3.Kapitel

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Um mich abzulenken sehe ich aus dem Fenster, wo der helle Himmel einen wunderschönen Sommertag ankündigt. Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken und ich hebe den Kopf, mein Herz rast vor Aufregung. Wie wird Louis reagieren, wenn er mich sieht? Wird er mir Vorwürfe machen, oder einfach erleichtert sein, dass es mir gut geht?

Die Tür öffnet sich und ein Mann kommt herein. Dass es nicht Louis ist, enttäuscht mich. Der Mann schenkt mir ein freundliches Lächeln und stellt sich mir als Mr King vor. „Ich bin der Psychologe des Krankenhauses und wollte mal bei Ihnen vorbeischauen. Wie geht es Ihnen?"

„Ich lebe", antworte ich ein wenig unsicher und knapp.

Was soll ich dem Mann sagen? Ja, er ist Psychologe, aber ich kann hier jetzt nicht sofort mein Innerstes ausbreiten, oder?

„Haben Sie Schmerzen?", will er wissen und ich nicke, wobei ich gleichzeitig verlegen werde. „Ja habe ich. Seltsamerweise in dem Teil des Körpers, der nicht mehr da ist...ist das normal?" Mr King nickt freundlich und sagt, dass es sich dabei um Phantomschmerzen handelt. „Davon habe ich schon gehört, aber ich habe nie gedacht, dass sie so schlimm sind", gebe ich unsicher zu und mein Blick bleibt auf der Beule unter der Bettdecke hängen, die den Rest meines Beines verdeckt. „Mr Styles, Sie haben eine Menge erlebt und müssen das erst mal verarbeiten. Seien Sie sich aber bewusst, dass Sie keineswegs anders reagieren, als andere Patienten. Ein Auge und ein Bein zu verlieren, ist ein einschneidendes Erlebnis und es ist vollkommen normal, dass man nicht vom einen auf den anderen Tag damit zurechtkommt.“ Der Psychologe sieht mich eindringlich an und ich nicke knapp. Natürlich hat er recht und ich muss mich für meine Gedanken und Ängste überhaupt nicht schämen. Trotzdem muss ich lernen, damit umzugehen. „Ich sehe, dass Sie noch nicht bereit sind, wirklich darüber zu sprechen, aber ich bin hier, wenn Sie jemanden brauchen. Fragen Sie einfach eine Schwester nach mir, ja?“

„Ja, werde ich machen. Vielen Dank Mr King.“ Ich schüttele ihm die Hand und bin erleichtert, dass er mir gesagt hat, dass meine Reaktion vollkommen normal ist.

Als ich allein im Zimmer bin, greife ich zum Spiegel auf dem Nachttisch und ziehe die Augenklappe ab. Ich muss mir das einfach nochmal genauer ansehen – es ist immer noch nicht in meinem Kopf angekommen, dass ein Auge nicht mehr funktioniert.

Nachdenklich betrachte ich mein blutrotes Auge und die starre Pupille. Verdammt ist das gruselig, das muss dringend gemacht werden, vielleicht kann ich mich dann damit anfreunden, wenn es wenigstens wieder normal aussieht.

Wieder klopft es und schnell ziehe ich die Augenklappe wieder über. Louis soll sich nicht zu Tode erschrecken, wenn er mich so sieht. Nervös klopft mein Herz und der Überwachungsmonitor, an den ich angeschlossen bin, zeigt extra hohe Werte an.

Mr Menzies betritt den Raum und ich bin erneut enttäuscht, weil ich Louis erwartet habe.

Wie immer trägt er seinen dunklen Anzug und wirkt erleichtert, als er mich aufrecht sitzend vorfindet. „Sie sind wach - endlich“, stellt er fest, lächelt kurz und zieht sich einen Stuhl heran. „Ja, seit gestern Abend“, antworte ich und meine Stimme krächzt ein wenig, so lange habe ich sie nicht gebraucht. „Schön, Sie wohlauf zu sehen, wir hatten uns schon Sorgen gemacht und ich war regelmäßig hier“, sagt er und wir sehen uns an. „Was ist mit Forster?“, frage ich vorsichtig und der Mann vom MI5 lächelt. „Der sitzt im Gefängnis und wird da so schnell nicht wieder rauskommen. Wir konnten ihn und sämtliche Mitarbeiter im Glenapp Castle festnehmen und die Unterlagen in den Hotelzimmern sprachen für sich. Im Grunde brauchen wir keine Aussage von Ihnen mehr, so viel Informationen haben wir zusammen.“

Er hält inne und mustert mich, dann sagt er: „Sie haben einen guten Job gemacht und sehr viel riskiert.“ Ich nicke und fasse mit der Hand auf die Augenklappe. „Was ist damit?“, fragt der Agent und ich zucke die Schultern: „Das Auge ist hinüber. Und mein Bein auch.“ Ich ziehe die Decke zurück und der Agent spannt sich kurz an. Wie es aussieht, wusste er nicht, was mir da passiert ist.

Heal me • Buch III (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt