18.Kapitel

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Ich hatte es tatsächlich geschafft, mal wieder, auf der Krankenstation zu enden, was Nora alles andere als begeistert hatte. Auch Will, der sich mittlerweile wieder einigermaßen erholt hatte, war sichtlich genervt davon, dass ich nun derjenige war der zumindest ein paar Wochen Ruhe brauchte. Zum Glück war es keine sonderlich schlimme Wunde gewesen und ich würde schnell wieder auf den Beinen sein. Immerhin hatte ich meinen Auftrag ausgeführt und schon einen Tag später reichte man mir einen Umschlag mit einer weiteren Million – es war erschreckend, wie schnell ein großer Teil des Geldes wieder aufgebraucht war.

Als ich wieder einigermaßen fit war, besorgte ich uns einen neuen Auftrag. Es war bereits mitten in der Nacht, aber ich war noch immer dabei alle Details durchzugehen, auch wenn es mir zunehmend schwer fiel meine Augen offen zu halten. Will war außer Haus – vermutlich mal wieder in einem Bordell – und würde sicherlich noch eine Weile brauchen. Gerade als ich aufstand um ins Bett zu gehen, hörte ich den Schlüssel im Schloss und Will betrat die Wohnung. Seine Lippe war aufgeplatzt, sein Auge leicht angeschwollen und ein Schnitt zog sich seine Wange entlang.

»Was ist passiert?«, fragte ich und er murrte nur irgendetwas von„Möchtegern Schlägern" ehe er sich auf einen Stuhl fallen ließ und ich schnell den Erste Hilfe Kasten aus dem Badezimmer holte.

»Wer bist du? Meine Mutter?«, murrte er nur genervt, als ich den Schnitt mit Desinfektionsmittel bearbeitete.

»Stillhalten«, sagte ich und er drehte seinen Kopf so, dass ich besser an die Wunde heran kam. Es war kein tiefer Schnitt, nicht einmal wirklich der Rede wert, also klebte ich nur ein Pflaster darauf und verschwand dann in meinem Zimmer.

Egal was auch immer er sagte: Ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht einfach nur irgendwelche Schläger gewesen waren, sondern die Leute, die es aus irgendeinem Grund auf ihn abgesehen hatten. Aber warum? Vermutlich lag der Ursprung in seiner Vergangenheit, etwas was er niemandem erzählen würde.

~~~

»Raus aus dem Bett.« Ich rüttelte Will an der Schulter wach. Er murmelte nur etwas unverständliches, ehe er sich auf die andere Seite drehte und versuchte weiter zu schlafen. Als er auch nach mehrmaligen Aufforderungen nicht reagierte, beugte ich mich zu ihm runter und flüstere ihm ins Ohr: »Wenn du nicht sofort aufstehst, überschütte ich dich mit eiskaltem Wasser... und diesmal lasse ich dich nicht in meinem Bett schlafen, während die Matratze trocknet.« Sofort war Will hellwach und fuhr nach oben, sodass er beinahe gegen mich gestoßen wäre, wenn ich mich nicht rechtzeitig aufgerichtet hätte.

»Das wagst du nicht!«

»Du weißt, dass ich es tue.« Das letzte Mal, als wir zu einem Auftrag mussten und er ewig nicht aufstehen wollte, hatte ich ihm tatsächlich einen Eimer mit kalten Wasser übergeschüttet. Die Folge davon war, dass die Matratze tagelang trocknen musste und ich mir mein Bett mit Will teilen musste, da er darauf bestand in einem Bett zu schlafen und nicht auf dem harten Fußboden.

»Ich stehe ja schon auf«, grummelte er und meine Mundwinkel zuckten, ehe ich mich ans Frühstück machte. Will verschwand kurz im Bad und kam dann mit einem T-Shirt und einer schlapprigen Jeans heraus, seine blonden Haare sahen noch unordentlicher aus als zuvor.

»Seth kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte Will, der nun neben mir stand und sich eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank nahm.

»Hmh?« Er beugte sich zu mir rüber und griff nach einem Glas was dort stand, wobei er mich beinahe berührte und ich hielt unwillkürlich den Atem an.

»Verletz dich bitte nicht wieder, ich will nicht, dass du ständig zusammengenäht wirst.« Will sagte es so leise, dass ich für einen kurzen Moment glaubte, mein Verstand hätte mir nur einen Streich gespielt. Das ausgerechnet Will, dem es sonst ziemlich egal war wie es mir ging, so etwas sagte, machte mich stutzig. Sowieso verhielt er sich in letzter Zeit seltsam, als ob ein Schalter umgelegt worden wäre.

»Was ist in letzter Zeit mit dir los?«, fragte ich und er schaute mich an, als wüsste er nicht was ich meinte.

»Du verhältst dich seltsam... als ob irgendetwas vorgefallen wäre. Hat das mit dem Angriff auf dich zu tun?« Für einen Moment huschte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht, ehe er sich zu mir beugte und mir gefährlich nahe kam. So nah, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten... aus irgendeinem Grund musste ich schlucken, nicht dass er jetzt noch auf dumme Gedanken kam und...

Im nächsten Moment kniff er mir in beide Wangen.

»Wenn du weiterhin so die Stirn runzelst, siehst du irgendwann noch genauso alt aus, wie du eigentlich auch bist.«

»Lass das.« Ich schob seine Hände weg, schaltete den Herd aus und tat das Spiegelei auf zwei Teller, die ich dann hinstellte.

»Wirklich, du machst dir einfach zu viele Gedanken darum, dass sieht dir nicht ähnlich«, meinte Will.

Ich zog eine Augenbraue nach oben.

»Ich bin immer noch ein eigenständig denkender Mensch, auch mir fallen bestimmte Dinge auf. Ich laufe dir nicht nur blind hinterher.«

»Das wollte ich damit nicht sagen.«

Unser Gespräch war damit auch schon wieder beendet. Ich wusste, dass Will mir ohnehin nichts erzählen würde, also blieb mir nichts anderes übrig als es selbst herauszufinden.

»Also, wie sieht unser Plan aus? Du bist doch gestern bestimmt den Auftrag durchgegangen.« Ich nickte, dann seufzte ich und erklärte mit kurzen Worten, wie ich vorgehen würde.

»Ist das nicht viel zu umständlich? Wir könnten doch auch einfach dort einbrechen.« Ich hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache, unser "Opfer" war immerhin gut bewacht. Zu gut bewacht um ehrlich zu sein.

»Du bist verrückt. Können wir es nicht auf meine Weise machen?«

»Etwas Nervenkitzel muss doch auch sein.« Ich wusste jetzt schon, dass ich derjenige sein würde, der das alles am Ende wieder ausbaden dürfte. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob Will nicht vielleicht wahnsinnig war.

»Nein.«

»Ich schaff das nicht allein und brauche dich dafür. Wir sind Partner, schon vergessen?«

»Ich könnte jeder Zeit gehen«, erwiderte ich leise, aber er schien es dennoch gehört zu haben.

»Wir wissen beide, dass du es nicht tun würdest.«

Ich schüttelte nur den Kopf. Er wollte das tatsächlich auf diese Weise durchziehen? Das würde doch niemals funktionieren und das Risiko war viel zu hoch.

»Wie bitte willst du da einfach so reinkommen? Hast du dir darüber überhaupt Gedanken gemacht?«

»Wir könnten Sebastian um Hilfe bitten. Du hast einen guten Draht zu ihm und wenn du ihn fragen würdest, würde er sicher nicht nein sagen.« Er sagte das mit einem bitteren Unterton, als würde ihm etwas daran nicht gefallen.

»Abgelehnt. Ich bringe ihn nicht sinnlos in Gefahr.«

»Aber...«

»Vergiss es. Wir machen es auf meine Art, oder brechen das alles ab.«

»Wie du meinst.« Will wirkte beleidigt und verzog sich in sein Zimmer, wobei er die Tür fest genug hinter sich zuwarf, dass ich von dem Knall zusammen zuckte.

Ich konnte Will verstehen: Einzubrechen würde tatsächlich einiges einfacher machen, aber es hatte viel mehr Risiken und ich wollte Sebastians Freundlichkeit nicht noch weiter ausnutzen oder ihn unseretwegen in unnötige Gefahr bringen.

Da konnte Will noch lange sauer auf mich sein, aber bei dem Thema würde ich definitiv nicht mit mir reden lassen. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 28, 2019 ⏰

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Nameless (Boyslove)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt