Luft...

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Wenn ich jetzt hinaus gehen würde und mich von einer Brücke stürze, würde mich niemand aufhalten. Wenn ich mir jetzt ein Messer nehmen würde und mir die Pulsader aufschneide, würde es mir niemand wegnehmen. Und wenn ich mich einfach stellen würde, würde mich ein Roboter umbringen. Es war egal was ich tat, sterben würde ich sowieso. Also, wieso tat ich es nicht einfach, wieso beging ich nicht einfach Suizid? Was hielt mich auf? Niemand war mehr da, den ich kannte. Niemand war mehr da, der mich liebte. Und niemand war mehr da, der mich aufhielt. Aber trotzdem war da noch etwas was mich an mein Leben band, bloß was? War es der Wille zum Überleben oder doch die Angst vor dem Sterben. Angst, ein Wort was mich schon oft aufgehalten hatte und es bestimmt auch noch oft tun würde. Wille zum Überleben, etwas was man schnell verlieren konnte, nur durch eine einzige, wenn auch noch so kleine Tat. Was war überhaupt der Sinn meines Lebens? Kinder zeugen? Arbeiten? Kämpfen? Sterben. Egal was ich tat, ich sterbe sowieso. Jetzt oder doch erst später, war eigentlich egal.

Geistesabwesend ging ich in meine Küche und holte mir ein großes Messer aus einer Schublade hinaus. Seine lange, silberne Klinge glänzte im Licht der Deckenlampe, erst neulich hatte ich mir dieses Messer zugelegt. Ich hatte es für ein gelungenes Experiment bekommen. Zwar hätte ich mir auch etwas gleichwertiges aussuchen können, beispielsweise ein Besteck Set, doch entschied ich mich für das Messer. Lächelnd ließ ich das kalte Metall über meine blasse Haut fahren, sodass kleine, feine Blut-perlen über sie liefen. Ich zischte auf, da es brannte wie die Hölle, aber es war notwendig für meinen Plan. Schnell legte ich das nun blutrote Messer in die Spüle und zog mir meine Schuhe an. Einmal durchatmen und dreimal an die Tür klopfen. Sofort ging das rote Licht an der Oberseite der Tür an und eine weibliche Computer Stimme ertönte, welche ich schon unzählige Male gehört hatte. "P3088N4, nennen Sie mir Ihren Grund raus gehen zu wollen!" "Ich habe mir was zu Essen machen wollen, wobei mir mein Messer ausgerutscht ist. Jetzt habe Ich eine Wunde am Arm, die verbunden werden muss. Dafür würde ich mir jetzt Verbands Material holen gehen, wenn Sie erlauben", antwortete ich ruhig und zeigte der Kamera meinen verwundeten Arm. Auch wenn Maschinen ein eigenes Bewusstsein entwickelt hatten, Lügen konnten sie, zu meinem Glück, noch nicht erkennen. "Genehmigt. Bitte begeben Sie sich zu Ihrem zugeteilten Wegpunkt und kommen so schnell es möglich ist zurück. Gute Besserung!"

Das rote Licht änderte sich schlagartig in ein Grünes, was mir zeigen sollte, dass ich die Tür nun Problemlos öffnen konnte. Ein breites grinsen unterdrückend, schob ich die Tür auf und verließ meinen Trakt. Das Gebäude in dem ich mich befand war in vier Trakte aufgeteilt. Im ersten Trakt lebten die Wissenschaftler, zu denen auch ich gehörte. Im zweiten lebten die Frauen, die, laut den Maschinen, nur dazu da waren, Kinder zu zeugen und auszutragen. Im dritten Trakt lebten die Kinder, die ihre Tests bestanden hatten. Und im vierten Trakt lebten alle Kinder, die ihre Tests noch vor sich hatten. Jedes männliche Kind musste im Alter von Zehn einen Intelligenztest bestehen. Wer diesen nicht schaffte, wurde umgebracht, wer ihn schaffte, wurde später Wissenschaftler. Die armen Mädchen hatten noch nicht einmal die Chance auch beweisen zu können, dass sie klug genug waren, Wissenschaftlerinnen zu werden. Sie wurden zu Putzkräften ausgebildet, die entweder das Distrikt der Wissenschaftler reinigten oder Maschinen und deren Räumlichkeiten sauber machten. Auch wenn die Maschinen dachten, sie wären besser als wir Menschen, waren sie mindestens genauso grausam.

Mit ernster Miene schritt ich meinen Weg voran, der aus dem riesigen Gebäude führte. Es passierte selten, dass ein Mensch aus dieser Hölle raus durfte, weshalb ich glücklich war, dass es bei mir sofort geklappt hatte. Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich mir halt mit dem Messer direkt ins Herz gestochen, sodass man mich nicht hätte retten können, selbst wenn man es gewollt hätte. Wenn sie es doch irgendwie geschafft hätten mich zu retten, wäre ich entweder zu einem Cyborg gemacht worden oder hätte für immer in ein Gefängnis gemusst. Beides sollte man vermeiden, wenn man noch genug Verstand dazu hatte, und den hatte ich. Schon viele Wissenschaftler waren verrückt geworden und hatten versucht die Maschinen anzugreifen, aber kein einziger schaffte es eine davon auszuschalten. Wie denn auch, diese metallenen Geschöpfe bestanden aus Metall und wir Menschen bestanden nun mal aus Fleisch und Blut. "P3088N4, was machen Sie hier, außerhalb ihres Distrikts?!", ertönte auf einmal die scharfe Stimme von einem Roboter hinter mir und wenn ich scharf überlegte, musste diese Stimme zu einem Schutzroboter gehören. Er wollte prüfen ob ich die Warheit sagte, denn schon in diesem Moment hatte er dich die Indoktrination von einem Roboter geholt. Es war selten, dass diese hier herum liefen, meistens taten sie das, wenn eine wichtige Persönlichkeit in der Nähe war, sowie zum Beispiel M2692N2, der Chef der größten Roboter Fabrik auf dem Planeten. Mit diesem Roboter durfte ich schon Bekanntschaft machen, damals, als ich gerade neu zu einem Wissenschaftler ernannt wurde. Um wirklich Wissenschaftler sein zu dürfen, musste man etwas wichtiges erfinden und genau das hatte ich getan. Damals gab es das Problem, dass viele Roboter eine bestimmte Fehlfunktion hatten. Irgendwann explodierte einfach der Kopf und danach konnte man diesen Roboter nicht mehr reparieren. Um den Planeten und die Rohstoffe darauf zu schonen, ließ man nach etwas suchen, dass diese Explosionen verhindert, und genau dieses Etwas hatte ich gefunden. Daraufhin hatte M2692N2 dies gleich bei allen Robotern einbauen lassen und ich hatte meinen Doktortitel erhalten, sowie eine, für menschliche verhältnisse, gute Wohnung.

Schnell drehte ich mich zum Schutzroboter um, damit es nicht aussah, als ob ich eine Gefahr wäre. "Ich habe mich am Arm verletzt und werde mir, wenn Sie es mir gestatten, einen Verband besorgen gehen", erklärte ich sachlich und zeigte ihm meinen, immer noch leicht blutenden, Arm. "Gestattet." Nickend ging ich weiter in Richtung Brücke, die man eigentlich überquerte, wenn man einen Verbannt holte. Am höchsten Punkt blieb ich stehen und sah auf die unendlichen Tiefen herab, vor der nur ein breites Metall Geländer schützte. Es wäre unmöglich den Fall zu überleben, schon alleine deshalb, weil auf dem Boden lange, spitze Holzpfähle angebracht wurden. Nichts konnte mich mehr aufhalten! Der Wind wehte unermüdlich, sodass ich leicht anfing zu zittern. Hier oben hatte ich keine schützenden Bäume mehr und in meiner Alltagskleidung, die aus einem weißen Stoffmantel und Stoffschuhen bestand, war es doch recht kalt. Noch Einmal sog ich die frische Luft ein, genoss es, einmal im Leben frische Luft geatmet zu haben. Es war ein Privileg, dass uns die Roboter einfach so nahmen und nur die wenigsten Menschen hatten das Glück, einmal in ihrem Leben frische Luft Atmen zu dürfen. Es erfüllte mich mit stolz, einer der wenigen Menschen sein zu dürfen. Mein ganzes Leben lang war ich in diesem verdammten Gebäude eingesperrt, nun sollte ich endlich ausbrechen und entfliehen dürfen, ein Traum ging in Erfüllung! Wie lange hatte ich davon geträumt endlich erlöst zu werden? Auf jeden Fall zu lang. Eine Freudenträne lief meine Wange hinunter, viel auf den kalten, nassen Stein Boden, der sich noch unter meinen Füßen befand. Das sollte sich nun ändern!

Mit wild klopfendem Herzen drückte ich meinen Körper über das Geländer, sodass ich angelehnt an ihm stand und nur noch meine Hände lösen musste, um erlöst zu werden. Noch Einmal schloss ich meine Augen, legte meinen Kopf in den Nacken und fing an zu schluchzen. Vögel sangen fröhlich ihre Lieder, wunderschön. Es waren ganz neue Eindrücke die auf mich einwirkten, ich wollte sie nie wieder vergessen und immer weiter erkunden, aber ich musste. Glücklich Lächelnd öffnete ich meine Augen und wollte den letzten Schritt gehen, wurde aber mit solch einer gewaltigen Kraft zurück gezogen, dass ich über das Geländer gezogen wurde und auf dem Boden landete, wobei mein Kopf auf dem Boden aufkam. Schmerzen breiteten sich in meinem Rücken aus, mein Blick verschwamm und kurz sah ich nur schwarz. Als ich wieder etwas erkannte, erblickte ich das monotone Gesicht eines Schutzroboters, weshalb mir Tränen in die Augen stiegen. Ich hatte es nicht geschafft, war nicht entflohen und konnte es vermutlich nie mehr tun. Sie würden mich zu einem Cyborg machen, hätten die volle Kontrolle über mich, konnten mir sagen was ich zu tun oder zu lassen hatte. Wütend schrie ich mir die Seele aus dem Leib, ich konnte eh nichts anderes mehr tun als das, und versuchte um mich zu schlagen, was durch den Roboter aufgehalten wurde. "Stopp ihn und nimm ihn mit. Er ist es...", ertönte eine ruhige Stimme, die nicht so verzerrt klang wie die anderen Roboter Stimmen, eher menschlich. Es war mir egal was nun mit mir passierte, ich hatte den Kampf verloren. Die Maschinen hatten gewonnen, ich hatte verloren, so wie es schon immer vorgesehen war. Langsam verließen mich meine Kräfte, meine Augenlider fingen an zu klimpern und müde schloss ich sie schlussendlich, um in das Land der Träume, Hoffnungen und Wünsche abzudriften. Es lohnte sich nicht mehr zu kämpfen, sie hatten gewonnen.

~1430 Worte

Ich sterbe sowieso... #KürbismaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt