2. Kapitel

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Hicks

Diese Schlacht hat viele Opfer gefordert. Schon auf dem Weg zurück fällt mir das auf. Wieso fliege ich überhaupt zurück? Zurück, in ein verlassenes Dorf. Das Adrenalin der Schlacht ist verbraucht. Zurück bleiben die Ernüchterung und die Schuldgefühle. Hätte ich das alles verhindern können?
Ich glaube es nicht, aber das ist meinem Gewissen egal. Die Reiterin, die auf dem Schiff verletzt wurde ist immer noch nicht bei Bewusstsein. Auf dem Rücken des Feuerschweifes ist es eng. Mit drei Personen. Die andere Frau scheint eine Heilerin zu sein. Sie untersucht die Frau mit den langen grauen Haaren gewissenhaft. Neben mir redet Astrid mit der Frau, die hinter ihr sitzt. Sie trägt das typische Outfit der Jäger und doch sitzt sie jetzt hinter meiner Verlobten auf dem Rücken eines Drachens. Der Mann, der hinter mir sitzt starrt Löcher in die Luft. Seit wir losgeflogen sind, hat er nur ein einziges Wort gesagt: „Maya." Ich habe keine Ahnung, wer Maya ist, aber ich hoffe, dass es ihr gutgeht. Vielleicht ist es der Namen der Frau, die von Drago verwundet wurde.
Drago...
Obwohl dieser Mann mehr oder weniger für die Ganze Schlacht mit all ihren Toten verantwortlich war, so habe ich seinetwegen doch Schuldgefühle. Ich hätte ihn retten sollen. Jetzt ist er mit großer Wahrscheinlichkeit tot.

Als wir auf dem Dorfplatz von Berk landen stehen um uns herum fast nur noch rauchende Ruinen. Hier sieht es schlimmer wie nach jedem Drachenangriff aus, den ich je erlebt habe. Auch die anderen Drachenreiter kommen nach und nach hierher. Sturmpfeil legt den Wechselflügler vorsichtig ab und landet dann neben mir. Der Feuerschweif landet etwas abseits. In der Ferne sehe ich ein paar weitere Drachen auf uns zukommen. Doch noch sind sie nicht hier. Ich steige von Ohnezahns Rücken und die Anderen tuen es mir gleich. Astrids und mein Blick treffen sich. Wir gehen auf einander zu und umarmen uns. Die Umarmung macht alles irgendwie realer für mich. Das alles ist wirklich passiert. Noch immer hat niemand ein Wort gesagt und das ändert sich auch nicht, bis die nächsten Drachen auf uns zukommen. Sowohl Fischbein als auch die Zwillinge landen einigermaßen Unversehrt mit ihren Drachen. Mit ihnen kommen noch ein paar fremde Drachenreiter. Einige stürmen mit bestürzten Gesichtern auf die Reiterin des Wechselflüglers zu. Nur mit Mühe kann die vermeidliche Heilerin sie beruhigen.
Dann tauchen auch Rotzbacke und Hackenzahn mehr oder weniger unversehrt wieder auf. Sie landen neben Fleischklops und Rotzbacke kommt zu mir und Astrid. Dann sehe ich in der Ferne endlich einen Fortunenflügler auf uns zukommen. Wieder ist es totenstill. „Das kann doch nicht..." Murmelt Astrid uns schlägt sich eine Hand vor den Mund. Ich muss unwillkürlich lächeln. Zumindest so lange, bis Lyra näher kommt. Sie trägt eine Person in den Krallen, die sie absetzt, bevor sie selbst landet. Auf ihrem Rücken befindet sich kein Reiter. Da ist nur Viggo Grimborn, der von allen mehr oder weniger feindselig angestarrt wird. Er sieht nicht gut aus, das sollte ich hier wohl mal festhalten. Seine Augen sind leicht geschwollen und er sieht noch blasser als sonst aus. Mir schwant übles und ich soll mich nicht täuschen. „Lydia," bringt mein ehemaliger Feind mit zitternder Stimme hervor. „Sie ist gesprungen." Alle anwesenden schauen sich bestürzt an. Lydia scheint ihnen allen bekannt zu sein. Ich frage mich, wie sie das geschafft hat. Aus einem plötzlichen Impuls heraus gehe ich zu meinem alten Feind und umarme ihn. Dabei werde ich von sämtlichen Anwesenden komisch angeschaut. Mir gehen Lydias Worte wieder durch den Kopf: „Egal was passiert, es war nicht deine Schuld." Murmle ich. Viggo hebt den Kopf. „Was?" Fragt er und klingt dabei gar nicht wie der Viggo, den ich bei den Verhandlungen um Berk kennengelernt habe. „Das hat Lydia zu mir gesagt, als Ohnezahn und ich hierher geflogen sind um die Wikinger zu warnen." Erkläre ich. „Sie muss es schon vorher geplant haben." Murmelt Astrid, die ein paar Schritte hinter mir steht. „Der Tiefseespalter ist der natürliche Feind des Granatenfeuers, um ihn zu wecken muss man das Wasser aufwühlen." Murmelt einer der Anwesenden. Geschockt starre ich Viggo an. „Sie hat das Wasser mit ihrem Körper aufgewühlt." Ich wünsche mir so sehr, dass ich falsch liege und er mir nun widerspricht. Doch das tut er nicht. Er nickt nur traurig. „Lyra ist ihr nicht gefolgt und ich konnte nichts Anderes tun als zuzusehen." In seiner Stimme schwingt eine Trauer mit, die ich niemals von ihm erwartet hätte. Ich habe irgendwann einmal erklärt, dass ich ihn nicht hasse. Das tue ich auch nicht. Aber bisher mochte ich ihn trotzdem nicht. Dieser Tag und dieser Anblick stellt das ganze Bild auf den Kopf, dass ich mir von ihm gemacht habe. Zum Glück wird meine Aufmerksamkeit abgelenkt, als die Reiterin des Wechselflüglers erst mehrmals hustet und dann die hellbraunen Augen aufschlägt. Ich glaube förmlich zu hören, wie der Ganze Platz aufatmet. Selbst ich und die anderen Drachenreiter von hier sind erleichtert, nicht noch ein Opfer beklagen zu müssen. Es sind jetzt schon so viele. Das wird mir wieder einmal schmerzlich bewusst. Jedes Opfer von dieser Schlacht war ein Opfer zu viel. Ich blicke in den Rauch, der immer noch von dem aufsteigt, was gestern noch funktionsfähige Hütten waren. Mir wird bewusst, dass wir alles neu gestalten müssen. Wir werden wohl noch heute mit dem Wiederaufbau beginnen...

Fünf Jahre - Was davon bleibtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt