Warum bin ich hier?!

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Ich verschränke die Arme vor der Brust und funkele Frigga an.
„Kalira, es tut mir leid! Es hätte niemals so weit kommen dürfen." „Und warum besteht Odin dann darauf?" ich mache eine ausladende Handbewegung. „Er sagt, da du ein Mitglied der Königsfamilie angegriffen hast, müsse er dich unter Arrest stellen." ich lache auf.
Weil ich auf Thor gesprungen bin?
Wie oft habe ich ihn beim Training zu Boden geworfen?
Vielleicht tausend mal.

Und ich war nicht immer sanft. Und jetzt stehe ich unter Arrest, weil ich ihm auf die Schultern gesprungen bin? „Bitte, Kalira, reg dich nicht auf. Es ist auch für ihn schwer." ich hebe die Augenbrauen hoch: „Was? Einen Feind verloren zu haben? Ein Monster? Ein Ding, das man belügen kann? Eine Enttäuschung? Einen Unruhestifter? Einen Betrüger? Einen Verräter? Welches Wort hat er gewählt?" herausfordernd sehe ich Frigga in die Augen.
Ich sehe, dass sie mit den Tränen kämpft.
„Er sagte... Sohn." stieß sie schließlich hervor.
Ich lache auf.
Sohn! Sohn! Odin nannte Loki seinen Sohn!
Sein eigen Fleisch und Blut?
Seinen Erben?

„Kalira!" leicht panisch sah Frigga mich an. Das letzte mal, als ich so gelacht habe, bin ich umgekippt, aber es ist zu absurd. Odin bezeichnet Loki weiterhin als seinen Sohn, ich sitze in einer Zelle und Thor tanzt da draußen vor Freude oder wie? Warum steht die ganze Welt auf einmal Kopf?! „Kalira, bitte, es ist nur ein halbes Menschenjahr." „Ein halbes Menschenjahr." wiederhole ich trocken. Ein halbes Menschenjahr! Das ist für Götter zwar eigentlich kurz, aber trotzdem eine lange Zeit. „Und was soll ich die Zeit über tun?" wenn ich hier erst einmal drin bleiben soll, kann ich eben so gut mein Herz noch weiter einfrieren. „Lesen?" schlägt Frigga vor.
Ich sehe sie gelangweilt an: „Ich habe schon sehr viele Bücher gelesen. Ein interessantes zu finden, wird nicht leicht werden." prophezeie ich. Frigga lächelt nur. „Was?" „Probiere doch mal midgardianische Literatur." schlägt sie vor. Ich seufze geschlagen auf, dann versuche ich das halt. Es ist ja nur ein halbes Menschenjahr.

Traurig blättere ich zum fünften Mal zurück an die Stelle, an der Loki zum ersten Mal erwähnt wird.
Seite 287 Punkt 33.
Das erste Wort.
Loki.
Ich kenne die Stelle fast auswendig.
Deswegen stört es mich auch nicht, dass die Buchstaben vor meinen Augen verschwimmen. Dieses Buch ist eine interessante Version dessen, was sich in Asgard abspielt.
Es ist nicht das erste Buch, aber das, welches mich am ehesten fesselt.
Diese Edda hat es mir angetan. Ich wusste immer, dass mein Leben eine Ewigkeit ist. Ich wusste aber nicht, wie ewig zwei Tage sein können. Ich kann nur nachdenken, trauern und lesen.
Schlaf finde ich keinen, zu schmerzhaft sind meine Träume und zu viel Angst habe ich vor meiner Fantasie.
Vor meiner düsteren Fantasie, den schmerzhaften Erinnerungen und den rabenschwarzen Blicken in die Zukunft.
Hier drin wäre es unmöglich, Suizid zu begehen. Da draußen hätte ich es schaffen können, es wäre möglich gewesen.
Aber jetzt...?
Ich könnte höchstens an meinem Kummer vergehen.
In aller Einsamkeit vor mich hin siechen und dann irgendwann sterben. Warum tue ich mir das an? Es bringt nichts, darum zu trauern.
Es ist doch schon geschehen.

Ich bin doch bereits gestorben.

„Ich bin doch bereits tot..." murmele ich leise und lasse mich zu Boden sinken, ich bin doch schon vor einem halben Menschenjahr gestorben.
Ich wünschte nur, mein Bewusstsein würde meinem Herzen irgendwann folgen. Nur wird das niemals passieren.

Frustriert streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht, es bringt doch alles nichts.
Mein Körper ist in einer Zelle eingesperrt und ich im meinem Körper. „Warum kann nicht einfach alles vorbei sein?" murmele ich verzweifelt.

Ja, das Kapitel ist kurz, aber ich habe gerade nicht viel mehr zu sagen, außerdem finde ich, es ist ein guter Punkt zum aufhören. Ich glaube, 75% von euch, liegen im Bett und sollten eigentlich schon schlafen...

I hate the way you kill meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt