und wagt sich vorsichtig etwas weiter vor. Unsicher schiebt er die Hände in die Hosentaschen und bleibt ganz nah an der Tür stehen – so kann er schneller flüchten. „Komm her, es ist super warm hier drin", fordere ich ihn auf, strecke die Hand nach nach ihm aus und greife seine Fingerspitzen, ganz vorsichtig, damit ich ihn bloß nicht zu sehr einenge. Jede noch so kleine Bewegung könnte ihm jetzt große Angst machen.

„Ich versuche es", antwortet Louis leise und zieht sich das Shirt über den Kopf. Sein Atem geht schnell, das sehe ich jetzt, da er nichts mehr anhat und auf seinem Brustkorb sehe ich das Wummern seines Herzens.

Er steht vollkommen unter Stress.

„Willst du es wirklich versuchen, du siehst ängstlich aus", hake ich nach und setze mich in der Wanne auf, doch Louis nickt schnell: „Nein, ich will es versuchen. Das kriege ich schon hin."

Gut, wenn er meint, dann will ich ihm nicht dazwischenfunken.

Ich ziehe die Beine an und rutsche in der Wanne ein wenig nach hinten, dabei beobachte ich meinen Freund, der sich auszieht und seine Klamotten ordentlich auf einem Schränkchen ablegt. Vermutlich will er Zeit schinden, bis er ins Wasser geht, doch irgendwann liegt alles ordentlich und Louis steigt über den Rand.

Langsam taucht er den Fuß ins Wasser und bewegt sich fast in Zeitlupe, als befürchtete er, die Wanne könnte unter ihm zerbrechen. Schwer ausatmend setzt er sich schließlich und sieht mich dann an.

„Gut gemacht, Schatz."

„Danke...", haucht Louis und wischt sich mit der Hand über das blasse Gesicht. Entspannt ist er noch nicht, denn seine rechte Hand hält sich immer noch krampfhaft am Rand der Wanne fest. Seine dunklen Auge huschen über die Wasseroberfläche und ich bleibe ganz still sitzen. Entspannung ist was anderes, aber viel wichtiger ist jetzt sowieso, dass Louis ohne Panikattacke wieder aus dem Badezimmer kommt. Langsam greife ich zum Duschgel, das ganz in der Nähe steht und öffne die Tube. Das leise Knacksen des Deckels lässt Louis zusammenfahren, doch er bleibt sitzen.

„Gib mir deine Hand", fordere ich ihn auf und verreibe ein wenig Duschgel zwischen den Händen. Vorsichtig tauche ich sie ins Wasser und verteile es auf seinem Unterarm, dann fange ich bei seinen Fingern an und massiere mich langsam über die Handfläche, über den Unterarm nach oben. Mit jedem Handgriff wird Louis ein wenig entspannter und ich wende die Augen keinen Moment von seinem Gesicht ab. Langsam schleicht sich ein Lächeln auf seine Lippen und er seufzt leise. „Das ist angenehm."

Heal me • Buch III (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt