15 Zu viel Neugier

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Als ich am nächsten Morgen aufwache, friert es mich. Meine Lippen sind trocken und zittern, als ich mich auf dem kühlen Laken drehe. Der weiche Stoff raschelt unter meiner Bewegung, als ich langsam wach werde. In meinen Wimpern klebt noch Schlaf und Schminke, als ich blinzle und die Sonnenstrahlen beobachte, die tief in den Raum hereinscheinen. 

Nackte Füße schleichen sich federleicht über die dunklen Dielen. Staub schwebt in der Luft, als ich mich etwas strecke und in die Richtung der fremden Geräusche schaue. 

Dort ist eine junge Frau, die hastig Kleidungsstücke vom Boden aufsammelt. Ich erinnere mich an ihren Namen und an den Geschmack von Erdbeeren. Es ist Mei mit ihren pechschwarzen Haaren, die nun ihren Körper unter der Uniform des Pizzalieferdienstes versteckt. Als sie sich zur Tür aufmacht, dreht sie sich zu mir um und bemerkt meinen wachen Blick.

Ich lächle und bin dankbar für diese wunderbare Nacht.

Mei zieht kurz eine Grimasse, die nur mit etwas Fantasie einem Lächeln ähnelt. Dabei ist sie blass und scheint genauso zu frieren wie ich. Leise wispere ich: "Nicht so negativ, Mei."

"Ich ..." Sie zögert. "Ich ... was war das letzte Nacht? Ich meine, es war wundervoll, aber ... das war nicht ich."

Ich richte mich auf und die Bettdecke rutscht von meinem nackten Körper. Dort sind Spuren zu sehen, von der Peitsche, von den Handschellen, von Meis Lippen. 

Sie blickt auf meine Brüste und ich beuge mich leicht vor, als ich flüstere: "Natürlich warst das du. Ich habe dir nur geholfen, die Schale eines braven Mädchen abzulegen. Und du darfst jederzeit wiederkommen, um sie erneut abzulegen und du selbst zu sein."

Mei mustert mich. Ihre Augen sind groß und dunkel, so als könne man sich in ihnen für immer verlieren. Sie verdient ihre Schüchternheit nicht und doch stülpt sie diese jetzt über, als sie aus meinem Apartment eilt und mich alleine lässt.

Es stört mich nicht, denn ich schlüpfe in einen kuschligen Pullover, mit dem ich noch ein paar Stunden weiter schlafe. Auch danach lasse ich den Tag entspannt beginnen. Die Nacht mit Mei hat mich entspannen lassen und summend räume ich auf, esse die Pizzareste und überlege, ob ich etwas fürs College erledige, entschließe mich allerdings dagegen. Stattdessen überlege ich, wer Pete Katsaros sein könnte. Und so befrage ich Google - oder, um ehrlich zu sein, befrage ich Ecosia, um gleich noch ein paar Bäume zu pflanzen.

Es gibt tatsächlich ein paar, die genauso heißen, allerdings scheinen die alle wer anders zu sein. Nicht nur, weil niemand von ihnen so sexy wie mein Nachbar ist. Dieser ist auf der Homepage des Colleges kurz aufgelistet als Tutor, jedoch ohne Bild und ohne Möglichkeit, mehr über ihn herauszufinden. Dafür weiß ich jetzt, dass Katsaros ein winziger Ort in Griechenland ist, der überwiegend aus Ferienwohnungen besteht. 

Die Suche befriedigt mich nicht, nein, eher frustriert sie mich noch eher. Wie kann ein Mensch wie Pete Katsaros so unauffindbar sein? Nur über Instagram finde ich letztendlich noch ein Bild von ihm, wo ihn irgendeine andere Studentin aus der Ferne anhimmelt und einen Hashtag in seinem Namen gesetzt hat. Es sieht mehr aus wie das Foto eines Paparazzi. 

Hm. Ich überlege.

Auf dem Campus scheint Pete bekannt zu sein, wenn man Max Glauben schenkt. Der hat ja gemeint, Pete sei so etwas wie der beliebteste Kerl. Müsste so ein Kerl nicht außerhalb des Campus irgendwie bekannt sein? Oder zumindest ein Profil bei LinkedIn haben? Karriereinteressiert scheint er ja zu sein. 

Während ich meine Gedanken treiben lasse, starre ich aus dem Fenster. Ich sehe bis hinunter zur Straße, wo in diesem Moment Pete aus dem Gebäude tritt. Er trägt nur ein weißes T-Shirt, keinen Anzug, und schlendert den Gehweg hinab. Nicht Richtung Campus, sondern in Richtung Innenstadt. Was hat er vor? 

SIRENEN | Band 1: ANAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt