Verfolgungsjagd

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Floki saß in seinem Versteck, als endlich Bewegung ins Spiel kam. Er bemerkte den sich schnell bewegenden Schatten sofort. Dieser huschte vom Langhaus direkt zu den Ställen. Floki wusste, was dieser dort vorfinden würde. Lächelnd erinnerte er sich, was Bjorn ihm eröffnete, als er ihn in ihren Plan einweihte.

Wenn Farfus Mann loseilen würde, wird sein erster Weg in direkt in die Ställe führen. Doch dort sollen ihn nicht die gewohnten Pferde erwarten, sie würden alle Pferde verstecken. Weitab vom Dorf in Flokis Werkstatt. Zurückbleiben würden nur insgesamt fünf Pferde. Vier davon ebenfalls vor den Gästen versteckt in einem der kleinen Hütten am Waldrand. Es würden die vier schnellsten Pferde im Gestüt des Königs sein. Eines davon für Floki, eins für Bjorn und Leif und das vierte davon für Ivar. Sie würden Farfus Mann verfolgen, dieser würde jedoch im Stall des Dorfes nur noch ein einziges Pferd vorfinden. Ein sehr langsames Pferd. 

Um bei der Verfolgungsjagd nicht auf zu fallen, würde dieses einzelne Pferd noch präpariert werden. In den Festgebundenen Satteltaschen würde eine große Flasche versteckt. An deren unterem Ende hatte Sigi ein Loch hineingearbeitet und die Flasche mit einem etwas dickflüssigem rotem Trank gefüllt. Wenn Farfus Handlanger mit dem Pferd aus dem Stall reiten würde, würde er das Loch aufreißen, den Sigi hatte einen Pfropfen in der Flasche angebracht und diesen mit einem dünnen Faden an einem der Holzwände festgebunden. So würde nach und nach etwas Flüssigkeit aus der Flasche auf den Boden tropfen und den Wikingern so eine Spur auslegen, der sie in einem kleinen Abstand folgen konnten. So würden sie nicht entdeckt werden, aber auch nicht zu weit zurück fallen um eventuell die Spur zu verlieren oder zu spät am Versteck von Runas Mutter auftauchen um ihr das Leben zu retten.

Flokis grinsen würde größer, als er sah, wie Farfus Mann unterwegs zu den Ställen war, es dauerte nicht lange, dann war er in diesem verschwunden. Keinen Augenblick später konnte er erkennen, das aus dem Haupteingang des Langhauses zwei Männer traten, die in ihrer Mitte einen wild um sich schlagenden Farfus mit zogen. Es waren der Schmied und Leif, letzterer holte mit der Hand aus und ließ sie auf den feindlichen Wikinger niedersausen. Dieser sackte sofort in sich zusammen, Leifs Schlag musste außerordentlich stark gewesen sein, wenn ein Bär wie Farfus so schnell bewusstlos wurde. Erneut verzogen sich Flokis Lippen zu einem Lächeln. 

Nun trat der Wikinger, der zu Farfus Männern gehörte aus dem Stall, in der Hand hielt er die Zügel der kleinen, braunen Stute, die Bjorn zusammen mit Sigi dort für ihn bereitgestellt hatten. Schon kam Bewegung in Flokis kalte Knochen und er begab sich leise zu der Hütte, in der sein Pferd auf ihn wartete.

Es dauert nicht lange und schon kamen auch die anderen vier Wikinger in die Hütte. 

"Na dann mal los! Möge Odin auf unserer Seite sein!" Bjorn nickte seinen Freunden zu und schwang sich auf sein Pferd. 

Ivar, Leif und Floki taten es ihm gleich und gemeinsam ritten sie aus der Hütte, in die Richtung, die zuvor Farfus Mann genommen hatte. Die rote Spur war sogar in der Dunkelheit der Nacht gut zu sehen und machte es den Wikingern einfach, dem davonreitenden Mann unbemerkt zu folgen. Ihnen war bewusst, dass es durchaus ein weiter und langer Ritt werden könnte, immerhin war Runas Heimatdorf einige Tagesreisen von Harvardstad entfernt. Und so konnten sie vorerst nur hoffen, dass Fafus Mann den Trick mit der Farbe nicht bemerkte.

Stunde um Stunde verging doch die vier Wikinger jagten unermüdlich ihrer tropfenden Spur hinterher. Die Sonne begann bereits ihre ersten Strahlen durch die Stämme der umliegenden Bäume zu werfen und der morgendliche Tau glitzerte in dem rötlichem Licht. Mittlerweile konnten sie den davonreitenden Mann dann und wann am Horizont reiten sehen, sein Pferd musste mittlerweile durchaus erschöpft sein. Immerhin war es bei weitem nicht mehr das Jüngste. Doch immer dann, wenn der Reiter in ihr Blickfeld geriet, ließen Bjorn und seine Begleiter ihre Pferde ein wenig an Tempo verlieren. Das schonte nicht nur ihre Pferde, sondern stellte sicher, dass sie nach wie vor unbemerkt blieben. 

Der Tag zog sich in die Länge und die Körper der Männer lechzten nach einer Pause, doch solange auch der Verfolgte keine Pause einlegte, konnten und wollten die Wikinger selbst auch keine machen. Mittlerweile berührte die Abendsonne die Berge am Horizont und der Himmel wurde in ein lilanes Licht getaucht. Hätten sich Bjorn, Leif, Ivar und Floki nicht auf die Verfolgung konzentrieren müssen, hätten sie dieses prächtige Farbenspiel am Himmel sicher mit Freude beobachtet. Doch Bjorns Blick lag immer noch verbissen auf dem kleinen schwarzen Punkt am Horizont. Er war wild entschlossen, Runas Mutter zu retten und seine Frau glücklich zu machen. Er wollte verhindern, dass sie einen Teil ihrer Familie verlor, bevor sie ihn überhaupt zurück bekommen hatte.

Im Ritt tranken die Männer aus den mitgeführten Flaschen ihr Wasser und stopften sich manchmal etwas Trockenfleisch in den Mund, um dann langsam darauf herum zu kaufen. Es mussten nun schon die meisten ihrer Knochen im Körper schmerzen und die Muskeln waren sicher auch schon ziemlich verspannt, doch es kam ihnen kein beschwerender Laut über die Lippen. Alle vier Männer saßen verbissen auf ihren Pferden und ritten wie der Teufel über die karge Landschaft. Dann tauchten am dunklen Nachthimmel die ersten sich bewegenden Lichter auf. In wundervollen grün, gelb oder lila Tönen durchzogen die Lichter wellenartig den Himmel und verliefen in wild zuckenden Bewegungen bis zum Horizont. Es war ein wundervoller, seltener Anblick, der von den Verfolgern als gutes Zeichen für ihre Unternehmung gewertet wurde.

Die Polarlichter wurden bei ihrem erscheinen immer als Zeichen Odins gedeutet, der seinen Kriegern Mut machen wollte. Zufriedenheit durchströmte Bjorn, es tat gut zu wissen, dass Odin auf ihrer Seite war. Er würde es schaffen, zusammen mit seinen engsten Freunden. Sie würden gemeinsam Runas Mutter retten und die Familie wieder vereinen.

Im Auge des Wikingers - Bjorn EiriksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt