Prolog

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Der Junge wusste nicht, was er machen sollte. In der Ferne sah er noch den Rauch der vergangenen Schlacht. Er wusste, das es nie mehr so sein würde, wie es war.

Seit er diese Erkenntnis erlangt hatte fühlte er sich leer. Zwar hatte er nie eine solche Schlacht miterlebt, doch er hatte eine blühende Fantasie. Er konnte sich sehr gut vorstellen, was die Menschen da draußen für Qualen litten. Natürlich wusste auch er sehr gut, dass viele Menschen diese Schlacht nicht überleben würden. Insgeheim hatte er immer gehofft, dass es nie so weit kam. Doch es war so gekommen. Während er so auf das Meer schaute und versuchte, den Horizont auszublenden, bildete er sich ein, die Schreie der Menschen zu hören. Er bildete sich ein, dass sie seinen Namen riefen und ihm vorwarfen, dass er ihnen nicht geholfen hatte. In diesem Moment fühlte der Junge sich schuldig. Er hatte das Gefühl, dass all die Verluste nur seine Schuld waren. Er fühlte sich schuldig, weil er hier in Sicherheit auf der Klippe stand, weil er immer in Sicherheit gewesen war.

Natürlich wusste der Junge, dass seine Eltern im Kampf gegen Drago Blutfaust gefallen waren. Er wusste, dass jeder, der sich jemals mit jenem angelegt hatte, gestorben war. Auch war ihm klar, dass er eigentlich noch viel zu jung für so einen Kampf war. Doch in diesem Augenblick wünschte er sich, dass er sich ihm doch entgegen gestellt hätte. Vielleicht wären dann weniger Leute gestorben. Vielleicht hätte es diese Schlacht am Horizont nie gegeben.

So stand er eine ganze Weile da, schaute der Sonne beim Aufgehen zu und hing seinen Gedanken nach. Es war eine lange Nacht gewesen und doch war er immer noch nicht müde. Die ganzen Schuldgefühle, seine Abenteuerlust und sein Tatendrang hielten ihn wach. Schon seit er denken konnte, war er immer nur Beobachter gewesen. Immer war er nur der passive Spieler, nie hatte er zu denen gehört, die etwas unternommen hatten. Manchmal hatte ihn das wütend gemacht, tagelang hatte er nicht mit seinem Großvater gesprochen. Doch respektiert hatte er diese Tatsache immer. Zumindest bis zum heutigen Tage. Erst jetzt, als er auf die Rauchschwaden am Horizont blickte, begann er sein Leben wirklich zu hinterfragen. Er suchte nach einem höheren Sinn dahinter, wie es viele Menschen manchmal tuen. Er versuchte sich seine Existenz zu erklären. Zu einer richtigen Antwort auf seine Fragen kam er aber nicht. Im Gegenteil, jede Antwort warf mehrere neue Fragen auf. Fragen, deren Antworten wohl wieder neue Fragen aufwerfen würden, nur dass der Junge die Antwort sowieso nicht wusste.

In diesem Moment, in dem der Junge sich eingestand, wie wenig er trotz allem wusste. In diesem Moment trat sein Großvater zu ihm an die Klippe. Auch der alte Mann fühlte sich schuldig, doch er hatte sich an das Gefühl gewöhnt. Es war ihm nicht mehr wichtig, nachdem er so viele, die ihm wichtig gewesen waren verloren hatte. Erst seine Frau, dann seinen Sohn. Sie waren beide gute Menschen gewesen und doch hatte ihnen das Schicksal viel zu wenig Zeit gegeben. Der Mann schüttelte den Kopf. Dieser Tag und der Schlafmangel brachten ihn durcheinander. Eigentlich glaubte er nicht an das Schicksal. Wenn man alles darauf schieben könnte, wäre der Mensch schließlich für keine seiner Handlungen mehr verantwortlich. Dies aber wusste der alte Mann nur zu gut. Menschen waren immer für ihr Handeln verantwortlich. Egal ob sie aktiv oder passiv im großen Spiel des Lebens spielten.

Der alte Mann sah seinen Enkel an der Klippe stehen. Mit diesem nachdenklichen Gesichtsausdruck sah dieser seinem Vater noch ähnlicher. Allerdings konnte man auch die Gene seiner Mutter sehen. Vor allem jetzt, da sich sein Gesicht wie ein Schatten dunkel vom Licht der aufgehenden Sonne abhob.

Er lief zu dem Jungen und legte einen Arm um ihn. Der Junge lehnte sich an den Älteren und blickte lächelnd zu ihm auf. Eine Weile verharrten sie so. Dann verschwand das Lächeln des Kindes und machte einer ernsten Mine platz, wie sie manche Erwachsenen bis heute nicht haben. „Und?" Fragte er, wohl wissend, dass sein Großvater bereits Informationen über den Ausgang der Schlacht hatte. Das hatte er immer, er war einer der am besten Informiertesten Personen seiner Zeit. Der Blick des alten Mannes wanderten zum Horizont, an dem sich die Rauchschwaden so langsam verzogen. „So wie es aussieht haben sie gewonnen." Sagte er und in seiner Stimme schwang etwas mit, was der Junge nicht identifizieren konnte. Wut vielleicht, oder Sehnsucht. „Das heißt es ist vorbei?" Fragte er, es bereits besser wissend. Sein Großvater drehte sich wieder zu ihm und schaute ihm fest in die Augen. „Nein," sagte er und dieses Mal schwangen Sorge, Wut und Erschöpfung in seiner Stimme mit. „Nein, denn diese Schlacht wird sie niemals ganz loslassen. Egal was sie machen werden, sie wird sie immer begleiten." Nach diesen Worten schmiegte der Junge sich näher an den alten Mann. Dieser drückte seinen Enkel fest an sich und vergrub sein Gesicht in dessen Haaren.

Wieder standen sie für eine undefinierbare Zeitspanne da. Es war ungefähr die Zeit, die die Sonne brauchte um vollkommen aufzugehen. Sie schien vom Himmel, als wäre nie etwas passiert, als hätte es die Schlacht nie gegeben. Als sie das wahrnahmen, der Junge und sein Großvater, da dachten sie beide, dass die Sonne so schien, als wäre alles vorbei. Dabei würde es nie ganz zu Ende sein.

Wie bereits in der Buchbeschreibung stehend, wird es in diesem letzten Teil etwas düsterer zugehen. Vielleicht habt ihr es schon an diesem Prolog gesehen. Trotzdem freue ich mich über jeden, der die Geschichte bis zum Ende begleiten will.

Außerdem hey, ich habe mein Ziel erreicht diesen Teil noch vor Silvester zu veröffentlichen. Trotzdem muss ich sagen, dass ich zuerst „Zane & Zoe" fertig schreiben werde, was wesentlich kürzer dauern dürfte als die restliche Veröffentlichung. Deshalb wird vorerst nur Sonntags ein Kapitel kommen. Euch allen viel Spaß beim Lesen und bis dann, jolannasa

Fünf Jahre - Was davon bleibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt