dreiunddreißig

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Nervös öffnete ich ihm die Tür und ein unsicher lächelnder Namjoon sah mir entgegen. „Hey", murmelte ich, „komm doch rein." Nachdem er sich die Schuhe ausgezogen hatte, folgte er mir in die Küche. „Ich habe noch Essen von gestern, das kann ich noch warm machen.", versuchte ich neutral zu sagen und Namjoons Augen glänzten bei der Erwähnung meines Essens, also stimmte er zu und ich schaltete die Mikrowelle ein.

Ruhig deckten wir den Tisch. Die Stille dauerte an bis wir damit fertig waren und ich schon das Essen auftischte. Zwischendurch hatten wir uns ein paar peinliche Blicke zugeworfen. „Du weißt, dass es Mingyu gibt, nicht wahr?", fragte Namjoon, während ich meinen ersten Bissen nahm. Es entstand eine peinliche Stille, weil ich zu Ende kauen wollte; irgendwann nickte ich einfach.

Namjoon seufzte tief. „Ich weiß nicht, was Taehyung dir alles erzählt hat, also denke ich, ich fange von vorne an." Namjoon sah an mir vorbei, während ich nickte, also antwortete ich: „Ja. Ich denke, ich habe schon zu lange auf Antworten gewartet."

„Mingyu und ich kennen uns aus unseren letzten Schuljahren - in der Zeit war er in mich verliebt.", begann Namjoon und sah mich an, „Damals wusste ich aber nichtmal, dass ich schwul bin und die LGBTQ-Bewegung in Südkorea war noch nicht fortgeschritten genug, als dass es keinerlei Nachteile durch ein Outing hätte geben können." Ich dachte an meine Schulzeit zurück. Die meisten meiner Freunde hatte ich aus diesen Zeiten, weil wir uns heimlich als ein ‚Schwulen-Club' getroffen hatten. Deswegen waren auch alle schwul von meinen Freunden.

„Es ist also nichts passiert zwischen Mingyu und mir, erst Jahre später haben wir uns wiedergesehen. Es ist erst etwa drei Jahre her, dass wir uns getroffen haben; an dem Tag hat er mir auch gesagt, dass er früher in mich verliebt war. Ich war geschmeichelt, es kam eins zum Anderen und wir wurden ein Paar. Es war von seiner Seite aus eine schöne Liebesgeschichte. Man kommt mit der Person zusammen, die man jahrelang angehimmelt hat. So dachte ich zu dem Zeitpunkt auch." Es war schmerzhaft Namjoon zuzuhören, aber gleichzeitig wollte ich die Wahrheit so unbedingt hören.

„Er hat mir später erzählt, dass das gar nicht wirklich stimmte. Er hatte zwar einen Crush auf mich, aber nur für etwa einen Monat, als komplett unbedeutend. Dadurch ist irgendwie die Magie zwischen uns verschwunden. Ich dachte irgendwie immer, es wäre wie in einem Märchen, wie in einem Buch, das ich mal gelesen habe. Irgendwie habe ich mich viel mehr auf diesen Fakt, auf diese Schönheit in unserer Liebesgeschichte fixiert, als auf die Liebe selbst." Namjoon hatte eine interessante Art, Worte zu wählen. Sie sind durch eine Lüge zusammen gekommen, aber wie Namjoon es erzählte, konnte ich verstehen, dass er sich hintergangen gefühlt hatte.

„Es kriselte nicht direkt bei uns, aber irgendwie war der verliebte Zauber zwischen uns weg. Zuerst dachte ich, dass es einfach daran liegt, dass wir die Zeit der Frischverliebten hinter uns gelassen hatten, aber dem war nicht so. Bis heute hat sich nichts daran geändert und ich habe ihm wirklich viele Chancen gegeben, aber", Namjoon sah verzweifelt aus, „was nicht passt, passt nicht und dann war da dieser andere Mann, der irgendwie genau das war, was ich gesucht hatte und viel mehr und~" Die Worte sprudelten nur so aus seinem Mund.

„Alles war so erfrischend zwischen uns und neu, du bist viel schlauer als er und viel lustiger und deine Persönlichkeit ist viel einprägsamer.", erzählte er begeistert und vergrub das Gesicht in seinen Händen, „Mingyu ist unfassbar langweilig und eintönig. Du bist wie der Charakter eines Buches, unfassbar vielseitig und du hast mehrere Schichten und eine Vergangenheit. Du bist wie der Charakter in einem Film, talentiert und gut aussehend und voller Leben und Begeisterung. Du bist~" Er unterbrach sich selbst, um neu Luft zu holen. „Du bist einfach diese Person von der ich dachte, ich wäre sie für Mingyu."

Seltsamerweise konnte ich verstehen, was Namjoon meinte. Vielleicht, weil ich wusste, wie gerne er Bücher las oder weil ich das selber gerne tat. Oder weil wir beide mehr im Leben wollten, als nur uns selbst, wir wollten Menschen helfen, Menschen retten, Menschen etwas beibringen und sie weiterbringen. Ich war gerührt, dass Namjoon so etwas in mir sah, denn so hatte ich ihn immer gesehen. Als jemand schlaues, der mir Sachen erklärt, die ich nicht verstehe.

„Ich hab dich gesehen und wusste, dich muss ich erobern mit Händen, Füßen, Herz, Seele und~" Er sah herab in seinen Schritt und ich verdrehte die Augen, musste aber lachen. Namjoons Worte ließen mein Herz anschwillen. Ich wollte ihm nicht so einfach verzeihen, wollte ich wirklich nicht. Egal was er sagte, es erklärte nicht, dass er mich so angelogen hatte.

„Mit Mingyu ist es aus. Wirklich.", erklärte eindringlich, „Ich habe es ihm vor einigen Tagen gesagt und wir haben uns einvernehmlich getrennt. Ich möchte mit dir zusammen sein, denn du hast so viel zu bieten, dass ich dir auch alles bieten möchte. Alles von mir." Die Art, wie Namjoon sprach, war wie Poesie und ließ seine Worte viel bedeutsamer und schöner klingen, als sie vielleicht waren. Seine Stärke mit Worten umzugehen war unglaublich attraktiv und es ließ mich schwach werden. Er war wirklich ein Mann der Träume, der so viel mehr gab, als nur einen Partner.

„Hör zu, Namjoon.", begann ich, den Tränen nah, „Ich will wirklich versuchen, dir zu glauben, aber mein Vertrauen zu dir ist ausgelöscht." Namjoon lächelte mich an. „Ich würde alles tun, damit du mich wieder zu dir lässt.", erklärte er, „Hast du Lust auf ein Date?" Ich lachte.

EXPLICATION - NAMJIN ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt