Mit zitternden Knien drehte Runa sich um. Keinen Moment zu spät, denn genau in diesem Moment hatte der Mann sie erreicht. Seine schwarzen Haare waren zu einem Zopf am Oberkopf geflochten und die Seiten kurz geschoren, er hatte einen schwarzen Drachen am Hals gestochen und seine Augen glänzten schwarz. Mit einem undurchdringlichen Blick starrte er ihr entgegen und sein Mund verzog sich zu einem bösartigen Lächeln als er sein Schwert über den Kopf hob.
Ihre Hände schwitzten und mit größter Mühe gelang es Runa, auch ihr Schwert zu heben. Es war viel schwerer als das Übungsschwert aus Holz und es Verlangte die Kraft beider Arme. Doch es gelang ihr, das hinabsausende Schwert ihres Angreifers abzuwehren.
Durch die Wucht des Aufpralls, taumelte sie einige Schritte zurück. Doch der Fremde setzte ihr sofort nach und sie konnte die Mordlust in seinem Gesicht sehen. Er würde sie töten, da war Runa sich sicher und sofort schoss die Angst in ihren Körper.
Ihr schossen sofort die Ratschläge von Bjorn in den Kopf, die er ihr gegeben hatte als er sie im Schwertkampf unterrichtete. Nicht die Kraft war ihre Stärke, in der Muskelkraft war sie ihrem Gegner deutlich unterlegen, aber Geschicklichkeit und Schnelligkeit war ihre starke Seite. Unmerklich schüttelte sie ihren Kopf, um die letzten lähmenden Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie durfte jetzt nicht an ihre Familie denken und auch nicht an Bjorn. Sie musste jetzt um ihr Überleben kämpfen, denn der fremde Wikinger würde es ihr nicht leicht machen.
Schnell fing sie sich und stelle sich breitbeinig auf um genug Halt zu haben. Mit Argusaugen beobachtete sie ihren Gegner um seine Bewegungen zu studieren. Erneut hob er sein Schwert, doch als er seinen Hieb ausführte, drehte Runa sich schnell nach rechts und wich seinem Schlag aus. Der Schaft seines Schwertes prallte auf den Boden und ein wütender Schrei entkam seiner Kehle.
Das Bjorn aus dem gemeinsam Lager gerannt kam, nahm Runa gar nicht wahr. Ihre volle Aufmerksamkeit lag auf dem Mann vor ihr. Doch bevor Bjorn Runa erreichen konnte, schob sich auch schon der nächste Gegner zwischen ihn und seine Frau.
Runa wich noch weiteren Schwerthieben des Mannes aus, ihre Arme schmerzen bereits, da sie das Gewicht des eisernen Schwertes nicht gewohnt war. Keuchend riss sie erneut ihr Schwert nach oben, um den nächsten Schlag zu parieren.
Durch den Aufprall des Schwertes ging erneut ein zittern durch ihrem Unterarm, doch sie hielt ihre Finger eisen um den Griff. Und dann erkannte sie eine Schwäche in der Deckung ihres Gegners. Dieser wollte erneut seine Arme nach oben reißen um zum nächsten Schlag auszuholen, doch genau diesen Moment nutze Runa. Sie legte ihr gesamtes Körpergewicht und ihre ganze Kraft in ihre Bewegung und stach mit ihrem Schwert geradewegs in die Brust des Angreifers.
Es verwunderte sie, wie leicht die Klinge in den Körper eindrang. Immerhin war es das erste Mal, dass sie bewusst jemanden verletzte, doch ein schmatzendes Geräusch erklang, als sie das Schwert aus dem Körper zog. Die Augen ihres Angreifers hatten sich geweitet und sein Schwert glitt ihm aus den erhobenen Armen und krachte klirrend auf den Holzboden. Blut sprudelte aus der frischen Wunde und Runa konnte schockiert erkennen, wie der Glanz seine Augen verließ und sie matt wurden. Der eben noch kraftvolle Körper fiel vor ihren Augen zusammen und klatschte ungebremst auf den Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Runa den Toten zu ihren Füßen an und stolperte einige Schritte zurück.
Sie hatte einen Menschen getötet. Sie, die niemals jemandem etwas tun wollte. Runa war innerlich zerrissen. Niemals wollte sie einem anderen Menschen willentlich Schaden zufügen, doch dieser Wikinger hätte sie ohne zu zögern in Stücke geschnitten. Dessen war sie sich durchaus bewusst, trotzdem lastete diese Tat schwer auf ihrem Gewissen.
Erst als sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm, besann sie sich wieder und sah sich um. Ihr Blick fand ihren Mann, der gerade sein Schwert aus dem Körper eines toten Mannes zog und dann über den leblosen Körper hinwegsprang, auf sie zu.
„Runa! Bei Odin, bist du verletzt?" seine Augen wanderten über ihren Körper und als er keine Verletzungen erkennen konnte, zu dem Toten vor ihr.
„ich.... Ich hab, ihn... er ist... tot." Stammelte sie verwirrt vor sich und starrte immer noch auf den Mann am Boden.
„Pschhht. Es ist alles gut. Das hast du sehr gut gemacht. Du hast dich nur selbst verteidigt!" beruhigte Bjorn sie. Doch bevor er sie in die Arme nehmen konnte, stürzte ein weiterer Mann auf die Beiden zu. Bjorn riss sein Schwert nach oben und wehrte den Angriff geübt ab. Er schwang ein paar Mal seine Waffe und schließlich ging der nächste Mann tot zu Boden.
Es dauerte nur einige Augenblicke und die Kampfgeräusche hörten auf. Auf dem Boden lagen ein Dutzend toter Männer. Der König stand blutüberströmt und mit seinem Schwert in der Hand vor seinem Thron. Asdis mit ihrer Waffe neben ihm. Sie sah unglaublich aus und Runa betrachtete sie staunend. Auch sie war voller Blut und die Klinge ihres Schwertes fast schon schwarz. Ihre Augen glänzten und in ihrem Gesicht konnte Runa den Triumph erkennen. Sie war die geborene Kriegerin. Eine wahrlich wahrhaftige Schildmaid.
Svan, Kalf und Ivar standen um ihre Eltern herum. Hinter Ivar stand eine verstört wirkende Amelie, die sogleich von Ivar in die Arme gezogen wurde. Er flüsterte ihr einige Worte ins Ohr und drückte die junge Frau eng an sich. Amelie schlang ihre zitternden Finger um seinen Oberkörper und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
Leif und einer der anderen Männer hielten Farfus gefangen. Sie zwangen ihn vor König Eirik auf die Knie. Keiner der ihrigen Männer war getötet worden, erkannte Runa. Erst dann fiel ihr Blick auf einen leblosen Frauenkörper am Rand der großen Halle.
Sirma! Die arme Sklavin war wohl durch die Eindringlinge wach geworden, sie war es auch die als Warnung geschrien hatte. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie königliche Familie bereits auf den unangenehmen Besuch gewartet hatte. Ihre Treue zum König hatte sie diesmal leider mit dem Leben bezahlt. Tränen traten Runa in die Augen, als sie ihren Blick über den Körper der Frau wandern lies. Bjorn folge ihrem Blick und legte einen Arm um Runas Taille um sie an sich zu ziehen.
„Es tut mir leid Runa." Auch Bjorn bedauerte den Tod der Sklavin, denn auch für ihn war sie ein Teil der Familie. Er kannte sie seit er ein kleiner Junge war. Oft hatte sie mit ihm gespielt und ihn versorgt als er noch sehr klein war. Er würde sie schmerzlich vermissen. Doch jetzt mussten sie sich erst einmal mit dem Verräter beschäftigen.
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Im Auge des Wikingers - Bjorn Eirikson
Ficción históricaKalte Winde gepaart mit steiniger und bracher Landschaft konnte man im alten Dänemark antreffen. Bjorn Eirikson war dort als erstgeborener Sohn König Eiriks auf die Welt gekommen. Gemeinsam mit seinem Vater zog er auf gefährliche Raubzüge übers Meer...