Neubeginn

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Emma

"Ich kann mich noch erinnern als ich mit meinen knappen viereinhalb Jahren das erste Mal von Zuhause ausgebüxt bin. Nicht unbedingt, weil mich meine Eltern genervt haben, schließlich waren sie meistens nicht da, sondern vergnügten sich auf unterschiedlichen Investment-Partys. Viel mehr wollte ich schon in meinen frühen Jahren spüren, wie es ist, frei zu sein. Frei von Pflichten. Frei von Ketten. Frei von, na ja, eben Vorschulaufgaben wie mit Daphne Thomsen französische Dialoge einzustudieren, um sie später vor ihren Eltern zu präsentieren. Uns Kindern hat man das früher als eine vielleicht nicht unbedingt spaßige, aber unheimlich wichtige Lektion für das spätere Geschäftsleben, versucht zu verkaufen.
Aber welches Kind will mit vier denn bitte lieber über die Großkonzerne in Frankreich dozieren, als sich im Sandkasten mit Sand zu bewerfen?

Irgendwie war es mir damals gelungen Daphnes Hausmädchen zu verarschen, indem ich sie mit meinen riesigen blauen Augen förmlich angebettelt habe, mich allein auf Toilette gehen zu lassen. Daphne bräuchte viel mehr ihre Hilfe bei dem Referat als ich. Schließlich kannte ich mich in diesen Haus schon perfekt aus.

Später wurde mir klar, dass das wohl das erste Mal gewesen sein muss, in dem sich meine Telepathiekräfte meldeten. Meine Gabe, Wesen meine Befehle in den Kopf zu leiten und diese auch ausgeführt werden.

Mit ein bisschen Glück bin ich damals aus dem halbgeöffneten Badefenster im Erdgeschoss geklettert und bin voller Eifer über den grünen, höchst gepflegten Garten gerannt, der alleine beim ersten Anblick schon deutlich machte, warum es hier keinen Sandkasten oder irgendeine andere Kinderbeschäftigung gab.

Mein einziger Fehler war damals meine Freude gewesen. Laut jubelnd, die Arme in die Luft gerissen und die Augen weit aufgerissen, um auch ja nichts zu verpassen, stürmte ich das Grün entlang, raus auf die Straße und fegte die Villen-Mile entlang, als sei ich aus einem Sicherheitsbunker entflohen.

Es dauerte keine fünf Minuten, ehe mich Mr. Buttler, der Nachbar von Daphne und ihrer Spießerfamilie an dem Auto-Eisstand aufgabelte und mich anschließend zurückbrachte.

Damals war die Strafe fünf Wochen Hausarrest gewesen, Fernsehverbot und den Vortrag dürfte ich auch noch nachholen und selbstverständlich alleine halten.

Aber nie werde ich das Gefühl vergessen, welches ich hatte, als ich durch den nobeln Garten von Daphnes Eltern tobte. Das Gefühl von Freiheit. Niemand, der mir irgendwas vorgeschrieben hat. Niemand, der mich aufhalten konnte.

Genau dieses Gefühl hatte ich noch bis vor wenigen Minuten gehabt. Als ich aus Charles Xaviers Anwesen gestürzt bin und mich seit langen wieder frei fühlte. Keine nervige Kitty Pride mehr, die mich seit meinem ersten Tag an Xaviers Schule als Schurkin ansah. Kein nerviger verklemmter Colossus mehr, der mir jeden Abend eine Moralpredigt darüber hielt, wie wichtig es sei, als emanzipierte junge Frau, so wie ich es sei, seinen eigenen Weg zu gehen, anstatt Jahre lang im Hellfire Club zu arbeiten. Sowas hätte ich gar nicht nötig gehabt, hat er gesagt und dabei langsam mit seinen stählernen Gesicht genickt, fast so als würde er eine Liste mit Stichpunkten abarbeiten, welche Fehler ich bereits alle in meinen 28 Lebensjahren gemacht habe.

Vielleicht würde ich Beast, Logan und Charles vermissen, aber der Rest konnte mir gestohlen bleiben! Oh ja.

Der Rest. Der jämmerliche Rest, dessen Spitze Scott Summers Gesicht trug.

Und spätestens an diesem Punkt war dann das Gefühl von Freiheit und der ganze Mist weg. Heiße brennende Tränen breiteten sich in meinen Augen aus, ließen mich mitten auf dem Hof von Charles Anwesen anhalten und mich zu Knien senken.

Dieser scheiß Mistkerl.

Er und diese verdammte Jean Grey mit ihren grünen Kulleraugen.

Die Bilder, die ich noch vor wenigen Sekunden in Scotts Kopf gesehen habe, tauchen wieder vor meinem inneren Auge auf.

The White Queen And Her Soldier - Emma Frost & Steve Rogers FF -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt