Mellis POV

56 2 0
                                    

Immer noch wütend auf Chris und Bo laufe ich schweigend neben Klaas zu einem, wie er meint, spitzenmäßigen Café. Im Takt meiner Schritte verfluche ich die beiden Idioten still vor mich hin.

"Ist alles in Ordnung, meine Hübsche?" bricht mein Begleiter nach einigen Minuten dann aber doch das Schweigen.

"Ja. Chris nervt mich nur einfach jetzt schon. Und das am ersten Tag. Ich will dir damit aber nicht in den Ohren liegen. Immerhin seid ihr Freunde," erwidere ich mit einem gequälten Lächeln.

"Du darfst mir damit gerne in den Ohren liegen. Ich weiß, dass er manchmal echt ein Arsch ist. Aber letztlich ist er eigentlich ein netter Kerl. Ihr habt euch wahrscheinlich beide auf dem falschen Fuß erwischt. Und du musst ihn ja nur auf der Tour so oft ertragen," verteidigt er meinen Staatsfeind Nr. 1.

Es ist ja echt nett, dass er mir in der Sache immer ein offenes Ohr anbietet. Doch warum nimmt er diesen Wichser noch in Schutz?

"Glaub mir, dass ist er mir nicht wert. Ich rede mit dir lieber über andere Sachen," wird mein Lächeln jetzt etwas natürlicher.

"Das ist mir auch viel lieber. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin. Aber dafür hast du ja schon Bo," reagiert Klaas mit ausdrucksloser Stimme. Höre ich da trotzdem einen Unterton von Bedauern?

Wieder laufen wir schweigend weiter.

In dem Café angekommen, geben wir unsere Bestellung auf und müssen einige Minuten warten. Auch jetzt sagt keiner von uns ein Wort.

Was ist denn plötzlich los? Im Bus konnten wir über alles und jeden quatschen. Und jetzt ist Klaas plötzlich so kühl und distanziert zu mir. Das ist doch sonst mein Part.

Wir nehmen den gleichen Weg zurück, den wir auch schon gekommen sind. Als wir wieder durch eine kleine Grünanlage laufen, deute ich auf einen sonnigen Platz mit einer Bank.

"Können wir uns kurz setzen?" frage ich Klaas leise.

Kommentarlos steuert er auf die Bank zu und wir setzen uns.

Mir fehlen eigentlich gerade die Worte. Auf der einen Seite bin ich etwas berauscht von seiner Nähe. Unsere Körper sind sich nahe genug, dass ich Klaas' Duft wahrnehmen kann. Auf der anderen Seite fühle ich mich überhaupt nicht wohl. Die Gefühle, die er in mir auslöst, gefallen mir nicht. Er ist Musiker. Er geht auf Tourneen. Das hatte ich alles schon einmal.

"Klaas, ich muss wissen, woran ich bei dir bin. Mal bist du herzlich und dann wieder vollkommen auf Distanz. Dieses hin und her bringt mich durcheinander. Und das schon seit du vor meiner Tür standest," gestehe ich murmelnd.

Ich habe keine Ahnung was mich da jetzt geritten hat und was ich mir für eine Antwort erwarte.

"So ähnlich geht es mir auch. Ich bin mir nicht sicher, welche Rolle Bo nun tatsächlich in deinem Leben spielt. Und ehrlich gesagt, habe ich etwas Angst vor der Antwort, wenn ich dich das direkt frage."

Gut, das habe ich definitiv nicht erwartet.

"Bo ist einfach mein bester Freund. Vor vielen Jahren lief da mal was, aber das ist Geschichte. Es hat nicht geklappt. Und mehr als eine sehr tiefe Freundschaft ist da nicht. Ist das der Grund, warum du dich manchmal zurückziehst?" Ich muss diese Frage einfach stellen.

"Ja, auch. Ich will nichts überstürzen. Bo hat öfter angedeutet, dass du in Bezug auf Beziehungen oder auch nur etwas, was sich in diese Richtung entwickeln könnte, etwas allergisch reagierst. Allerdings wollte der Arsch mir auf Teufel komm raus nicht sagen, warum das so ist. Wenn dir ein Mann weh getan hat, egal ob körperlich oder seelisch, dann sag es mir. Ich prügle ihn windelweich," erwidert Klaas. Er sieht mir immer noch nicht in die Augen.

Geschockt reiße ich meine Augen auf.

"Du glaubst ja wohl nicht, dass ich es zulassen würde, dass mich mein Partner misshandelt? Nein, es ist etwas ganz anderes, was ich trotz Therapie bis heute nicht verarbeiten konnte. Mein Freund, den ich nach Bo hatte, ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Er war mit seiner Band gerade auf Tour und ich habe den Unfall live per Videotelefonie mitbekommen," rücke ich ziemlich schnell mit der Wahrheit raus.

Es gab noch nie einen Mann nach Josh, der sich Zeit genommen hat, etwas über mich zu erfahren. Aber da er mir sehr ehrlich rüber kommt, sollte ich das auch sein.

Endlich sieht der Langhaarige mich an. Sein Blick ist voller Mitgefühl.

"Scheiße, tut mir leid. Ich wollte keine Wunden aufreißen," entschuldigt er sich. Schnell wende ich nun meinerseits den Blick ab. Er soll nicht gleich sehen, dass es noch weitere Wunden gibt, die nie angefangen haben zu heilen.

"Ist schon gut. Aber was soll das zwischen uns werden? Wie du siehst, bin ich überhaupt nicht in der Lage, eine Beziehung oder etwas ähnliches zu führen?"

"Sagen wir so. Ich sehe es als Herausforderung. Aber wenn ich dich zu sehr bedränge, mit was auch immer, dann versprich mir, dass wir darüber reden. Ich möchte dich nicht verlieren. Lieber würde ich dafür sorgen, dass diese alte Wunde heilen kann. Lässt du es mich probieren?" werde ich schüchtern angelächelt.

Zur Antwort lächle ich nur zurück.


45 Minuten nach unserem Aufbruch, betreten wir lachend die Konzerthalle.

"Hat euch der Quickie wenigstens Spaß gemacht? Wir haben zu tun und ihr zwei vertrödelt unsere Zeit," werden wir angepisst von Chris begrüßt. Alter, ich könnte ihn schon wieder umbringen.

Klaas und ich haben uns geeinigt, kein Wort über unser Gespräch zu verlieren. Das geht den Rest der Band nichts an. Außer natürlich Bo. Ihm erzähle ich nunmal alles.

Grinsend schaue ich meinen Begleiter an, bevor ich antworte.

"Der Quickie hat mir mehr gebracht, als eine ganze Nacht mit dir mir bringen würde, schätze ich," grinse ich Chris herablassend an.

Ich höre wie Bo hörbar nach Luft schnappt, bevor Klaas und ich anfangen laut zu lachen.

"Das Café war knackenvoll, du Penner. Und mehr als beeilen konnten wir uns nicht. Also krieg dich wieder ein," kläre ich dann lachend die Situation doch auf.

Stocksauer macht Chris auf dem Absatz kehrt und stürmt durch die Tür Richtung Backstage-Bereich. Grinsend über diesen kleinen Sieg nehme ich einen Schluck von meinem wirklich hervorragenden Kaffee.

"Melli, was hast du genommen, dass du so gut drauf bist?" fragt Bo mich und sieht mich mit einem undefinierbaren Blick an.

"Nichts, du Trottel. Ich habe einfach gerade gute Laune, mehr nicht," antworte ich mit meinem typischen Wimpergeklimper.

"Ich muss mich langsam vorbereiten, meine Hübsche. Wir sehen uns nachher," lächelt Klaas mich an und gibt mir einen Klaps auf den Hintern.

Grinsend sehe ich ihm hinterher und bewundere die schöne Aussicht. Mir ist gerade nicht so richtig bewusst, dass Bo noch immer neben mir steht.

"Raus mit der Sprache. Was habt ihr unterwegs getrieben?" fragt mich mein bester Freund.

Mit verträumtem Blick wende ich mich ihm zu und erzähle ich ihm von dem Gespräch mit Klaas und das wir uns danach einfach ein ganz kleines bisschen näher gekommen sind.

"Du hast ihm wirklich von Josh erzählt? Das erstaunt mich nun aber doch."

"Was sollte ich denn machen? Ihn in dem Glauben lassen, dass ich mich schlagen lasse? Allerdings habe ich ihm nur erzählt, dass Josh auf Tour tödlich verunglückt ist. Über den Rest will ich nicht reden, wie du weißt," gebe ich zurück.

So ganz scheint es Bo nicht zu passen, dass ich Klaas einen kleinen Einblick in meine kaputte Seele erlaubt habe. Mich würde interessieren, was ihn daran stört. Schließlich hat er mir doch selbst auch mehrfach versichert, dass Klaas nicht nur auf der Suche nach einer schnellen Nummer ist.

"Wenn das zwischen euch aber was werden soll, wirst du ihm das früher oder später sagen müssen. Da ist es egal, ob du darüber reden willst oder nicht," erinnert mich mein bester Freund an das Offensichtliche.

Denn genau das ist das Problem, warum ich keine neue Beziehung will. Schon gar nicht mit einem Musiker. Nach Josh' Tod kamen so viele Dinge raus, die er mir während unserer Beziehung verschwiegen hat. Das ganze noch einmal durchzumachen, würde mich vermutlich umbringen.

You're Sex on LegsWhere stories live. Discover now