Die nächsten Tage und Wochen vergehen träge und gleichzeitig doch viel zu schnell. Zum einen ziehen sie sich endlos in die Länge und ich weiß auch, warum: ich sehe Pete nicht. Keine Ahnung, was der treibt, aber seine Übungen sind mehrfach ausgefallen und es wirkt auch noch so, als sei er ausgezogen, obwohl sich zumindest sein Namensschild an der Tür nicht geändert hat. Wobei ich befürchte, es könnte sich jeden Moment ändern und dann wohnt da jemand Neues. Jemand, der nicht Pete ist und ich sehe ihn nie wieder.
Zum anderen verfliegen die Tage, zumindest so im Nachhinein. Ich habe verdammt viel Sex. Genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte, als ich beschlossen habe, aufs College zu gehen. Viele Männer, manchmal dieselben, aber einfach nur viele. Manchmal auch Frauen. Und meistens an verrückten Orten. In der Uni (bald habe ich alle Hörsäle durch), auf dem Campusgelände, in verschiedenen Wohnungen und vorgestern auch auf der Polizeistation, nachdem mich ein Polizist wegen Nudity festgenommen hat. Habe seinem (nicht so ekligen) Kollegen einen Blowjob gegeben, wir haben in der Zelle gefickt und ich bin zufrieden aus dem Präsidium abgehauen. Kann man schon mal so machen.
Heute geht es dafür nach Hause, in die Heimat. Thanksgiving steht an und dann gibt es in unserer Familie keinen Truthahn, aber meine Großtante macht die beste Lasagne, die es nur gibt. Außerdem kann ich sie dann mal persönlich ausquetschen, was für ein übernatürliches Wesen Pete Katsaros sein könnte.
Ich packe gerade meine Sachen zusammen, die ich fürs Wochenende brauche, als es an der Wohnungstür klingelt. Was seltsam ist, weil ich niemanden erwarte, aber auch nicht so seltsam, weil es inzwischen durchaus möglich ist, dass mich jemand spontan besucht, wenn er Bock auf ne Runde Sex hat. Darum richte ich auf dem Weg zur Tür rasch ein wenig meine langen blonden Haare, zupfe mein Shirt etwas glatt und öffne.
Da steht niemand, den ich kenne.
Zwei Männer stehen vor mir, schwarze Kleidung, dicke Jacken und sie tragen einen Gürtel, der nur so danach schreit, dass sich an ihm eine Waffe befindet, auch wenn man die nicht sofort sieht. Dazu tragen sie Sonnenbrillen, obwohl es gar nicht so hell ist, und es steckt auch etwas in ihren Ohren. "Ähm. Hallo?"
"Sind Sie Ana?"
"Kommt darauf an."
Die beiden Männer tauschen einen Blick aus. Einer von ihnen, er hat eine krumme Nase und erinnert mich an das Klischee eines Boxers, nickt leicht und gibt damit wohl ein Kommando, was ich erst einen halben Herzschlag später kapiere. Nämlich dann, als beide eine Waffe zucken - mit Schalldämpfer - und sie auf mich halten.
Perplex hebe ich die Arme und als sie auf mich zugehen, stolpere ich nach hinten in mein Apartment. Der Boxer schließt hinter sich die Tür, während der andere mich nicht aus den Augen lässt (vermute ich jedenfalls, mit der Sonnenbrille ist das schwer zu sagen).
"Ähm, was zur Hölle?", sage ich. Vermutlich sollte ich Angst haben oder in Panik verfallen, aber gerade bin ich einfach nur überfordert und wütend und auf Adrenalin. Mein Körper zittert auch gar nicht, sondern ist bereit, einen der beiden anzuspringen und um sein Leben zu kämpfen. Die Energie pulsiert in mir.
Die beiden antworten nichts. Das stört mich auch.
Stattdessen tritt der Boxertyp, der wohl der Boss der beiden ist, noch näher auf mich zu und hat dabei in seiner linken Hand noch etwas, was er versucht vor mir zu verbergen.
"Ähm." Ich habe die Augenbrauen gehoben. "Was wollt ihr von mir? Wollt ihr Sex haben? Können wir haben. Double Penetration. Kein Ding. Oder einzeln. Mir egal. Aber könnt ihr die Waffen weglegen. Wobei das schon irgendwie sexy ist." Ich rede mit meiner Sirenenstimme, aber das scheint den Kerlen nichts auszumachen. Scheiße. Sind da draußen etwa noch mehr Leute wie Pete, die einfach immun gegen mich sind?
Plötzlich reißt der Boxer seine linke Hand hoch und will auf mich einstechen. Ich reagiere zum Glück. Weiß nicht, woher dieser Reflex kommt, aber ich versuche, seinen Arm wegzuschlagen. Er erwischt mich trotzdem mit etwas Spitzem. Aber ich treffe ihn auch und schlage seine Sonnenbrille vom Kopf und ich glaube, eines der Dinger in seinen Ohren ist auch runter gefallen und ist viel größer, als ich dachte. Ohrstöpsel! Na klar ist der immun gegen mich, wenn er mich nicht hört. Aber jetzt tut er das und er stolpert erschrocken zurück, als er das auch bemerkt.
"Fick mich!", kreische ich.
Sein Blick, gerade noch auf das in seiner Hand - ein Dolch, dessen Klinge sich grünlich färbt (wtf eigentlich?), wandert jetzt zu mir herüber. Und jetzt, wo ich seine Augen sehe, sehe ich auch, dass er absolut nicht mehr immun ist. Ich grinse. "Aber bevor du mich fickst, rette mich vor deinem Kollegen."
"Nein!" Der Kollege schießt. In meine Richtung.
Scheiße. Dafür sind meine Reflexe dann nicht mehr so gut. Aber die von dem Boxer. Und der wirft sich in die Flugbahn. Und fängt die Kugel ab.
Ich kreische. Und schreie. Und starre auf den Körper, der vor mir auf meinem Teppich landet und blutet und stirbt und ... scheiße!
"Du Monster!", brüllt der Kollege mich an. Die Waffe ist auf mich gezielt und vermutlich drückt er jeden Moment ab. Hat er ja gerade eben schon getan. Warum sollte er es jetzt nicht tun? Jetzt bin ich nicht nur ein Monster, sondern auch eine Zeugin.
"Du bist das Monster", antworte ich und fühle nichts dabei. Ich glaube, ich stehe unter Schock. Aber alles fühlt sich völlig absurd und unrealistisch an, dass ich einfach aufhöre zu fühlen und zum Roboter werde. "Du hast gerade jemanden erschossen."
"Nein. Du bist das Monster, du bist eine Sirene."
"Ja und?"
"Du gibst es zu?"
"Und du kannst mich hören", erwidere ich in meiner Sirenenstimme. Was leider nichts bringt. Scheinbar sind diese Ohrstöpsel so eine Art Filter? Kann es so etwas geben? Und viel wichtiger, wie überlebe ich diese Scheißsituation?!
"Du kannst mir trotzdem nichts antun!" Er grinst leicht. Als habe ich das nicht selbst schon bemerkt. Ich verdrehe die Augen und erwidere:
"Also seid ihr diese Monsterjäger, von denen alle reden? Ich dachte irgendwie nicht, dass es euch tatsächlich gibt. Ich meine, ist das nicht ein engstirniges Weltbild? Warum sollte ich ein Monster sein? Und was ist das für eine Moral? Als hätte ich mir ausgesucht, eine Sirene zu sein. Ich hab einfach nur gerne Sex."
"Du bist kein Mensch."
"Na und? Ist mein Nachbar auch nicht, aber macht ihn das automatisch zum Monster?"
"Was?"
"Und sind Menschen nicht selbst auch Monster? Ich meine, wenn man sich die Geschichte der Menschheit so ansieht, kommt ihr definitiv nicht gut weg. Niemand ist perfekt."
"Was?"
"Man muss auch gar nicht historisch werden. Es reicht ja schon, sich mal die Nachrichten anzusehen. Wir zerstören den Planeten, minderjährige Einwanderer aus Südamerika werden behandelt wie damals die Juden im KZ und für den ganzen Krieg im Nahen Osten kann man eigentlich auch uns Amerikanern die Schuld geben. Oh, und all die Menschen, die ständig verhungern, weil andere Menschen es gerne möglichst bequem haben."
"Was?"
"Ich mein ja nur. Ich finde nicht, dass ich das Monster bin, nur weil ich Sex habe."
"Du vergewaltigst Menschen."
"Machen viele. Kommen die dafür ins Gefängnis? Meistens nicht. Und du willst mich dafür gleich erschießen? Dafür kommst du doch viel länger ins Gefängnis als ich."
"Was?"
"Du bist echt dämlich, oder?"
"Was?"
"Okay, ja, du bist echt dämlich. Erschießt du mich jetzt oder haben wir Sex?"
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SIRENEN | Band 1: ANA
FantasyAna ist eine Sirene - mit ihrer Stimme kann sie jeden verführen und das nutzt sie aus: ständig hat sie Sex. Mit wem, wann und wo sie will. Sie liebt dieses Leben. Bis sie Pete trifft. Der neue Nachbar ist immun gegen ihren Sirenengesang, aber das is...