10. Kapitel

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Lorelei

Irgendwann klopft es an die Tür und Theodora kommt herein. Als sie Maya sieht lächelt sie erleichtert. „Ich will ja nicht stören, aber wir müssen dich jetzt verlegen." Erklärt sie und ich lasse Maya los. Zurück bleibt ein nasser Fleck auf meinem Oberteil, den ihre Tränen dort hinterlassen haben. Trotzdem bleibt Maya bei mir, während mir Theodora hilft mich aufzurichten. Meine Wunden schmerzen und mein Kopf scheint mit der Bewegung nicht klar zu kommen. Das Schiff verschwimmt vor meinen Augen. Der Boden unter mir schwankt. Ohne Theodoras Stütze wäre ich umgefallen. Ich war schon so oft auf Schiffen, doch heute schaffe ich es nicht mich ganz aufzurichten, auf diesen schwankenden Boden. Dann hört der Boden auf zu schwanken, die Welt wird wieder normal und ich blicke in Theodoras lächelndes Gesicht. „Dein Körper kommt nicht so gut mit der langen Bettruhe zurecht. Du wirst wohl noch für längere Zeit Probleme haben." Aber immerhin bin ich noch am Leben. Nach mehreren Anschlägen auf mein Leben ist das längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Und alle wurden sie von Tarik verübt. Mache ich mir etwas vor, wenn ich mir sage, dass er es nur wegen Maya getan hat? Drago hätte sie ohne Skrupel umbringen lassen und mich auch. Dann wären wir beide tot gewesen. Wieso kann ich das Ganze sogar nachvollziehen? Ich muss verrückt geworden sein. Nein, ich bin nicht verrückt, ich bin verliebt.

Meine Gedanken sorgen dafür, dass ich nur wenig von unserem Weg durch das Schiff mitbekomme. Erst, als ich das erste Mal seit Tagen wieder Tageslicht sehe, nicht dass ich es in Dragos Festung oft gesehen habe, passe ich wieder auf. Es weht ein lauer Wind aber ansonsten ist es warm. Die Sonne strahlt vom Himmel, an dem ich sonst nur ein paar Drachen erkennen kann. „Die Meisten werden in nächster Zeit aufbrechen. Doch wir aus der Festung von Drago haben kein Zuhause mehr, viele von uns werden wohl zunächst hier bleiben. Es ist aber auch wichtig zu schauen, dass in der Festung kein neuer Feind, wie Drago, heranwächst." Erklärt Theodora, die meinen Blick gesehen hat. Auch Maya ist ihm gefolgt und schreit überrascht auf, als sich ein Drache vom Himmel löst und auf uns zukommt. Es ist ein Wechselflügler und kein Reiter sitzt auf seinem Rücken. Mein Herz macht einen Sprung, als ich Soraya erkenne, die mich fast umwirft. Ich lache, während ich versuche sie von mir weg zu schieben. Die letzten Tage im Bett haben mich allerdings so geschwächt, dass ich nicht genug Kraft habe. Maya muss mir Helfen, während wir die das Land der Insel Berk betreten. Es muss ein erstaunlicher Anblick sein. Eine Frau mit blassem Gesicht und Dunkelgrauen Haaren, ein Wechselflügler, eine Heilerin und ein kleines Mädchen auf dem Weg zu einer etwas erhöhten Hütte. Wer kam Bitteschön auf die Idee, die Krankenstation so weit oben zu bauen?

Der Aufstieg ist mühsam, irgendwann klettere ich auf Sorayas Rücken. Mein Körper scheint den langen Weg nicht mitmachen zu wollen. Gleichzeitig hat der lange Weg aber auch etwas gutes oder schlechtes. Ich bin mir nicht sicher, als ich plötzlich eine Stimme vernehme: „Maya!" Ruft sie und Maya dreht sich um. Unser Zug kommt zum stehen, als sie den Weg zurückrennt. „Papa!" Ruft sie und macht damit meine Hoffnung, ich hätte mich getäuscht zur Nichte. Die Person, zu der die Stimme gehört ist Tarik. Die Person, die ich am wenigsten und am meisten treffen wollte. Jetzt kommt er mit Maya im Arm auf uns zu. Er wechselt ein paar Worte mit Theodora, bevor er mich erkennt. Für einen Moment starren wir uns einfach nur an. Auf einmal ist dieser Moment in der Festung wieder ganz nah. Der Streit, dass Messer, dann der Kuss. Ich habe ihn niedergeschlagen und bin dann geflohen. Das alles spielt sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Es war für mich der Anfang von all dem hier. Es war der Anfang, am Ende stand die Schlacht, in der ich Tarik erneut gegenüberstand. Zum Schluss wäre ich wieder fast gestorben.

„Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht." Sagt Tarik irgendwann. „Und ich bin froh, dass du Maya wiedergefunden hast." Wir starren uns ein weiteres Mal an. „Nur dank dir, wenn du Drago nicht von Viggo abgelenkt hättest wäre alles anders gekommen." Tarik bringt ein schwaches Lächeln zu Stande. „Und Lydia wäre vielleicht noch am Leben." Meine Stimme klingt bitterer als beabsichtigt. Wäre wirklich alles anders gekommen, hätte ich anders gehandelt? „Hey," Tarik kommt einen Schritt auf mich zu. Gleichzeitig gleite ich von Sorayas Rücken. Sie schnaubt besorgt. „Du kannst nichts dafür." Tariks Stimme klingt wieder freundlicher. Dann nimmt er mich in den Arm. Es ist eine feste lange Umarmung. Eine Umarmung, die alles zwischen uns irgendwie wieder ins Lot bringt. Vielleicht wird es nicht mehr so wie vor der Schlacht, vielleicht wird sie immer zwischen uns stehen. Aber in diesem Moment bin ich zuversichtlich, dass wir wieder lernen werden uns zu verstehen. Das unsere Wege sich nicht trennen werden. Vielleicht werden wir uns sogar gemeinsam ein neues Leben aufbauen. Vielleicht aber auch nicht. In dieser neuen Welt, in der es zum ersten Mal seit langem Hoffnung für uns alle gibt, in dieser neuen Welt scheint alles Möglich.

Irgendwann setzen wir unseren Weg zu der Hütte fort. Unseren Weg in ein neues Leben. Es kann eigentlich nur besser werden.

Loreleis Geschichte endet hier. Sie hat ihren Weg gefunden, während die Drachenreiter noch eine letzte Reise machen müssen, bevor auch sie ihren Frieden finden können. Nächsten Sonntag geht es weiter, bis dann jolannasa

Fünf Jahre - Was davon bleibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt