29 - Gedanken und Entscheidungen

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In der warmen Wanne konnte ich meine Gedanken etwas ordnen. Wenn es denn überhaupt möglich war. Der Abend, oder besser die Nacht mit Ben, war unbeschreiblich schön. Er war so lieb, verständnisvoll und wir haben uns blind verstanden. Wenn ich nur an die Berührungen meiner nackten Haut von ihm denke, wird mir ganz schwindelig.

Dann fiel mir wieder das Telefonat mit Nathan ein. Er war so abgeklärt, so kalt und hat mich behandelt, als wäre mir nicht bewusst, dass er viel arbeitet. Die Art und Weise wie er mit mir sprach, missfiel mir sehr wohl. Als würde ich nicht auch arbeiten gehen und als wüsste ich nicht, was es bedeutet selbständig zu sein. Ich spürte Wut in mir hoch fahren.

Ich beschloss doch heute meinen Schal zu holen.

Nachdem ich aus der Wanne gestiegen bin, zog ich mir bequeme Jeans und ein T-Shirt über. Meine Haare band ich zu einem einfachen Zopf und trug nur ein bisschen Make-Up auf. Schnell schrieb ich Julie eine SMS, dass ich auf dem Weg sei. Ich holte mir einen Bagel als Abendessen, setzte mich noch mal auf die Promenade und beobachtete die Passanten. Mir war bewusst, dass ich mich in tiefe Gewässer bewegte, wenn ich Ben heute schon wieder traf. Bei einer Chance von fünfzig fünfzig war es das wert. Nathan hat mich so sauer gemacht, dass es sich etwas anfühlte, als würde ich es ihm heimzahlen. Was natürlich totaler Blödsinn ist.

Ich überlegte wie unsere Beziehung an diesen Punkt kommen konnte. War es meine Schuld? Nein. Da war ich mir sicher. Ich war jung und wollte noch etwas erleben. Nathan ist zwar nur vier Jahre älter als ich, aber er benimmt sich wie ein Mann Mitte fünfzig. Anscheinend leben wir unterschiedliche Leben. Als Paar sollte man an einem Strang ziehen. Das taten wir auch. Aber schon eine Weile nicht mehr. Ich beschloss mich erst einmal in den nächsten Tagen nicht bei ihm zu melden.

Wie mache ich mit Ben weiter? Heute ist Donnerstag. Seine Familie kommt erst am Sonntag zurück. Wenn wir wöllten, könnten wir uns jeden Tag sehen. Wollen wir das? Will ICH das? Nach letzter Nacht denke ich schon. Aber auch wenn es nicht klappt, sollte ich nicht enttäuscht sein.

Mein Bagel war alle und ich warf das Papier in den nächsten Papierkorb. Ich schlenderte Richtung Club.

„Hey.", hörte ich eine mir vertraute Stimme und spürte gleich eine Hand auf meinem unteren Rücken. Ich zuckte zusammen und wurde leicht rot, als er mich umdrehte und mich fest umarmte. Es war Ben und ich war überrascht ihn hier zu treffen.

„Hi.", brachte ich leise heraus und schaute mich überall um, ob ich jemanden erkannte. Es war hell am Tag und wir haben uns bisher nicht bei Tageslicht zusammen sehen lassen.

„Wo gehst du denn hin?", fragte er mich und ich glaube er merkte mein Unbehagen, denn schnell zog er seine Hände von mir weg und steckte sie in die Hosentaschen.

„Ich will in den Club. Ich habe gestern meinen Schal dort vergessen und Julie hat mir Bescheid gegeben. Gehst du auch hin?"

„Nein, heute nicht. Ich will zu Hause ein bisschen Ordnung machen und werde mir einen Film angucken."

Er lud mich nicht ein. Innerlich habe ich es mir gewünscht, aber ich habe mir ja schließlich vorher geschworen nicht enttäuscht zu sein, wenn wir uns nicht bis Sonntag täglich sehen.

„Dann wünsche ich dir viel Spaß dabei.", antwortete ich auf seine Pläne.

Ich lächelte und umarmte ihn schnell.

„Mach's gut und bis bald.", ich ließ ihn einfach stehen.

Ich war anscheinend doch enttäuscht, dass er mich nicht fragte. Im Loslaufen hörte ich noch ein verwundertes „Bis bald?" von Ben, aber ich lief weiter.

Es waren nur noch wenige Meter zum Club und ich lief sehr langsam. Vielleicht war ich etwas zu hart mit meiner Antwort und im Gehen. Aber Ben hat meine Nummer und kann sich melden, dachte ich bei mir.

Im Club angekommen, ging ich direkt zur Bar. Es dämmerte mittlerweile draußen und im Hof wurden Kerzen aufgestellt. Um in den Hof zu gelangen, musste man erst durch den Raum mit der Bar und einigen Tischen. Das war strategisch gut gelegt, denn man holte sich erst was zu trinken um dann draußen zu sitzen. Von dem Raum mit der Bar ging der Raum ab, in dem die Veranstaltungen statt fanden, und auch Bens Büro.

Ich ging direkt zu Julie an der Bar, setzte mich auf einen Barhocker und begrüßte sie:

„Hi Julie. Ich nehme eine Bloody Mary bitte."

„Hi Clara. Wie geht es dir? Gibt's was wegzutrinken?"

Ich erzählte ihr von dem Telefonat mit Nathan heute Mittag. Sie hat ungefähr die gleichen Wörter verwendet, wie auch ich in meinen Gedanken.

„Und was willst du jetzt machen, Clara?"

Ihre Frage klang genervt und abweisend. Das fiel mir aber erst hinterher auf. Ich war froh meine Gedanken bei meiner Freundin loszuwerden. Doch dann sagte sie etwas, was mich mehr als stutzig machte.

„Ich habe nämlich keine Lust mir deine Beziehungsprobleme ständig anzuhören."

Ab dem Moment war mir klar, dass Julie keine wirkliche Freundin mehr war. Aber was war passiert? Warum war sie plötzlich so abwesend zu mir?

„Sorry, Freundin.", sagte ich genervt, stand mit meinem Getränk auf und ging in den Hof.

Ich war enttäuscht und fragte mich, wo das Problem ist? Hatte Julies Abweisung eventuell etwas mit Ben zu tun? Hat uns jemand gesehen?

Plötzlich setzte sich Rita neben mich. Wir haben bisher nur Geplänkel besprochen.

„Was ist los? Ich habe euer Gespräch an der Bar mitbekommen? Ihr seid doch gute Freundinnen?", sagte sie zu mir und sah mich dabei an.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mit ihr los ist.", antwortete ich ehrlich.

„Ach man weiß welche Laus ihr heute über die Leber gelaufen ist."

Wir saßen noch eine Weile zusammen und sprachen über dies und das. Drei Bloody Marys später bezahlte ich bei Julie, sagte nur ein kurzes „Tschüss" und weg war ich.

Ich lief zur Promenade und schlenderte so vor mich hin. Auf einer Bank sah ich ein verliebtes Pärchen sitzen. Woher weiß man immer, dass solche Paare, die sich auf einer Bank küssen, auch tatsächlich verliebt sind?

Ich ließ den Abend in meinen Gedanken Revue passieren und war über Julies Verhalten am meisten enttäuscht. Dann kam mir Ben in den Sinn, und ich lief schneller. Ich war fest entschlossen. Am Ende der Promenade stieg ich in ein Taxi und sagte die Adresse. Angekommen, klingelte ich zwei Mal, bevor Ben öffnete. Ich fragte nur, ob er allein wäre.

„Ja, bin ich.", sagte er erstaunt.


Auf der anderen Seite des GlücksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt