11. Kapitel

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Hicks

Am nächsten Tag brechen wir in aller frühe auf. Noch sind nur wenig Wikinger auf den Beinen. Mein Vater und Grobian sind gekommen um uns zu verabschieden. Auch die Familien der Anderen sind hier. Sie haben längst aufgehört zu fragen, warum wir eine Reise machen müssen. Unsere und ihre Welt ist nicht mehr die selbe. Am Anfang war es schwierig aber jetzt haben wir uns damit arrangiert. Aber es ist auch noch eine dritte Gruppe da. Ich erkenne Theodora, eine der Heilerinnen aus Dragos Festung. Sie war dabei, als dessen Schiff unterging. Neben ihr steht der Mann, der damals bei mir mitgeflogen ist. Er heißt Tarik, das habe ich inzwischen in Erfahrung gebracht. Auf die beiden Stützt sich Lorelei, die immer noch ziemlich blass ist. Doch ihr Gesicht strahlt inzwischen. Sie scheint das Glück gefunden zu haben, das wir noch suchen müssen. Neben den dreien steht noch ein kleines Mädchen, das unentwegt gähnt aber sonst einen aufgeweckten Eindruck macht. Vielleicht ist das diese Maya, von der Tarik in jener Nacht geredet hat. Ich blicke noch einmal zu meinem Vater. Er versucht zu verbergen, dass er sich Sorgen macht. Er weiß, dass ich inzwischen gut auf mich selbst aufpassen kann und ich habe jetzt Ohnezahn und die anderen Drachenreiter. Wir haben diese Schlacht überlebt, wir werden auch überleben, was uns in Lydias Heimat erwarten wird. Entschlossen blicke ich die Anderen an. „Seid ihr bereit?" Alle nicken und blicken genauso entschlossen zurück. Selbst Viggo, der auf Lyras Rücken sitzt. Ihr gemeinsamer Verlust hat sie zusammengebracht und jetzt ist Viggo Grimborn, der Mann, der hunderte Drachen gejagt hat, fast schon selbst ein Drachenreiter. Das Schicksal hat manchmal komische Wege...
Dann hebt Ohnezahn vom Boden ab und die anderen Drachen tuen es ihm gleich. Ich erinnere mich an meinen ersten Flug mit einem Drachen. Damals noch ohne Sattel. Es war wahrscheinlich ziemlich gefährlich und ein Reinfall obendrein und doch war es wunderbar und es war aufregend. Auch wenn nichts so funktioniert hat, wie ich es vorgehabt hatte, betrachte ich diesen Flug als erfolg. Während ich meinen Gedanken nachhänge und Ohnezahn unter mir sanft dahingleitet, wird Berk hinter uns immer kleiner.

Schon jetzt bin ich mir sicher, dass dies nicht unsere oder zumindest meine letzte Reise werden wird. Es wird jedoch wahrscheinlich unsere weiteste Reise. Wenn wir nicht durchfliegen, was keinem Drachen außer Lyra zumutbar ist werden wir wohl mehr als zwei Tage für die Reise brauchen. Mit Schiffen wären wir Monate unterwegs, weshalb nur wenige von dort zu uns kommen. Nur einmal ist eines hierher gekommen und einige Monate wiedergekehrt. Nur, dass die Besatzung anders war. Ich denke an Helene und Jona, die sich wohl bei den Calderaleuten niedergelassen haben. Wir haben sie über den Ausgang der Schlacht informiert. Sie können jetzt wohl in Frieden leben, etwas das Lydias' Mutter nicht vergönnt war. Es gab so viel Widerstand gegen das Regime von Drago und doch haben sie sich irgendwann alle untergeordnet oder sind verstorben. Jetzt haben wir hunderte von Wikingern, die ihren Anführer verloren haben und sich wieder in unsere Welt einfügen müssen. Auf Dragos Festung wirklich etwas zu verändern ist eine Aufgabe, die wir wohl nicht so schnell bewältigen werden. Und doch haben sich bereits Leute gefunden, die sie gerne angehen werden. Viggo hat uns vom Programm erzählt. Es ist eine Gruppe die sich gegen das Jagen und Töten von Drachen einsetzt. Lydia war eine der Initiatoren, als sie vor Jahren angefangen hat den Frieden mit den Drachen zu verbreiten. Viggo lächelt immer noch wenn er an diese Zeit denkt. Er meinte, dass damals alles einfacher war. „Ich hatte das Geschäft noch nicht übernommen. Das kam erst ein paar Monate später." Hat er gesagt. Seit dieser Nacht ist er gesprächiger geworden und so beginnt er irgendwann gegen Nachmittag uns davon zu erzählen, was uns hinter dem Liliengebirge erwartet.

„Das Liliengebirge ist mehr oder weniger ein vulkanisch entstandenes Gebirge aber es trennt unsere Welt von ihrer. Es zieht sich Kilometerweit hin. Es würde wahrscheinlich mehrere Monate dauern mit dem Schiff um es herum zu fahren. Das hat so weit die Geschichtsschreibung weiß noch nie jemand versucht, weil es doch zwei Durchgänge gibt. Einen von ihnen haben wir immer benutzt, um zwischen den beiden Teilen hin und her zu fahren. Der Andere ist nur für ein paar Wenige befahrbar weil es dort einige giftige Drachenarten gibt." Es hört sich fast so an, als hätte Viggo ein Sachbuch auswendig gelernt und vielleicht hat er das auch. Auf Fönen, der Insel auf der Lydia aufgewachsen ist, gibt es nämlich auch die größte Schriftensammlung der bekannten Welt. Menschen von allen Inseln kommen dort hin um einen Einblick zu bekommen. Fischbein wird ganz aufgeregt beim Gedanken an das ganze Wissen dort. Ich kann es ihm nicht verdenken. Insgeheim hoffe ich, dort noch ein paar Antworten zu finden. Vorausgesetzt wir dürfen die Bibliothek überhaupt betreten. Denn es gibt dort einige Menschen die A nicht gut auf Viggo zu sprechen sind oder B nicht gut auf Lydia zu sprechen sind. Wenn sie wirklich wieder ein Paar geworden wären hätten sie wahrscheinlich alle Inseln östlich des Liliengebirges gegen sich aufgebracht. Die Menschen dort scheinen eine ganz andere Kultur als wir zu haben. Gegen Abend erzählt Viggo uns vom ewigen Frieden dort. Er nennt das ganze Projekt ziemlich arrogant. Denn der Frieden scheint nicht ewig zu sein. Einmal wäre fast an einem Krieg zwischen zwei Nationen zerbrochen und ansonsten tragen die Völker ihre Kriege einfach nur anders aus.

Ja, es wird ein Abenteuer und ja, ich bin mir immer noch sicher das wir diese Reise brauchen. Man muss nur einmal in die Augen der Drachenreiter schauen um das zu wissen. Doch je näher wir unserem Ziel kommen desto mehr Zweifel bekomme ich. Zweifel, die mich in der ersten Nacht wachhalten, während Astrid sich im Schlaf hin und her wälzt, Fischbein die Tränen stumm über das Gesicht laufen und Viggo wie tot daliegt. Meine Freunde verlassen sich auf mich. Aber ich habe mehr den je Angst sie ins Verderben zu führen.

Heute sehr viel Theorie, die aber wichtig für das Verständnis ist. Deshalb Augen auf und nicht vergessen. Vor allem nicht wenn sie ihr Ziel erreicht haben.

Fünf Jahre - Was davon bleibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt