Kapitel 9: Jungkooks POV

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Heute hatte ich mir vorgenommen, meinen Brief erst Zuhause zu öffnen, denn vielleicht war ja eine genauso große Überraschung zurückgekommen, wie ich eine versendet hatte. Dennoch, auch, wenn Cheayoung schon lange wusste, wie ihr Brieffreund Seokjin ausschaute und anders herum ebenso, so war das bei mir und Carlotta nicht der Fall gewesen. Und nun hoffte ich, auch endlich ihr Gesicht zu erfahren und zu wissen, welcher tollen Person ich auf dieser Erde jeden Tag meine Zeit und Gedanken schenkte. 

Zuhause angekommen erwartete mich eine leere Wohnung. Im Moment sah ich Mum und Dad nur selten, doch es war okay. Ich schmiss quasi jeden Tag alleine den Haushalt, und trotzdem gelang jeden zweiten Tag auf wundersame Weise etwas neues zu Essen in den Kühlschrank. Keine Ahnung, wie die Zwei in ihrem Stress noch die Zeit zum Einkaufen fanden, aber sie waren eben doch die besten Eltern auf der ganzen Welt. 

Trotz der netten Geste musste ich dennoch fast jeden Tag wieder los, da meine Sucht nach Kanchos mittlerweile die Überhand über mein Leben erhascht hatte. Es war jedes Mal wieder ein Wunder, dass Mum und Dad mein Süßigkeitenversteck im Kühlschrank nicht fanden. Natürlich könnte ich den ganzen Süßkram auch, wie jedes normales Kind unter seinem Bett verstecken, aber bei den Temperaturen in Seoul wäre das wohl die denkbar schlechteste Idee. Somit begab ich mich, nachdem ich Jacke und Schuhe abgelegt hatte, zuerst einmal in die kühle Küche, und schaute, ob ich tatsächlich schon wieder alle Packungen der beliebten Schokolade aufgefuttert hatte. Zu meiner Verwunderung lächelten mich drei knallbunte Pappverpackungen an, als ich die Tür unseres großen Metallkühlschrankes geöffnet hatte. 

>> Eltern wissen alles. Wir lieben dich. - Mum und Dad<<. Nie im Leben hätte ich gedacht, das mich jemals solch ein Post - it anspringen würde. Andererseits konnte ich es verstehen. Ich kam oft heim und fand eine nette kleine Überraschung vor. Ob es nun ein neues PC Spiel oder eine Overwatch Gutscheinkarte war; ich freute mich immer. Mum und Dad fühlten sich oft schlecht, mich teilweise Wochen alleine zu lassen, egal, wie oft ich ihnen das Gegenteil erzählte. Ich vermisste sie und das wussten beide; trotzdem bewunderte ich sie beide für ihre harte Arbeit, welche sie jeden Tag für unsere kleine Familie leisteten.

Mit einem Lächeln im Gesicht nahm ich mir eine der drei Kancho Packungen und peilte dann mein Zimmer an. Seit heute morgen hatte ich die Klimaanlage über meiner Tür angelassen und doch war es hier drin immer noch so heiß, wie in der prallen Mittagssonne. Kaum zu glauben, dass meine Kanchos mir nicht direkt aus der Hand schmolzen.
Meinen Rucksack hing ich über die Lehne meines Schreibtischstuhles und meine Knabberein warf ich etwas unsanfter auf die aufgeräumte Tischplatte. Ich musste mich umziehen; einfach raus aus dieser dicken Schuluniform. Schnell streifte ich die knallgelbe Uniform von meiner blassen Haut und tauschte sie gegen ein labbriges T-Shirt und eine kurze Jogger ein. erst dann ließ ich mich mit vollem Gewicht voraus auf meinen Bürostuhl fallen und öffnete vorsichtig den pastellpinken Briefumschlag. Carlotta hatte es wohl geschafft, ein neues Briefset aufzutreiben.

Aus dem Umschlag purzelten direkt zwei Sachen hinaus. So, wie immer war eines davon der zusammengefaltete Brief und das andere Stück Papier fiel einfach mit hinaus. Es schaute aus, als wäre es Fotopapier, doch ich konnte es nicht genau erkennen. Erst, als ich die weiße Rückseite erfühlte, wusste ich es ganz sicher. Das Bild war mit der schweren Farbseite nach unten gefallen und so sehr es mich lockte, es einfach umzudrehen; ich tat es nicht. Ich wollte, dass der Brief, dass Carlotta mich dazu aufforderte. Genau deshalb entfaltete ich die paar Seiten an Brief und begann auf der Stelle die Zeilen zu lesen. Mein Herz pochte:

>> Hallo Jungkook,

ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll, deshalb widme ich mich zuerst deinen netten Heldentaten. Es freut mich sehr, dass du sowohl Chaeyoung, als auch das kleine Unterstufenmädchen glücklich machen konntest. Mit meiner Hilfe, hihi. Ich mag es, in fröhliche Gesichter zu sehen und ich hoffe, dass es jedem von ihnen heute wieder besser geht.

Leider habe ich in letzter Zeit nicht viel mit Seokjin reden können. Ich bin grade etwas angeschlagen, aber dazu später mehr. Jin ist ein sehr lieber Junge und ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, dass er Chaeyoung gerne mag. Ich meine, wenn man den Gegenüber zumindest nicht auf eine gewisse Weise mag, dann würde man ihm ja auch nicht schreiben, oder? 
Also, ich denke, dass du das arme Mädchen beruhigen kannst, und wenn es nicht funktioniert - Mädchen machen sich nämlich meistens Gedanken wegen nichts -, dann sag mir Bescheid und ich schicke nochmal ein Paket mit zentnerweise Schoki darin. ;)

Um dich erst einmal zu beruhigen; nein, du hast weder mich, noch meine Kompfortzone verletzt. 

(Ich atmete erleichtert auf. Die Gedanken, welche sich um meine geschriebenen Zeilen drehten, hatten in den letzten Tagen kaum aufgehört und nun stoppte alles auf einmal.)

Mach' dir also keine Sorgen. Allerdings ist es schwer darüber zu reden. Ich meine, wie genau soll ich darüber reden, wenn noch nie so ein konkreter Fall eingetreten ist? Denn, um ehrlich zu sein, bisher war eben nie jemand da, der mehr als nur meine ganze Aufmerksamkeit entgegen gepfeffert bekommen hat; also ... ich kann dir nicht viel erzählen. Ich hoffe, dass dich das jetzt nicht irgendwie enttäuscht zurück lässt. :x

So, jetzt wird es vermutlich leicht unangenehm werden. Wie ich oben schon erwähnt hatte, bin ich im Moment ein wenig verhindert. Denn, ich bin krank. Mich hat's erwischt und ich liege mit einer dicken fetten Grippe im Bett. Aber, als ich das Bild von dir erhalten habe, da ist etwas komisches passiert. Ich habe mich auf einmal viel besser gefühlt. Meine Kopfschmerzen waren wie weg gezaubert und ich fühlte mich ... anders. Weißt du, was ich meine?

Auf jeden Fall; du bist wirklich hübsch und du siehst toll aus. Keine Ahnung, ob man das zu einem Jungen so sagen kann, aber es ist eben das, was ich fühlte und denke. 
Du hast mich in deinem Brief so nett gefragt (irgendwie), ob es für mich okay wäre, wenn du ebenfalls weißt, wie ich denn aussehe. Ich wollte nicht Nein sagen, auch wenn ich im Moment, wie dahin gespuckt aussehe, also - wenn du es bis jetzt noch nicht getan hast - schau' dir gerne das beigelegte Bild von mir an.

Das bin ich; wie ich krank bin. Ich habe versucht so unkrank, wie möglich darauf auszusehen und naja; es hat mal mehr und mal weniger geklappt. Dennoch; ich hoffe, dass du dich irgendwie darüber freust. So, wie auch ich mich über dein Foto gefreut habe. Es steht übrigens auf meinem Nachttisch. Ich wollte es eigentlich auf meinen Schreibtisch stellen, aber da ich im Moment die meiste Zeit im Bett verbringe, wollte ich es ... näher bei mir haben.

Ich freue mich auf deine Antwort. Auf alles und auch auf die Antwort auf mein Bild für dich. Auch, wenn ich irgendwie etwas nervös bin, wie ich gerade merke. Puh, ich habe mir noch nie so viele Gedanken über ein Selfie gemacht. 

Bis bald, Jungkook.

- in Liebe, deine Carlotta.

P.S. Du bist toll. :')<<

Keine Ahnung, wie viele ich während des kompletten Lesens verspürt hatte. Mal pochte mein Herz schneller, mal wurden meine Wangen heiß. Und alles vermischte sich, als ich dieses Bild ansah. Das war sie also, Carlotta. Mit Decke um die Schultern gelegt, hatte sie versucht ein Spiegelselfie zu machen und es war das schönste Spiegelselfie, welches ich jemals in meinem Leben gesehen hatte. Und obwohl sie rötlich gefärbte Wangen und leicht zotteliges Haar auf dem Foto hatte, so war sie doch einfach ein wunderschönes Mädchen. 

Je länger ich auf das Bild starrte, desto schwerer war es nicht gleich mit dem schreiben zu beginnen, doch letzten Endes konnte ich mich nicht länger halten und nahm mir Stift und Papier zur Hand. Ich schrieb und schrieb, konnte nicht aufhören; weder mit dem schreiben, noch mit dem Lächeln. 

Und so langsam wurde mir bewusst, dass es mit jedem Wort, jeder Zeilen und jedem Brief schwieriger wurde auf einen Neuen zu warten. 

The PenpalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt