Pete ist sehr viel stärker als ich und das ganze geschieht so plötzlich, dass ich mich nicht wehre, sondern gerne wieder seinen Duft von Sommerfrische einatme. Mit leicht angepissten Ton knurrt er: "Ich verstehe. Du treibst deine Spielchen mit mir. Ich soll dir nachlaufen. Habe ich recht?"
Jap. Genau das ist mein Plan gewesen. Doch das werde ich ihm ganz sicher nicht auf die Nase drücken, aber da spricht Pete ohnehin schon weiter.
"So wie deine anderen Sklaven, wenn du deine Stimme einsetzt, ja?" Sein Knurren ist bedrohlich und auch sein Griff schmerzt. Seine ganze Haltung strömt gerade so viel Macht und Gewalt aus, dass ich kein Wort herausbekomme und nicht anders kann als mir einzugestehen, dass ich gerade Angst vor ihm bekomme.
"Oder hat dich jemand geschickt?"
Ich ziehe den Kopf ein, weil ich bereits seine Hand gesehen habe, die ausholt um mich zu schlagen. Doch der Schlag bleibt aus. Stattdessen fasst er mich am Hals, um meinen Kopf so zu drehen, dass ich ihn ansehen muss. Im selben Moment realisiere ich seine Worte, die ich nicht verstehe. Wer soll mich geschickt haben?
"Also, hat dich? Nein? Oder doch?" Pete mustert mich skeptisch und ich befürchte, das ist der Zeitpunkt, wo ich unbedingt meinen Mund wieder aufbekommen muss. Meine sexuelle Lust ist jedenfalls gerade weg. Dafür ist er gerade viel zu gruselig.
"Mich hat niemand geschickt", zische ich und presse sofort wieder die Zähne aufeinander, während er mich weiter fixiert, als würde er tatsächlich diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Das ist doch krank und trotzdem nimmt er es viel zu ernst.
"Warum sollte ich dir glauben?"
"Warum sollte mich jemand schicken?", frage ich zurück.
"Als Ablenkung? Um mich mittendrin anzugreifen?" Pete meint das ernst und ich warte nur darauf, dass er hinzufügt, um ihn zu töten, doch das bleibt aus.
"Warum sollte das jemand wollen?", fauche ich. "Lass mich endlich los!"
Tatsächlich lockert er seinen Griff und ich winde mich blitzschnell heraus, um ein paar Schritte nach hinten zu stolpern. Dabei gerate ich gegen das Regal voller Pappkartons, das bedrohlich wackelt, aber glücklicherweise nicht umfällt.
Pete lässt mich keinen Moment aus den Augen. Sein Blick ist verhärtet und noch immer macht mir seine Haltung Angst. Das ist eine Seite von ihm, die erschreckend mächtig zu sein scheint. Zumindest wirkt es nicht so, als würde er davor zurückschrecken, mich zu töten. Was zur Hölle? Mir steigen sogar Tränen in die Augen, so geschockt bin ich gerade, und ich versuche alles, sie wegzublinzeln. Aber die Wahrheit ist, dass ich gerade einfach überfordert bin. Die Stadt ist vielleicht doch gefährlicher, als ich Landei gedacht habe.
"Entschuldige", murmelt Pete und versucht zwar, wieder normal zu wirken, aber ich sehe doch, wie er noch immer im Kampfmodus ist. Selbst wenn er lächelt. "Man kann nie vorsichtig genug sein. Die Zeiten sind unruhig geworden."
"Hä?"
"Eine Gruppe Jäger sind in der Stadt, du solltest vorsichtig sein."
"Hä?" Ich verstehe gar nichts mehr.
Pete runzelt die Stirn. "Ähm. Jäger? Die Typen, die Übernatürliche jagen? Also auch Sirenen? Wenn sie dich erwischen, töten sie dich. Das weißt du aber, oder?"
Nein? Also meine Großtante hat mir schon erklärt, dass dort draußen einige Gefahren lauern, weshalb ich niemals verraten solle, was ich bin. Das würde Menschen durcheinander bringen und ängstigen, und verängstigte Menschen sind das gefährlichste, was die Erde zu bieten hat.
"Du weißt aber, dass du eine Sirene bist, um mal bei null anzufangen?", spricht Pete langsam weiter und schmunzelt dann. "Also falls du mich ablenken solltest, gelingt dir das gerade ganz gut."
"Ich wurde von niemanden geschickt!", rufe ich laut, weil das das einzige ist, wo ich mir im Moment wirklich sicher bin. "Und ich weiß, was ich bin!"
"Ich traue dir nicht."
"Du scheinst niemanden zu trauen." Ich kann nicht anders, als gereizt zu sein. In meinem Kopf kreisen noch mehr Fragezeichen herum als dass ich auf irgendeine Weise befriedigt worden wäre - ob mit Sex oder mit Erklärungen. Außerdem wird mir kalt, so nackt wie ich bin, und die Erschöpfung des langen Tages macht sich auch bemerkbar.
Pete neigt seinen Kopf und hat damit seine Bedrohlichkeit abgelegt. Die Schultern sind gesenkt und er wirkt ein wenig angeschlagen. Wäre ich tatsächlich von jemanden geschickt geworden, wäre das ein Moment, in dem man ihn angreifen könnte - aber das wurde ich ja nicht.
"Ich traue tatsächlich niemanden", gibt Pete zu und klingt dabei überraschend ehrlich. "Weder meiner Familie noch Fremden wie dir. Allerdings, da ich das Gefühl habe, bei dir dreht sich alles immer um Sex, beantworte ich dir noch etwas: auch dort traue ich niemanden. Ich habe Keuschheit geschworen und so leicht bringst du mich nicht dazu, einen Schwur zu brechen. Egal, ob du nackt vor mir stehst oder nicht."
"Das heißt, du bist Jungfrau?"
"Was?" Pete lacht. "Nein."
Darf man doch mal fragen, oder? Ein Schwur um Keuschheit klingt nach etwas Religiösem, wobei mir Pete so nicht vorkommt. Ich meine, alles an ihm hat Sexappeal und es ist nicht nur sein gutes Aussehen. Es ist auch seine Körperhaltung. Wie er sich bewegt, wie er spricht und wie er lacht. Er flirtet. Ständig. Vielleicht unterbewusst, aber er flirtet.
"Ich glaube nicht mehr, dass dich jemand geschickt hast", brummt er auf einmal und kommt einen Schritt näher. Mein Herz macht einen Hüpfer. Allerdings versuche ich cool zu bleiben, obwohl seine Nähe mich wieder aufleben lässt. Prompt werde ich feucht, mein Körper reagiert ganz automatisch.
Er dagegen spricht weiter: "Denn dann hätte jemand vergessen dich über ein wichtiges Detail aufzuklären. Finde ich allerdings amüsant so."
"Hä?" Ich ziehe meinen Kopf zurück, als er mich am Kinn berühren will. "Was soll das jetzt wieder heißen?"
"Nichts, nichts." Pete schmunzelt und leckt sich über die Lippen. Verflucht sei, dass meine Sirenenstimme bei ihm nicht funktioniert. Er hat sich zu mir gebeugt und sein Gesicht ist so nah, dass alles in mir ihn berühren will und zwar überall. Ich denke an seinen seltsamen Schwur, an seine Keuschheit. Die kann er vergessen, wenn er so ...
Ruckartig richtet er sich auf und entfernt sich lachend.
Ich schrecke aus meinen Sexfantasien auf. Kälte umgibt mich, als er so fern ist und mich belustigt angrinst. Empört kreische ich: "Du Arsch!"
"Spielchen gegen Spielchen", behauptet Pete und zwinkert mir frech zu. Er lehnt entspannt gegen das Regal und betrachtet mich von oben herab. Seine Überheblichkeit regt mich langsam echt auf.
Nur beschleicht mich das Gefühl, dass sein Gehabe, er würde höher als andere stehen, vielleicht sogar der Wahrheit entspricht. Dafür sprechen nämlich drei übernatürliche Gründe.
Erstens, er widersteht meiner Sirenenstimme. Zweitens, er hat mir auf dem Campus Atemnot beschert. Und drittens, als er jetzt den Finger hebt, um auf die Tür zu zeigen, öffnet sie sich von Geisterhand und kühler Wind weht in die Richtung, als wolle die Luft mich dorthin zerren.
Pete lächelt noch immer und bestimmt: "Geh jetzt, Ana."
DU LIEST GERADE
SIRENEN | Band 1: ANA
FantasyAna ist eine Sirene - mit ihrer Stimme kann sie jeden verführen und das nutzt sie aus: ständig hat sie Sex. Mit wem, wann und wo sie will. Sie liebt dieses Leben. Bis sie Pete trifft. Der neue Nachbar ist immun gegen ihren Sirenengesang, aber das is...