Diesmal wurden sehr viele Änderungen vorgenommen und ich habe in diesem Kapitel praktisch ALLES umgeschrieben was ursprünglich passiert war. (:
Wir befanden uns vor einem alten Fabrikgebäude bei dem wir uns ziemlich sicher waren, dass hier der Junge festgehalten wurde. Unsere Recherche war leider nur sehr unzureichend gewesen, Aufträge bei denen die nötige Vorbereitungszeit fehlte um sich ein Bild von der Situation zu machen und sich genauer zu überlegen wie man die Sache angehen wollte, waren ziemlich lästig.
»Wir gehen durch den zweiten Eingang dort rein, sie werden ihn in einen der hinteren Hallen gefangen halten«, meinte ich und Will nickte. Es klang zwar absurd durch einen der vorderen und offensichtlichen Eingänge zu gehen, aber bei einem Fabrikgebäude dieser Größe wurden die meistens ohnehin nicht wirklich bewacht und es würde viel zu lange dauern jetzt jeden einzelnen möglichen Eingang abzusuchen und diese Zeit hatten wir leider nicht.
»Ich gebe dir Rückendeckung«, meinte Will und entsicherte die Waffe, die er in der Hand hielt. Eigentlich war er ein Scharfschütze – und zwar ein sehr guter – aber da wir uns auf einem dafür eher ungeeigneten Gelände befanden, war ein Gewehr nicht wirklich die erste Wahl und er konnte auch mit einer Pistole gut genug umgehen.
Ich zog ebenfalls meine Pistole, die perfekt in meiner Hand lag, als wäre sie nur für mich geschaffen worden. Schon seit vielen Jahren benutzte ich sie und konnte mit ihr so gut umgehen, dass ich nur ungern andere benutzte.
Vorsichtig betraten wir das Fabrikgebäude, es war fast schon erschreckend einfach hinein zu gelangen und ich hielt kurz inne.
»Irgendetwas stimmt nicht«, sagte ich leise und Will hielt ebenfalls inne. Anfangs hatte er meine Intuition noch als Übertrieben empfunden und war der Meinung dass ich einfach zu paranoid war, aber mittlerweile hatte er verstanden, dass mein inneres Bauchgefühl oft genug richtig lag. Ich wurde schließlich dazu ausgebildet auf solche Dinge zu achten – das Bauchgefühl war oft eine unbewusste Wahrnehmung, die man als ungewöhnlich registrierte, ohne bewusst zu wissen was es war was einen störte.
»Ich hasse es wenn du das sagst«, stöhnte Will auf und schaute sich angespannt um, während ich begann an der Wand entlang zu laufen, wobei ich mich immer möglichst hinter den Holzkisten hielt, die ab und an herumstanden. Wir bewegten uns leise, um möglichst kein Geräusch zu verursachen und gaben uns ab und zu Handzeichen um uns zu signalisieren, dass wir nichts ungewöhnliches feststellten und immer noch alles in Ordnung war.
Nachdem wir die Hälfte der Halle durchquert hatten, bemerkte ich die Leichen, welche am Eingang zur nächsten Halle lagen. Wir warfen uns einen kurzen Blick zu, in Gedanken betend, dass der Junge noch am Leben war, dann bewegten wir uns etwas schneller vorwärts. Es waren zwei junge Männer, vermutlich gerade einmal Anfang 20, in weiten Kapuzenpullovern und schlapprigen Jeans. Wir sahen uns kurz um, dann kniete ich mich hin, wobei ich darauf achtete mich nicht in die Blutlache zu knien, und fasste mit zwei Fingern an den Hals der Person – der Körper war noch ziemlich warm, vermutlich war er noch nicht sehr lange tot.
Ich ging wieder voraus, weiter an der Wand haltend, aber schneller da uns die Zeit davon lief und langsam waren auch gedämpfte Stimmen zu hören, die deutlicher wurden je tiefer wir vordrangen.
»... wird Probleme geben«, hörte man eine männliche Stimme, welche so kalt Klang, als würde sie durch die Luft schneiden.
»Aber er ist ein Zeuge, wir können ihn doch nicht einfach am Leben lassen. Er...«
»Bist du dumm? Wenn wir ihn töten, haben wir den Politiker erst recht gegen uns. Auch wenn er uns im Moment wahrscheinlich so oder so nicht wirklich gefährlich werden würde, würde sich das spätestens dann ändern, wenn er den Tod des Jungen mit uns in Verbindung bringt. Lassen wir ihn am Leben und stellen dass alles gut genug dar, haben wir ihn weiterhin unter Kontrolle und er wird es niemals wagen sich mit uns anzulegen, dafür fehlt ihm einfach der nötige Biss. Mit viel geschick sorgen wir dafür, dass er sogar seinen Posten bekommt, dann haben wir auch nichts weiter zu befürchten«, unterbrach ihn die andere Stimme schneidend und ich schluckte. Ich warf einen Blick zu Will, der genau wie ich gerade begriffen hatte, dass die Männer welche für die Leichen verantwortlich waren zur Führungsebene im Drogengeschäft gehörten was uns enorme Probleme bereiten würde.
Es gab nicht viele Möglichkeiten die uns nun offen standen – entweder, wir brachen den Auftrag an dieser Stelle ab, was zwar hieß dass wir kein Geld bekommen würden, aber immerhin unser Leben retteten oder wir stürmten rein, erschossen alle (oder wurden im schlimmsten Fall selbst getötet) und hatten dann einen der größten Drogenbosse am Hals.
Auftragskiller wie wir wussten wann es Zeit wurde sich zurückzuziehen, weil es sinnlos war gegen einen Gegner anzugehen, bei dem man absolut keine Chance hatte. Es würde uns keine Vorteile bringen den Auftrag unbedingt zu beenden, es stand immerhin unsere Existenz in Gefahr, da man immer unbemerkt bleiben musste und unter keinen Umständen Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte. Außerdem ging aus dem Gespräch ziemlich deutlich hervor, dass der Junge nicht sterben würde - was zumindest auch mein Gewissen ein wenig beruhigte. Ich gab Will ein entsprechendes Zeichen und er nickte zustimmend, da er vermutlich genau dasselbe gedacht hatte, dann traten wir leise den Rückzug an.
Erst als wir weit entfernt von dem Gelände waren – und zum Glück niemanden begegneten – atmeten wir auf. Wir beide wussten dass wir verdammt viel Glück gehabt hatten, wenn wir es unbemerkt wieder rausgeschafft hatten, uns war nicht einmal ein Wachposten begegnet.
»Dein Gespür für solche Dinge ist wirklich bemerkenswert«, meinte Will und musterte mich eingehend. Er kannte mich schon seit Jahren, aber trotzdem schien ihm die Tatsache, dass mein sechster Sinn so gut funktionierte, doch jedes Mal zu beeindrucken. Ich zuckte nur mit der Schulter, dann traten wir den Heimweg an.
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Nameless (Boyslove)
Teen FictionWill und Seth leben in einer Stadt, die unterschiedlicher nicht sein könnte: Es gibt die prachtvollen, schönen Stadtteile, und die verwahrlosten Viertel, wo der Abschaum der Gesellschaft lebt der vermutlich nie eine echte Chance auf ein besseres Leb...