Der Herr der Illidari

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Als sie erwachte war Meira allein. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so gut gefühlt hatte. Außer einem seltsam salzigen Geschmack im Mund und einem leichten Muskelkater gab es nichts, das darauf hin weisen würde, dass sie schwer krank war.

Sie rieb sich über das Gesicht und den Kopf. Sie kämmte ihr kupferfarbenes Haar, das nach der letzten erfolglosen Chemo gerade genug Zeit hatte wieder bis auf Kinnlänge zu wachsen, mit den Händen und sah sich dann in dem Raum in dem sie lag um.

Es war eine einfache kleine Kammer. Abgesehen von einer kleinen Truhe, einem Tisch mit einer Schüssel darauf und einem Stuhl gab es nur ihr Bett. Die Decke und das leinerne Kissen waren abgenutzt und wenn sie sich bewegte knirschte die Matratze. Sie vermutete, sie war mit Stroh gefüllt. Ansonsten war der Raum leer. Es gab keinen Schmuck an den Wänden und auch keine Fenster.

Sie überlegte wo sie war, denn dies war definitiv nicht ihr Hospizzimmer. Träumte sie? Oder war die Erinnerung an Illidan Sturmgrimm eben das, eine wirkliche Erinnerung. War es so etwas, wie ein Leben nach dem Tod?

Neugierig schlug sie die Decke zurück und versuchte aufzustehen. Mit nackten Füßen tapschte sie über den kahlen Steinboden und gluckste glücklich. Sie war seit einem halben Jahr nicht mehr als ein paar Schritte vom Bett ins Bad und anders herum gelaufen und jedesmal war sie völlig fertig hinterher gewesen. Diesmal strengte es sie kaum an. Es war, als hätte es diese Zeit nicht gegeben. Zwar hatte sie das Gefühl ihre Beine seien aus Pudding, aber das war mehr ein Kontroll- als ein Kraftproblem.

Im Raum war es kühl und sie war erleichtert, als sie auf dem Stuhl einen Stapel mit Kleidung entdeckte. Sie faltete sie auseinander und entdeckte neben lederner Unterwäsche ein paar braune Lederhosen, ein dunkelgrünes Hemd, Gürtel, Handschuhe und ein Paar Lederstiefel. Meira vermisste ein paar Socken, aber es war besser als nichts.

Alles war ihr ein ordentliches Stück zu groß. Sie musste das Hemd auf Höhe des Gürtels zusammen knoten, da es ihr ansonsten bis zu den Knien gereicht hätte. Die Hose schlug sie dreimal unten um und sie war froh, dass wenigstens der Gürtel eng genug schnallbar war. Die Handschuhe zog sie erst garnicht an und auch die Stiefel hielten nicht an ihren Füßen. Sie nahm die sie in die Hand und überlegte, was sie tun sollte. Neugierig, wie sie war, entschied sie sich zu entdecken wo sie sich befand.

Barfuß ging sie zur Tür und steckte den Kopf hinaus. Vor der Tür entdeckte sie einen Gang. Jemand räusperte sich und sie drehte den Kopf. Neben der Tür stand ein Elf. Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. Der Elf hatte eine Binde um die grün leuchtenden Augen gebunden und seine lederne Kluft ließ nur einen Schluss zu. Ein Dämonenjäger! Auf der anderen Seite der Tür stand ein zweiter Elf. Beide hatten dunkelblaue Haut und grünliche Haare. Eindeutig Nachtelfen, fand Meira.
"Hallo!", flötete sie und lächelte die Elfenmänner an. Einer von beiden sah fragend auf ihre Füße und sie hielt als Antwort die Schuhe daneben. " Bisschen groß", sagte sie. Der Elf zog eine Augenbraue nach oben, dann nickte er. Der andere drückte die Tür weiter auf: "Fürst Illidan wünscht euch zu sehen."

Meiras Herz machte einen Satz. Tatsächlich, war sie im Gebiet ihres absoluten Heldes gestrandet. Nur zu welcher Zeit, fragte sie sich. Da es bereits Illidari gab musste es mindestens zur Zeit im schwarzen Tempel sein oder war sie gar auf der Teufelshammer? Eine der Wachen ging vorraus, die andere folgte ihr.

Der Boden unter ihren Füßen war eiskalt und sie hoffte bald ein paar passende Schuhe zu bekommen, aber sie hatte wenig Hoffnung. Die beiden Männer waren riesig, und im Vergleich mussten selbst die Blutelfen zu groß sein, als dass sie Kleidung von ihnen hätte tragen können. Beinahe fürchtete sie sich bei der Vorstellung wie groß dann erst Illidan sein musste.

Man führte sie einige Minuten durch ein Labyrinth an Gängen und mehr als einmal hatte sie das Gefühl, sie liefen im Kreis. Wahrscheinlich sollte sie verwirrt werden, damit sie den Weg alleine nichtmehr fand.
Geduldig folgte sie den Wachen, bis sie an eine Tür kamen, die eigentlich mehr ein Tor war. Sie vermutete nun, sie war im Schwarzen Tempel. Solche Türen gab es auf der Teufelshammer nicht.

Eine der davor stehenden Wachen, eine weibliche Nachtelfe, klopfte bei ihrer Ankunft an und schlüpfte hinein. Kurz darauf öffnete sie ihnen von innen. Meira wurde durch die geöffnete Tür geschoben und erstarrte. Auf einem steinernen Sessel am Ende des Raumes saß der Herr der Illidari persönlich.

Zögernd ging sie ein paar Schritte auf ihn zu. Sie wollte ihn von nahem sehen. Er hatte den Kopf geneigt und lauschte einem hochgewachsenen Blutelfen, der sich zu ihm hinunter gebeugt hatte um mit ihm zu sprechen. Als er sie bemerkte flackerte sein Blick kurz zu ihr, bevor er wieder den Blutelfen ansah. Ein kurzer Augenblick reichte aus und Meiras Blut kochte in ihren Adern. Ihr war nach all den Jahren voller  Krankheit nichtmal bewusst, dass sie so etwas wie eine Libido besaß, aber sie übernahm augenblicklich die Kontrolle. Illidan Sturmgrimm war das, was ihre Lieblingsautorin einen Alpha nannte.

Er nickte dem Elfen zug, erhob sich majestätisch aus seinem Thron und kam auf sie zu. Bei jedem Schritt spannten sich die Oberschenkel in den enganliegenden ledernen Hosen. Seine Bauch und Brustmuskeln arbeiteten Gegen das Gewicht der violetten Schwingen auf seinem Rücken, und sie versuchte zu schätzen welche unglaubliche Spannweite sie haben mussten. Am schlimmsten aber traf sie sein Geruch. Er war noch mehrere Meter entfernt und doch war sie plötzlich wie von einer Wand umgeben, die sie einhüllte. Der Halbdämon roch intensiv und dunkel nach Moos und nassem Waldboden. Meira wusste instinktiv, dieser Mann war ihr Untergang.

Als kenne er ihre Gedanken stahl sich dieses schelmische, süffisante Grinsen auf sein Gesicht. Direkt vor ihr blieb er stehen, sie reichte ihm gerade einmal bis zur Brust, wenn auch nur sehr knapp. Er streckte die Hand aus, umfasste ihren Kopf, sodass sein Daumen an ihrer Wange lag und Meiras Herz machte einen Sprung. Sie wusste, dass sie ihn mit großen Augen anstarrte und das auch noch mit offenem Mund aber sie konnte nichts dagegen tun. “Nenn mir deinen Namen, mein Kind!", forderte der Herr des schwarzen Tempels in einem tiefe Bass, der Meira durch und durch erschütterte.

Stranded in Azeroth - IllidanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt