Ich wachte auf. Es war mitten in der Nacht und das Zimmer wurde nur von dem schwachen Mondlicht erhellt, was durch das Fenster herein fiel. Am Tisch war es unbequem, ich richtete mich auf und streckte meine steifen Glieder. Will war nirgendwo zu sehen und ich vermutete, dass er zum Auftrag unterwegs war. Ich hatte eigentlich vorgehabt ihn aufzuhalten, aber irgendwann musste ich eingeschlafen sein...innerlich verfluchte ich mich für meine Dummheit, aber ich blieb ruhig. Wenn ich jetzt hektisch wurde, dann würde mich das mehr Zeit kosten und so nur behindern.
Ich griff nach meinem Handy und rief Sebastian an, wobei es mir ziemlich egal war, dass ich ihn vermutlich wecken würde. Er ging nach dem dritten Klingeln ran.
»Ja?« Seine Stimme klang müde und ich war mir sicher, dass er erst einmal einen Moment brauchte um wach zu werden.»Hier ist Seth.« Sebastian seufzte.
»Will hat mich schon vorgewarnt dass du anrufen würdest. Er hat gesagt, ich soll dir unter gar keinen Umständen sagen wo er ist, oder er bringt mich das nächste Mal um wenn er mich sieht.«
»Du weißt genau, dass er dich nicht umbringen wird, immerhin mag er dich und sinnloses töten steht ihm nicht. Bitte Sebastian, ich will nur nicht, dass ihm etwas passiert. Ich habe ein ungutes Gefühl dabei.« Meine Stimme klang unnachgiebig, als würde ich ein Nein nicht als Antwort akzeptieren.
»Ich könnte dein Handy hacken und lahmlegen, dann könntest du mich nicht mehr anrufen. Ich will mein Versprechen an Will nicht brechen...« Erhielt kurz inne, dann hörte ich ihn auf der Tastatur tippen.
»Das würdest du nicht tun. Ich weiß, dass du dein Versprechen nicht brechen willst, aber es geht hier immerhin um Wills Sicherheit. Du würdest das Selbe tun, wenn wir die Rollen getauscht hätten. Nicht das Will sich Sorgen machen würde, aber du weißt was ich meine. Wo ist er?«
»Er wird mich definitiv umbringen... Ich schicke dir die Adresse, wo er sich jetzt befindet. Aber bitte, tue mir den Gefallen und begib dich damit nicht in Gefahr.« Damit legte er auf und einige Sekunden später, die sich für mich wie eine Ewigkeit anfühlen, bekam ich eine Nachricht. Ich merkte mir die Adresse, löschte sie und schnappte mir dann eine Pistole, ehe ich nach draußen ging und durch die Straßen hastete. Ich hoffte, dass ich nicht zu spät kommen würde, aber ich verdrängte den Gedanken daran und machte mich einfach auf den Weg.
Ich fand Will blutend in einer Seitengasse und wäre beinahe in ihn hinein gerannt, als ich gerade um die Ecke bog.
»Will!«, sagte ich und ging sofort zu ihm. Zuerst schien er mich wegstoßen zu wollen, doch dann ließ er die Hand wieder sinken und ließ zu, dass ich meinen Arm um seine Schulter legte und ihn stützte.
»Die Wunde ist tief, wir müssen sofort zu Nora. Wer hat auf dich geschossen?«, fragte ich.
»Ich weiß es nicht«, stieß Will zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, doch ich glaubte ihm kein Wort. Er wusste sehr wohl wer auf ihn geschossen hatte, er wollte es mir nur nicht erzählen. Frustriert presste ich die Lippen aufeinander und schleifte Will mehr oder weniger durch die Straßen, hoffte dass wir es rechtzeitig schaffen würden. Er hatte viel Blut verloren...
Kurz bevor wir bei Nora angekommen waren, begann Will leise etwas zu murmeln.
»Ich hoffe du weißt, dass ich das vorhin nur gesagt habe, weil ich nicht wollte dass du dich unnötig in Gefahr begibst und nicht, weil ich es wirklich denke«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstand, dann klappte er zusammen.
»Scheiße«, fluchte ich, versuchte ihn hochzuheben, was eine Herausforderung war, da er verdammt schwer war, dann ging ich so schnell wie es mir möglich war an den Wachen vorbei und in das Gebäude.
»Nora, ich brauch deine Hilfe!«, sagte ich. Sofort kam sie aus einer Ecke des Zimmers geschossen.
»Er muss sofort operiert werden. Schaff ihn in den Vorbereitungsraum.« Ich nickte, dann ging ich auf die Tür zu, welche sich am anderen Ende des Raumes befand und legte Will auf eine nicht gerade bequem aussehende Unterlage. Nora kam sofort herein und scheuchte mich nach draußen.
»Wir werden tun was wir können... Geh am besten nach Hause.« Ihre Stimme klang bestimmt und ich ließ mich von ihr aus dem Raum schieben, ging an den ganzen Liegen vorbei und machte mich auf den Weg nach Hause. Einen Moment lang hatte ich darüber nachgedacht einfach vor der Tür zu warten bis alles vorbei war, aber ich wusste dass es sinnlos war, davon ging es auch nicht schneller.
Auch wenn Will nicht gesagt hatte wer es gewesen war, konnte ich mir denken dass es mit seiner Vergangenheit zu tun hatte. Bei Leuten wie uns war es unausweichlich dass wir früher oder später von etwas eingeholt wurden, was wir lange vergessen wollten. Niemand konnte vor seinen Dämonen davon laufen, ganz egal was für eine Ausbildung er genossen hatte oder welche Dinge er erlebt hatte, die einen kalt werden ließen... eine Schwachstelle hatte jeder.
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Nameless (Boyslove)
Fiksi RemajaWill und Seth leben in einer Stadt, die unterschiedlicher nicht sein könnte: Es gibt die prachtvollen, schönen Stadtteile, und die verwahrlosten Viertel, wo der Abschaum der Gesellschaft lebt der vermutlich nie eine echte Chance auf ein besseres Leb...