Kapitel 18: Koffer packen

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Jungkook hatte mit seinem nächsten Brief gleich mein Flugticket mitgeschickt und obwohl es schwer für mich war, dieses Geschenk anzunehmen, konnte ich es auch nicht ablehnen. Ich freute mich einfach bereits jetzt schon sehr darauf, ihn in ein paar wenigen Tagen endlich Live und in Stereo zu begegnen und heute wollte ich damit anfangen, meinen ganzen nötigen Krimskrams zusammenzusuchen, bis ich mit dem Endergebnis zufrieden war. 

Mein ganzes Zimmer war vorgestellt mit sämtlichen Sachen. So hatte ich meine beiden Koffer, wenn es auch nur kleine waren, auf mein Bett gepackt. Genauso, wie einen Rucksack, der den nötigen Kleinkram beherbergen sollte. Auf dem Boden, dem Schreibtisch und der Fensterbank hatten bereits Klamotten platzgefunden, welche es eventuell in die Auswahl der mitkommenden Klamotten schaffen könnten. Doch das Problem des Aussuchen unterlag nicht mir alleine. Yoongi hatte mir bereits seit 10 Uhr in der Früh Gesellschaft geleistet und obwohl das reinste Chaos vorherrschte, so hatte der Junge mit den braunen Haaren trotzdem noch Platz auf meinem Schreibtischstuhl gefunden. 

So langsam also fing ich damit an, mir zwei drei Paar Schuhe heraus zu suchen, für den Fall, dass Seoul in meiner Anwesenheit absaufen sollte, doch meine Auswahl war bedeutend gering, denn ich hatte bereits ins Internat nicht viel mitgeschleppt. So pickte ich mir also ein Paar Ballerinas, ein Paar Sneakers und ein Paar Boots heraus und verstaute sie Tetrisgerechte in meinem Hartschalenkoffer. 

"Du gibst dir ja wirklich viel Mühe dabei. Es scheint mir, als wolltest du Jungkookie wirklich beeindrucken wollen", schmunzelte Yoongi hinter seinem Telefondisplay hervor. Seitdem er hier war tat er nichts anderes, als im Internet zu surfen und so langsam wusste ich nicht mehr, wieso er überhaupt gekommen war. Helfen tat er ja sowieso nicht. 

"Na und? Was interessiert es dich?", grummelte ich und versuchte die peinliche Röte in meinem Gesicht zu überspielen. Wirklich gelingen tat mir dies nicht, doch wenigstens schaffte ich es, dass Yoongi endlich sein doofes Smartphone aus der Hand legte. Währenddessen machte ich mich auf die Sucher nach Socken und Unterwäsche. Dabei immer Yoongis beobachtende Blicke auf mir.

"Ich mein ja nur. Immerhin kann ich sehen, wie du deine schwarze Spitzenunterwäsche ansiehst", grinste Yoongi weiterhin und ich konnte ihn über alle vier Backen lachen sehen. Manchmal war er wirklich der Teufel in Person.

"Du bist ein Spinner, Min Yoongi!", fauchte ich auf und griff nach einem beliebigen Wäscheteil um mich herum, um schnell sämtliche BH's oder Pantys vor Yoongis Blickfeld zu verstecken. Er hingegen konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, "Was machst du überhaupt hier? Du traust dich doch sonst nie aus deinem Zimmer heraus."

Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich beobachten, wie Yoongi kurzzeitig mit den Augen rollte, dann aber schweigend aufstand und durch meine kleinen Wäschehaufen wanderte, um zu seiner Tasche zu gelangen. Er wühlte eine kurze Zeit darin herum, schien etwas zu suchen, doch nach ein paar Minuten holte er eine knisternde Tüte hervor, dessen Inhalt unbekannt war. Ohne jegliche Vorwarnung warf er mir die zusammengeknüllte Tüte plus Inhalt in den Schoss. 

"Was ist das?", raunte ich leise vor mich hin und nahm die Plasteverpackung in die Hand, schaute aber erst einmal nicht hinein. Vielmehr warf ich Yoongi einen fragenden Blick zu, welcher sich nun auf mein frisch gemachtes Bett schmiss. 

"Schau' doch rein. Dann wirst du's auch wissen." 

War ja klar, dass von Yoongi keine klare Antwort zu erwarten war, dennoch öffnete ich die milchige Plastetüte und holte den weißen Stoff, welcher sich darin befand, ans Tageslicht. Das Kleidungsstück, schien ein wenig zerknittert zu sein - immerhin hausierte es auch in einem zusammengeknüllten Plastebeutel -, doch vorsichtig rüttelte ich es in seine Ursprungsform zurück und musterte das weiße T-Shirt. 

Darauf zu sehen, war eine kleine süße gezeichnete Avocado, welche einem zuwinkte. Über ihr der Schriftzug "Avocadorable". 

Verdutzt schaute ich in Yoongis Richtung und wartete auf eine Antwort seinerseits, doch er hatte sich nur wieder hinter dem Display seines Telefones versteckt. Aber grade, als ich versuchte Luft zu holen, unterbrach seine tiefe kratzige Stimme mich. 

"Ich wollte dir einfach was schenken, bevor du wegfährst. Ich dachte, dass dich das vielleicht freuen würde...", nuschelte Yoongi gegen sein Smartphone - Display und schenkte mir keinerlei Beachtung. Ich hingegen musste in mich hinein lächeln, denn um ehrlich zu sein, hätte ich solch eine liebe Seite von Yoongi gar nicht erwartet. Er war ein netter Freund und machte die Kurse - welche wir zusammen hatten - immer weitaus erträglicher, doch die meiste Zeit schien er an nichts Interesse zu haben und alles irgendwie an sich vorbei ziehen lassen. Hiermit hatte er mich wirklich überrascht. 

"Wow, danke, ich -", aber ich kam nicht weiter, denn Min Yoongi unterbrach mich frech, obwohl ich mich doch gerade bei ihm bedanken wollte. 

"Darf ich dich was fragen?", es war wohl wichtig, denn andererseits hätte der Junge mir gegenüber wohl nicht freiwillig das Telefon beiseite gepackt. 

Ich nickte nur, denn ich wollte den Fluss seiner Gedanken nicht unterbrechen. Am Ende vergaß er nur wieder seinen Gedankengang und ich würde mich, mal wieder, darüber ärgern. So, wie es oft vorkam. 

"Warum willst du den Sommer über unbedingt nach Südkorea? Wieso willst du unbedingt diesen Jungkook besuchen. Ich meine, du kennst ihn seit... einem Jahr? Ist das nicht, ein wenig zu früh?", begann er zu brabbeln und mein Gehirn fing sichtlich an in meinem Kopf zu rattern. Wie kam er denn von null auf hundert auf diesen Gedankengang? Vor zwei Sekunden hatte ich mich noch über dieses süße Shirt von ihm gefreut und nun hatte sich unsere Gesprächswelt um 360 Grad gedreht. 

Verwirrt blinzelte ich mit den Augen, ehe ich Yoongi eine Antwort schenkte: "I-ich verstehe nicht ganz... W-wirklich, was willst du grade genau von mir hören?", stammelte ich und konnte nichts anderes tun, außer ihn anzusehen. Ich versuchte bereits aus seinem Blick eine Antwort zu entwirren, doch bei Yoongi hatte sich das schon das ganze Jahr über als schwer erwiesen. Seitdem Seokjin ihn mir damals im Penpal Kurs vorgestellt hatte. 

"Ich möchte nicht, dass du in den Ferien nach Seoul fährst. Ich will, dass du hier bleibst und den Sommer mit deinen Freunden verbringst." 

Ich hatte gehofft, dass Yoongi scherzte, aber sein Ton klang nicht danach. Er wirkte ernster, als es mir eigentlich lieb war. 

"Wie bitte? Jungkook ist doch aber auch einer meiner Freunde -", schon wieder unterbrach er mich, dabei wusste Yoongi, wie sehr ich das eigentlich hasste. 

"N-nein, du bist in den Typen verschossen, weil du unbedingt irgendeine dämliche Art von Liebe suchst, aber dabei vergisst du uns. Seit ein paar Wochen hat Nala dich schon nicht mehr gesehen, weil du nur deine Stunde abreitest und dann wieder gehst. Seokjin benutzt du nur als Mittel zum Zweck und du warst schon so lange nicht mehr im Kurs. Schreibst deine blöden Briefe immer im Zimmer, gibst sie ab und verschwindest!", er hörte bald gar nicht mehr auf und schnappte auch nicht einmal nach Luft. Und auch, wenn mich jedes Wort von ihm anpisste, weil es eventuell wahr sein könnte, ließ ich ihn zu ende faseln. Dann war plötzlich eine unangenehme Stille vorherrschend, welche allmählich durch mein tiefes und grummelhaftes Atmen aufgelöst wurde. 

"Raus hier. Und bis zu meinem Abflug brauchst du auch nicht mehr hier aufkreuzen", fauchte ich, wenn auch leise, sodass meine Nachbarn nicht mehr mitbekamen, als bereits geschehen war und deutete auf meine Zimmertür. 

"Carlotta, du verstehst nicht -"

"Und ob ich verstehe; verschwinde jetzt oder du brauchst dich wirklich nie wieder bei mir blicken zu lassen ..."

Min Yoongi erhob sich, schweigend, griff genervt nach seiner Tasche und zog meine Zimmertür hinter sich laut genug ins Schloss. Ich hoffte, dass er wusste, wie ich mich jetzt fühlen musste. Dass er verstand, wie sauer ich war und dass er große Scheiße gebaut hatte. 

Aus Frust, den Yoongi mir quasi aufgebunden hatte, feuerte ich alle Kleidungsstücke um mich herum in den Koffer und schob diesen unsanft an das Fußende meines Bettes. Jetzt, in diesem Moment, wollte ich nichts lieber tun, als einfach in der Ruhe meines Zimmers zu liegen und auf den Worten von Yoongi herum zu kauen. Ich versuchte mir einzureden, dass alles was er sagte, der reine Schwachsinn war, doch je mehr und mehr in seine Sätze auseinander nahm, bekam ich das Gefühl, alles entsprach der Wahrheit.

The PenpalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt