Doch ein Herz...

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"Was meinst du damit, du hast jetzt kein Herz mehr?", fragte ich nach einiger Zeit, in der ich überlegen neben Manuel lag und die Wärme genoss die seine Decke absonderte. Der Brünette Roboter hatte sich neben mich gelegt und mich zugedeckt als ich anfing zu frieren. "Und was hat das Buch auf deinem Schreibtisch zu bedeuten, die ganzen Bilder an den Wänden? Wieso wurde Maurice geschlagen und warum wurde ich denn nun operiert?" Er musste mir diese ganzen Fragen endlich beantworten, das war das mindeste was er tun konnte, nachdem ich einfach so operiert wurde. "Das fällt mir echt schwer Patrick...ich kann nicht darüber sprechen." Seine Stimme war nur noch ein leises Flüstern. Ich konnte nicht einschätzen ob es ihm wirklich irgendwie weh tat darüber zu sprechen oder ob er einfach bloß ein Paar Geheimnisse vor mir haben wollte. So gerne ich auch nicken würde, mein Kopf würde mich umbringen dafür. "Weißt du Manuel? Seitdem ich hier bin versuche ich irgendwie Vertrauen zu dir zu fassen, aber wie soll das gehen, wenn du mir nicht mal meine Fragen beantworten kannst? Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, hat dir das schon mal irgendwer gesagt?", fragte ich niedergeschlagen und unterdrückte ein lautes Seufzen. "Da kann ich mich auch gleich umbringen, wenn nicht mal du mir mehr Vertrauen schenkst." "Das hat mir tatsächlich schon mal jemand gesagt...", murmelte Manuel, meinen Kommentar ignorierend und kurz darauf hörte ich ein leises Brummen. Kurz wurde es dunkel, Manu hatte seine Lampe aus gemacht.

Die Decke über Manuel und mir wurde hell und ein Bild tauchte auf. Das Bild verwandelte sich in ein Video. Es war ganz klar nicht mit einer Kamera aufgenommen, dafür wackelte alles zu sehr und die Sicht war verschwommen, so als wurde das Ganze in der Perspektive eines Menschen aufgenommen und dieser hatte Tränen in den Augen. "Manu...bitte, sag mir das du mir vertraust. Es wirkt einfach so als ob du mir nicht vertraust, dabei tue ich alles für dich. Vertrauen beruht nun mal auf Gegenseitigkeit, ich kann das nicht für Immer! Es tut weh, es macht mich einfach kaputt, dass du dich gegen mich entscheidest. Für dich, meiner einzig wahren liebe, habe ich mit meiner Freundin Schluss gemacht, was soll ich noch tun? Ich mache alles für dich, sag mir bloß was...", ertönte eine Stimme, die meiner mehr als ähnlich klang. Sie war nur ganz dezent anders, ein wenig tiefer als normal. "Meinst du mir fällt es nicht schwer? Ich sterben für dich, Palle...ich kann nicht mal eine Sekunde aufhören daran zu denken was alles schief gehen könnte. Der einzige kleine Moment wo ich aufhöre daran zu denken ist, wenn du mich umarmst oder mir einfach so nah bist...", weinte eine zweite Stimme, die ich sofort als Manuels identifizierte. Alles fing an zu wackeln, lange braune Haare erschienen im Bild. Wieso starb er für mich? "Du überlebst das alles, ich weiß es ganz genau. Der Arzt meinte, du bekommst sogar ein wundervolles Grab und soll ich dir was sagen? Ich werde irgendwann daneben liegen, neben meinem Mann...", murmelte 'meine Stimme' sanft und 'ich' strich Manu wahrscheinlich eine seiner Strähnen aus dem Gesicht, denn nun konnte ich, fast klar und deutlich, 'mein Gesicht' erkennen. 'Meine Augen' waren Tränen gefüllt, aber 'ich' hatte ein Lächeln auf den Lippen. "Du hast Recht...ich werde weiterleben, zwar nicht normal aber ich lebe. Mein Herz wird für immer in deiner Brust weiter schlagen und ich werde für immer bei dir bleiben...", murmelte Manu und sah an 'mir' vorbei, sodass ein schneebedeckter Boden erschien.

So endete das Video, eine unangenehme Stille folgte. Sein Herz schlug in meiner Brust. "Du warst einst ein Mensch...", schloss ich aus dem Video, überlegte aber gleichzeitig wieso er nun ein Roboter war. "Ganz Recht...ich gab dir damals mein Herz, damit wenigstens einer von uns überleben konnte. Ich hatte einen Tumor im Gehirn und du hattest ein Problem mit deinem Herzen. Mein Problem konnte man nicht lösen, ich wäre also sowieso gestorben, dir konnte man allerdings helfen. Wie sehr du dich erst gewehrt hattest, als ich sagte, du dürftest mein Herz haben. Es tut immer noch weh daran zu denken, wie ich dir dabei zusehen musste, wie du jeden Tag schwächer und schwächer wurdest. Du wurdest tatsächlich noch Achtundachtzig Jahre alt und die ganzen sechzig Jahre blieb ich als Roboter bei dir. Nach deinem Tod merkte ich wie mies die Welt doch war und schloss mich mit Michael zusammen, besser bekannt als M2692N2. Klar, durch die Menschheit wurden Roboter erschaffen und ganz viele andere tolle Dinge, aber durch sie passierte auch viel Böses. Michael verfolgte ein ähnliches Schicksal, bei ihm war es jedoch seine Frau Chessy die starb. Wir unterjochten gemeinsam die Menschheit, ich wurde der Oberbefehlshaber der Roboter, Michael mein Vertreter. Er übernahm die Roboter Herstellung während ich alles andere regelte, zum Beispiel wo die Menschen hinkamen. Ich entwarf Pläne wie man alles effizient regeln konnte, wie Menschen sich uns Robotern einfach hingaben und wie man sie davon abhielt sich gegen uns zu richten. Ich erfand zum Beispiel das System der Wissenschaftler, sodass die Menschen sich stolz fühlen konnte, dass sie etwas erschaffen hatten. Alles was von euch neu erfunden wird gibt es eigentlich schon seit Hunderten von Jahren, aber ihr denkt, dass ihr das alles erfindet. Menschen sind leicht zu beeinflussen, besonders wenn ihnen alles schon im Jungen Alter eingeprägt wird, das nutzen wir aus. Ich weiß, dass das alles sehr gemein ist, aber anders kann man das nicht regeln. Ein weiterer Grund das alles so klappt wie es ist, ist, dass wir euch Menschen dumm halten. Menschen sind von Natur aus dumm und naiv, aber das kann man euch nicht verübeln, ich war das ja auch einst. Die Bilder an den Wänden zeigen mich und meine Freunde. Sie sollen bloß daran erinnern wie toll mein Leben früher war, als ich noch ein Mensch war", erklärte mein Freund und seufzte traurig. Ich bekam Mitleid mit ihm. Mitleid mit meinem früheren Ich. Es musste schrecklich sein, jemandem den man liebte zuzusehen, wie er starb.

Ein Bild erschien an der Decke. Es zeigte einen Mann mit blonden Haaren und blauen Augen. "Das war Daniel oder wie ihn alle immer nannten, Taddl. Er war mein bester Freund und half mir sehr viel, besonders als ich von einigen Kindern geärgert wurde, im Alter von vierzehn. Damals war ich eher schüchtern und hatte eine sehr hohe Stimme, was einige Kinder sich als Grund nahmen mich zu ärgern...", stellte Manu den Mann vor, wurde aber von mir unterbrochen. "Aber...wie kann man deine Stimme nicht mögen? Die hört sich doch schön an, nicht zu vergessen das du eine wunderschöne Singstimme hast!" Es schockierte mich zutiefst, dass es tatsächlich mal Leute gab die Manuel geärgert hatten, und das auch noch wegen eines solch banalen Grundes. Es war die Wahrheit, der Brünette hatte die Beste Stimme die ich kannte, sanft und hoch zugleich. Belustigt schnaubte Manuel auf. "Danke, Patrick...", murmelte der Brünette schüchtern und blinzelte, sodass das Bild an der Decke sich änderte.

"Das war Claus, oder wie ich ihn gerne nannte, Clausi Mausi. Er war so etwas wie der Bruder den ich nie hatte und er war immer für mich da. Du hast dich damals überhaupt nicht mit ihm verstanden, weil du dachtest er würde mich dir wegnehmen. Du hattest dich schon nicht mit Taddl verstanden, aber Claus war nochmal eine Ecke schlimmer. Als wir zusammen kamen änderte sich das allerdings, sodass auch ihr Freunde wurdet. Taddl und du habt euch allerdings nie verstanden, du hattest irgendwas gegen ihn und das bis zum Ende." Das Bild zeigte einen Mann, ungefähr im Alter von fünfundzwanzig oder älter. Seine Haare gingen bis zu seinem Bauch, damit waren es die längsten Haare die ich je gesehen hatte. Seine Augen hatten die Farbe braun und er besaß einen leichten Kinnbart. Er schien kleiner zu sein als Manu, denn wieder war das Bild aus seiner Perspektive und er konnte den Haaransatz des anderen sehen. Der Brünette erinnerte mich an irgendwen, aber ich konnte partout nicht sagen an wen. "Ich kenne ihn irgendwo her...", murmelte ich also um Manus Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, was auch klappte. "Ach wirklich? An was erinnerst du dich? Wo spielen deine Erinnerungen, vielleicht kann ich dir helfen...", fragte mein Freund mich leise und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei war er so vorsichtig, dass ich seinen Finger nicht mal spürte. "Ich weiß nicht...mir kommt der Name Jesus in den Kopf aber wer ist das?" Unsicher öffnete ich meine Hand, ich wollte Manuels Hand halten aber ich hatte nicht die Kraft mich zu bewegen. Bittend sah ich zu meiner Hand und von dort in Manuels Augen. Nun verstand er was ich wollte und umschloss meine kalten Hände mit seinen warmen. "Jesus...ich glaube, du hast bestimmt schon einmal etwas von 'Gott' gehört? Ihr Menschen habt alle einst an einen Gott geglaubt, dieser hatte seinen Sohn auf die Erde geschickt, also Jesus und du hast Recht. Claus sah schon ein wenig so aus wie Jesus", lächelte Manu traurig und nahm seine Hand wieder von meiner weg, was mich schmollen ließ. "Warte mal..., wenn Patrick so aussah, wie ich jetzt, bin ich ja ein Klon. Aber wenn Claus so aussah wie Jesus ist er dann auch der Klon von ihm gewesen?" Irgendwie war es ein komisches Gefühl zu wissen, dass man nur ein Klon war, ein Klon eines schon längst Toten. "Nein Patrick, so läuft das alles nicht. Es ist genau berechnet wann man wieder geboren wird, das kann man auch nicht ändern. Und Jesus hat auch nie wirklich existiert. Er war einfach bloß eine Erfindung der Menschen! Ich fand so etwas schon immer interessant, du wahrscheinlich eher weniger...oder?", erläuterte Manu und setzte sich auf, sodass er nun neben mir saß und mir in die Augen sehen konnte. Ich konnte seinen Blick nicht wirklich deuten, er sagte nicht das geringste aus. Mein Gehirn arbeitete und arbeitete, es zählte einige Tatsachen zusammen, sodass sich eine neue Frage bildete. "Ok...aber wenn du den Patrick aus der Vergangenheit geliebt hast...bedeutet das, dass du auch mich liebst? Ich bin ja glaube ich nicht viel anders als der alte...", fragte ich unsicher und sah in die beruhigenden Augen des Roboters. Als dieser sie allerdings schloss, wurde ich unruhig.

~1710 Worte

Ich sterbe sowieso... #KürbismaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt