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Das kann mein Onkel unmöglich ernst meinen. Perplex sehe ich ihn an, was die abendliche Sonne New Yorks und die riesigen Fenster etwas schwierig gestaltet. Die Augen zusammengekniffen, versuche ich, meine Mimik trotzdem raushängen zu lassen.
„Komm schon, Katie, du arbeitest hier. Du kannst das, andernfalls würdest du das ja wohl kaum studieren."
Ich stöhne. In Hinblick auf das Studium hat er vielleicht recht, aber das war es dann auch schon.
„Es ist trotzdem was völlig anderes, Jim."
Der Bruder meines Vaters lacht und wieder fällt mir auf, wie ähnlich sie sich sind. Sie könnten beinahe Zwillinge sein.
Allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass seine Idee absolut bescheuert ist.
Mit den Händen fahre ich mir durch die schwarzen Haare. „Ich mach das nicht. Kannst du vergessen."
Eine Augenbraue hochziehend, mustert mich Jim. „Millionen von Mädchen würden für diesen Job Sterben..."
„aber wir sind hier nicht bei der Teufel trägt Prada, sondern in deinem Fotostudio. Eines der besten, die New York momentan hat. Und ich glaube, kein Weltstar möchte von einer Studentin fotografiert werden."
Jim geht zu seinem Schreibtisch, die Augen auf mich gerichtet und holt meine Mappe hervor. Ich stöhne, weil ich genau weiß, was er macht.
Er holt das Bild von einer Sängerin raus, die ich auf einer Dachterrasse bei einem Sonnenuntergang fotografiert habe. Die Sonne scheint wunderbar in ihr Gesicht, ihre blonden Locken wurden vom Wind perfekt in Szene gesetzt und der Hintergrund hat ein tiefes Orange. „Du kannst das also nicht, Katie?"
Mit dem Zeigefinger kratze ich an meiner Nase. Eine typische Geste für mich, wenn ich einfach nur Zeit sparen will. Obwohl es ziemlich wenig Sinn macht. Zwei Sekunden sind schließlich nicht die Welt. „Ich überlege es mir."
Jim lächelt dankbar. Die Ladentür klingelt und mein Halbbruder Spencer betritt den hell erleuchteten Raum. „Tagchen. Dein persönlicher Taxi Dienst ist da."
Er schmeißt seinen Autoschlüssel in die Luft und fängt ihn wieder auf.
Zur Begrüßung strecke ich ihm die Zunge raus. Spencer verdreht die Augen, dann geht er auf Onkel Jim zu, um ihn zu begrüßen. „Du kannst deiner Schwester..."
„Halbschwester.", unterbrechen Spencer und ich ihm Chor, was Jim aufstöhnen lässt.
„...deiner Halbschwester sagen, dass sie den Auftrag gefälligst annehmen soll."
Er schlägt die Mappe zu. „Und jetzt ab nachhause mit dir. Morgen früh erwarte ich eine Antwort von dir."
Wir verabschieden uns voneinander und Spencer und ich laufen auf die Straße zu seinem Auto.
Mein Vater ist in zweiter Ehe mit meiner Mutter verheiratet, aus seiner ersten Ehe stammt Spencer. Er ist sechs Jahre älter als ich und laut der Erzählungen, war er auch gar nicht so glücklich mit meiner Geburt.
Seine Mutter hat sich von unserem Vater getrennt, als er drei war. Ein Jahr später hat Dad meine Mutter kennengelernt, ein weiteres Jahr später haben die beiden geheiratet. Tja, das Jahr darauf kam dann auch schon ich. Meine Mom war zu dem Zeitpunkt vierundzwanzig, deswegen haben wir nämlich noch ein Geschwisterkind. Gabriella ist gerade zehn geworden, ziemlich frech aber dennoch süß. Kurioserweise sehen wir unserem Vater alle sehr ähnlich - wir alle haben schwarze Haare, braune Augen und die gleichen, vollen Lippen. Meine Mutter ist der krasse Gegensatz dazu, da sie blonde Haare und blaue Augen hat.
Während Spencer alle Gesichtszüge von Dad abbekommen hat, haben Gabriella und ich immerhin die Gesichtszüge unserer Mutter.
„Welchen Auftrag sollst du denn annehmen?"
Mein Halbbruder geht um den Nissan Rogue herum. Obwohl wir die ersten paar Jahre nicht besonders gut miteinander klarkamen, sind wir mittlerweile ein eingespieltes Team. Seit Spencer zehn ist, lebt er nämlich bei uns, da er sich mit dem neuen Mann seiner Mom und den Stiefgeschwistern nicht so gut versteht.
„Ich soll Shawn Mendes fotografieren.", über das Autodach hinweg, werfe ich ihm einen verzweifelten Blick zu, dann lasse ich mich auf den Sitz gleiten und schlage die Tür zu.
„Den There's Nothing Holdin Me Back Shawn Mendes?"
Ich nicke. Spencer startet den Wagen, setzt den Blinker und fährt los. „Mach doch. Was ist schon dabei."
Keiner scheint mich zu verstehen. Dabei weiß ich selbst nicht mal so genau, was mein Problem ist. Es ist einfach die Tatsache, dass es Shawn Mendes ist. So große Aufträge haben bisher nur die Kollegen mit den meisten Kunden bekommen, die, die schon jahrelang Erfahrung haben. Ich bin bloß eine neunzehnjährige Studentin, die noch unbekannte Sänger und Schauspieler fotografiert hat. Jetzt Shawn Mendes zu fotografieren, würde meinem Lebenslauf natürlich gut tun - aber nur wenn Shawn mit den Fotos zufrieden ist.
„Was ist, wenn ich scheiße baue? Also so richtige scheiße.", sage ich schließlich, was Spencer ein lachen entlockt.
„Dann scheiß drauf. Dann ist er ein blöder Kunde."
Seufzend sehe ich meinen Halbbruder an. „Ich soll also Zusagen und drauf scheißen?"
Wir müssen beide lachen. Mit der Hand haut er auf das Lenkrad. „Genau das. Du sagst Onkel Jim morgen zu... frag ihn doch schon mal nach der Location und dann fragst du Jenny oder Chase ob sie mit dir üben wollen. Wird schon schief gehen, Kate."
Spencer ist einer der wenigen, die mich tatsächlich Kate nennen. Eigentlich heiße ich Katherine, als Kind wurde ich immer Katie oder Kat genannt und irgendwie hat sich das so eingebürgert. Aus irgendeinem Grund finde ich, dass sich Kate erwachsener anhört, deswegen heißt auch meine Website so, genau wie meine Social Media Kanäle. Auf der Uni hab ich mich den meisten als Kate vorgestellt (die dann häufig die Frage stellen „Kate wie Kate Middelton"), aber von der Verwandtschaft und den engsten Freunden werde ich eben Katie genannt. Das wird wohl auch so bleiben. Außer vielleicht von meiner Grandma. Die nennt mich konsequent Katherine.
Mein Blick richtet sich nach draußen, als wir in unsere Straße einfahren. Vermutlich hat er recht. Wird schon schief gehen.
Wir öffnen die Tür und hören sofort, dass Mom mit Gabriella diskutiert. „Ella, es ist bloß ein Mini kleiner Aufsatz. Hör auf so zu tun, als würde es stundenlang dauern."
Spence schließt die Tür hinter sich und ruft: „Ja genau, Ella! Mit deiner Diskussion wird es stundenlang dauern, aber sonst gerade mal zwanzig Minuten."
Mom klatscht in die Hände. „Siehst du! Er versteht was ich dir sagen will."
Sie kommt auf uns zu, drückt Spence einen Kuss auf die Wange und kommt dann zu mir.
Glücklicherweise verstehen sich die beiden ziemlich gut. „Katie, ich hab die Neuigkeiten von Onkel Jim schon gehört."
„Was?", ich verdrehe die Augen. Das ist so typisch Onkel Jim, dass ich brechen könnte. „Ich hab noch gar nicht zugesagt."
„Kind, bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Das ist deine Chance."
Mit den Händen fahre ich mir über mein Gesicht. „Ich überlege es mir. Aber versprechen kann ich euch nichts."

****

Als ich am nächsten Tag von Spencer in das Fotostudio gefahren werde, bestärkt er mich noch einmal, den Auftrag anzunehmen.
Letzte Nacht habe ich viel darüber nachgedacht, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass ich es zumindest probieren muss. Außerdem wird das mir vertraute Team von Jim Hilfe leisten. Ich habe Leute, die sich ums Licht kümmern, die sich mit mir zusammen die geschossenen Bilder angucken und Leute, die sich um Shawn und sein Äußeres kümmern werden. Eigentlich muss ich ihm nur sagen, wie er sich wann bewegen soll. Und wahrscheinlich nicht mal das. Schließlich ist er mittlerweile ziemlich erprobt.
„Okay, Onkel Jim. Ich mach es."
Ich breite die Arme aus als ich das Studio betrete.
„Fantastisch. Dann kann ich dir direkt mal Shawn Mendes Manager vorstellen."
Perplex blicke ich um die Säule die im Raum steht. „Andrew Gertler, freut mich dich kennen zu lernen."
Wir schütteln uns die Hände. „Shawn wird auch gleich da sein."
Okay, vor einer halben Minute war ich schon nervös wegen seinem Manager, aber jetzt bin ich noch nervöser. Als ob er mit hierher kommt? Ich blicke an mir herunter. Verdammte scheiße. Alte Converse, eine zerrissene Jeans und ein AC/DC T-Shirt. Oh. Mein. Gott.
Wie peinlich ist das denn? Meine Haare hängen nur lustlos herunter und ich bin so dezent geschminkt, dass er wahrscheinlich gleich einen Kulturschock bekommt. Der arme. Allerdings ist das hier auch kein roter Teppich und ich trage mein normales Alltags Make-Up.
Es klingelt, Shawn tritt ein und... okay. Er ist ziemlich heiß. Obwohl ich mich nicht als Fan bezeichnen würde, wusste ich immer, dass er heiß ist, aber so heiß?
Er lächelt, kommt auf uns zu und begrüßt erstmal Andrew. Dieser stellt ihm Jim und mich vor. Mein Onkel ist ziemlich professionell, aber als Shawns Hand zu mir gleitet, verkrampfe ich mich. Ich lehne mich etwas zurück um ihn ansehen zu können und auf einmal fällt jegliche Verkrampftheit ab.
Ein warmes, liebevolles Lächeln liegt auf seinem Gesicht. Beinahe glaube ich ihm, dass es nicht gekünstelt ist.
Allerdings hat mir Jim, wenn er für die Vogue fotografiert, oft genug Geschichten über die Prominenten erzählt. Sie alle haben dieses wahnsinnig gewinnende Lächeln an sich, aber sobald auch nur ein Foto nicht ihren Wünschen entspricht, verrutscht es.
Vermutlich ist das bei Shawn auch so - meine Verkrampftheit kehrt automatisch zurück. Shawn wirkt etwas verunsichert und lässt meine Hand schließlich los, die einen warmen Druck hinterlässt.
„Katherine hier", er deutet mit der Hand auf mich „ist die Fotografin. Sie studiert momentan noch, hat aber ein riesiges Talent für die Fotografie und ich weiß einfach, dass sie deine Wünsche entsprechend umsetzen kann."
Onkel Jim lobt mich in den Himmel.
Beinahe werde ich rot. „Mein Onkel lobt aber auch sehr gerne in den Himmel..."
Jim wirft mir einen genervten Blick zu. Ich zucke mit den Schultern.
„Na ja, das passt doch.", sagt Andrew lachend. „Dein Onkel hat mir deine Mappe gezeigt und das Dachterrassen Shooting hat mir ausgesprochen gut gefallen. Das könnte ich mir auch für Shawn vorstellen."
Shawn und ich sehen ihn gleichermaßen perplex an. „Du wusstest auch nichts davon?", frage ich an Shawn gewandt.
Sein einer Mundwinkel zuckt nach oben. „Ich bin sozusagen nur der ausführende Produzent von dem Produkt Shawn Mendes."
Auch jetzt kann ich nicht einschätzen, ob er seine Aussage ernst meint. Trotzdem entlockt er mir ein Lächeln. Wir sehen uns etwas länger als nötig an. Schließlich räuspere ich mich. „Ich glaube, dass könnte sehr gut funktionieren. Wir haben hier ja praktischerweise auch eine Dachterrasse."
Jim nickt zur Bestätigung. Unbewusst gleitet mein Blick zurück zu Shawn, dessen eigener auf mir ruht. Als er bemerkt das ich ihn ansehe, lächelt er.
Selbstbewusst ist er definitiv. Die meisten Menschen würden wahrscheinlich augenblicklich wegschauen. Verdammt, wie kann man nur so gut aussehen.
„Wir müssen nur darauf achten, dass das Wetter mitspielt.", sagt Jim und zieht mich somit aus meinen Gedanken.
„Selbstverständlich.", Andrew sieht uns alle drei nacheinander an. „Gut, ich würde sagen, wir haben einen Deal. Der Termin findet ja dann schon nächste Woche statt! Ich freue mich."
Er schüttelt Onkel Jim und mir die Hand. „Dann ab zum nächsten Termin, Shawn."
Shawn kommt lächelnd auf mich zu und nimmt meine Hand. „Freut mich, Bekanntschaft mit dir gemacht zu haben."
Sein Blick ist so intensiv, dass ich erst merke, dass die beiden schon weg sind, als das klingeln der Türe ertönt und sie das Studio verlassen.

Shawn Mendes: We keep this love in a photographWo Geschichten leben. Entdecke jetzt