»Es scheint, dass Will wohl noch eine ganze Weile ausfallen wird«, meinte Tom, als ich in seiner Luxuswohnung saß, da er mich herbestellt hatte. Es war selten, dass Tom von sich aus jemandem zu sich rief – normalerweise waren wir selber dafür verantwortlich unsere Aufträge abzuholen und auszuführen, doch sehr selten kam es auch einmal vor, dass jemand bestimmtes angefordert wurde. Eine blonde Schönheit mit einem Tablett betrat den Raum, reichte ihm einen Schnaps und er winkte sie wieder davon. Die ganze Zeit hatte mein Blick auf ihm gelegen, was ihm nicht entgangen war.
»Seth, willst du wirklich keines meiner Mädchen? Ich würde dir gerne eines anbieten, ohne Gegenleistung.«
»Nein danke, kein Interesse.« Er lächelte mich mit einem wissenden Blick an, ehe er zum eigentlichen Thema zurück kehrte.
»Es gibt da jemand, der dich treffen möchte. Persönlich. Hier ist die Adresse...« Er schob mir einen kleinen Zettel zu, den ich stirnrunzelnd betrachtete.
»Wer will mich treffen?«, fragte ich misstrauisch und Tom lächelte.
»Das kann ich dir leider nicht sagen, ich weiß es selbst nicht, aber mir wurde versichert dass du dich nicht in Gefahr befindest.« Mir war klar das Tom ganz genau wusste von dem die Bitte gekommen war, er es mir nur nicht sagen würde damit ich mich nicht darauf vorbereiten konnte. Er liebte solche Spielchen.
»Gut, dann kannst du ihn ja kontaktieren und sagen, dass ich in zwanzig Minuten bei der Adresse bin«, gab ich genervt zurück und stand auf, nickte Tom nur zu, ehe ich seine Wohnung verließ und mich auf den Weg zu der Adresse machte, die auf dem Zettel stand.
Will war noch immer angeschlagen, aber er hatte immerhin überlebt. Nora meinte er hatte verdammt viel Glück gehabt, der Blutverlust war so hoch gewesen, dass es ein Wunder war dass er es überhaupt lebend zu ihr geschafft hatte. Er war eine ganze Weile dort geblieben, doch mittlerweile war er wieder zu Hause - allerdings konnte er sich kaum bewegen und musste Medikamente nehmen, was ihn extrem nervte und er ließ mich seine schlechte Laune auch deutlich spüren. Nichts hasste er mehr, als auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Nun war er die nächsten Monate nicht mehr in der Lage etwas zu tun, also musste ich die Aufträge alleine ausführen und an Geld kommen.
Natürlich war es nicht ganz ungefährlich alleine zu diesem Treffpunkt zugehen, aber ich hatte noch kein mulmiges Gefühl und irgendwie war ich auch neugierig, wer so dringend mit mir alleine sprechen wollte.
Es war ein recht normal aussehendes Haus, nicht zu groß, nicht zu klein, etwas älter. Ich klingelte und sofort ertönte ein leises Surren und ich trat ein.
»Ich habe dich bereits erwartet.« Die Stimme klang kalt und schneidend und sofort stellten sich mir die Nackenhaare auf. Ich kannte sie irgendwoher, allerdings konnte ich sie gerade nicht wirklich zuordnen.
»Wer sind Sie?« Ich trat in den großen Raum, der offensichtlicherweise das Wohnzimmer war. In einem Sessel saß ein Mann, gut einen Kopf kleiner als ich, in einem dunkelblauen Anzug und perfekt gegelten Haaren, die ihn irgendwie schmierig aussehen ließen.
»Es hat eine ganze Weile gedauert dich zu finden Seth. Ich wusste dass du und dein Partner an diesem Tag in der Halle wart. Tom hat mir erzählt, dass er euch auf den Fall angesetzt hatte... und ihr ward klug genug euch nicht weiter einzumischen.« Nun erkannte ich auch die Stimme wieder – sie gehörte zu einem der Männer, welcher damals in der Lagerhalle gewesen war.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte ich und musterte ihn argwöhnisch. Was hatte er vor? Was sollte ich tun? Die Mafia hatte meist ihre eigenen Auftragskiller und hatten es nicht nötig welche anzuheuern, es sei denn sie wollten etwas verbergen.
»Ich habe versucht Nachforschungen über dich anzustellen, aber erfolglos. Du interessierst mich einfach. Du scheinst eine gute Ausbildung genossen zu haben und deine Instinkte scheinen... sehr besonders zu sein. Allerdings habe ich dich natürlich nicht einfach so gebeten herzukommen. Ich biete dir einen Aufrag an mit einer guten Bezahlung. Dein Partner wurde doch schwer verletzt oder? Und du brauchst Geld um die ganzen Behandlungskosten abzudecken.« Ich biss die Zähne zusammen. Er hatte recht, mit allem was er gesagt hatte.
»Zuerst will ich alle Details wissen, dann werde ich entscheiden ob ich diesen Auftrag annehme.« Der Mann, der sich noch immer nicht vorgestellt hatte und das vermutlich auch nicht tun würde, da er vermutlich davon ausging dass man ihn kennen musste, lächelte, dann schob er mir ein Foto zu.
»Du sollst ihn töten... ohne Spuren zu hinterlassen und so dass man glauben würde, es wäre ein natürlicher Tod gewesen und kein Mord.«
»Dafür bin ich die denkbar schlechteste Wahl«, antwortete ich und er zuckte mit der Schulter.
»Ich denke trotzdem dass du das schaffst. Die Anzahlung beträgt eine Million. Die zweite folgt, wenn du es geschafft hast.«
»Ich tue es«, sagte ich und er lächelte, als hätte er diese Antwort erwartet, dann reichte er mir einen Umschlag.
»Hier stehen alle nötigen Informationen drin. Ich erwarte gute Nachrichten.« Ich verabschiedete mich und ging nach draußen. Das war eine der seltsamsten Situationen gewesen, in denen ich je gewesen war, aber ich brauchte das Geld tatsächlich... auch wenn eine Million keine kleine Summe war.
»Bitte, lass es mich nicht bereuen«, murmelte ich mehr zu mir selbst und seufzte.

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Nameless (Boyslove)
Fiksi RemajaWill und Seth leben in einer Stadt, die unterschiedlicher nicht sein könnte: Es gibt die prachtvollen, schönen Stadtteile, und die verwahrlosten Viertel, wo der Abschaum der Gesellschaft lebt der vermutlich nie eine echte Chance auf ein besseres Leb...