15.

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Mit zusammengebissenen Zähnen laufe ich durch den Sportpaleis, in dem Shawn heute spielt. Das Telefonat mit Ashlyn liegt erst einen Tag zurück und ich merke, wie sehr es auf mir lastet. Brian hat versucht herauszufinden was los ist, aber ich hab meinen Mund gehalten. Das geht niemanden etwas an.
Wobei, es gibt eine einzige Person, der ich das Problem gerne schildern würde. Shawn. Aber er ist zu beschäftigt mit einfach allem, als das ich ihn mit einer solchen Belanglosigkeit nerven möchte.
Trotzdem ist die Versuchung groß. Ich betrete die Halle - Shawn steht auf der Bühne und bespricht irgendetwas. Der Soundcheck ist erst später. Ich winke ihm von unten aus zu - das Crew Schild mit meinen Informationen hängt mir um den Hals.

Katherine Reed

Shawn Mendes: The Tour
Photographer

Es ist zugegeben ziemlich cool. Shawn erwidert mein Winken erst, als ich die Hand schon wieder unten habe. Ich laufe durch den Innenraum, an der halb aufgebauten Rose vorbei und auf die Bühne zu. Theoretisch hätte ich auch unterirdisch zur Bühne gelangen können, aber ich war sowieso gerade oben um den Merch Stand abzulichten.
Euphorisch laufe ich die Treppe der Bühne hoch. „Hey!", sagt Shawn und ich erwidere die erneute Begrüßung mit demselben Wort.
„Wie gefällt es dir?"
Ein strahlendes Lächeln das ich nicht kontrollieren kann, legt sich auf mein Gesicht. „Ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie dankbar ich hierfür bin."
Ich mache eine allumfassende Geste mit den Händen. Shawns Blick ruht nach diesen Worten auf mir - ein leichtes Lächeln auf den Lippen, ein intensiver Blick. Plötzlich ist die Wut gegenüber Ashlyn und Adrian wie verfolgen. Wobei, auch nicht so ganz. In mir drin lodert immer noch ein kleines Feuer und ich bin mir sicher, dass ein einziger Papierschnipsel reicht, um das Feuer wieder zu entfachen.
„Und ich kann mich nur wiederholen, in dem ich dir sage, dass ich dir dankbar bin, Katherine."
Mit der Hand berührt er kurz meine Schulter und hinterlässt ein Prickeln auf meiner Haut.
Ich weiß nicht was ich noch sagen könnte, also verabschiede ich mich mit einem kurzen „Dann bis später."

Heute war zwar erst Konzert Nummer drei, aber ich habe das Gefühl, dass sich Shawns nächtliche Besuche zu einer Art Ritual entwickelt haben. Stören tut es mich keineswegs. Ich bin gerne in seiner Nähe (ich befürchte sogar zu gerne) und genieße das wachsame Auge, mit dem er meine Fotos ansieht.
Auch jetzt klopft er an der Tür, es ist zwanzig nach eins; hinsichtlich des Fluges in vier Stunden sollten wir wahrscheinlich schon schlafen. Diesmal geht es nach Berlin. Mein Dad hatte schon einmal eine Fortbildung in Deutschland und hat nur gutes berichtet. Ich bin gespannt auf die Hauptstadt und das Publikum, dass sich vermutlich wieder einmal von dem niederländischen und belgischen unterscheiden wird.
Das Grinsen, dass sich immer auf meinem Gesicht ausbreitet sobald ich in seiner Nähe bin, legt sich auch jetzt wieder auf mein darauf. Shawn drückt mich kurz an sich und betritt dann mein Zimmer. Wortlos setzt er sich vor mein iPad, das ich schon aufgebaut habe. „Bist du zufrieden?", frage ich nach einer Weile. Er nickt.
„Ich kann es jetzt echt nicht noch länger vor dir verheimlichen, Katie."
Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an. „Katie?"
Herausfordernd sieht er mich an und lehnt sich in dem Stuhl zurück. Ich stehe vor ihm und sehe auf ihn herab.
„Du bist doch nicht dreißig. Aus Katherine Katie zu machen, ist doch viel... süßer.", sagt er selbstbewusst.
„Dafür hast du mich aber schon ziemlich oft Kate genannt. Außerdem klingt das erwachsener. Professioneller."
Sein einer Mundwinkel zuckt nach oben. „Wie gesagt. Du bist doch nicht dreißig. Wir reden noch mal darüber wenn du Mutter von zwei Kindern bist. Dann nenne ich dich gerne Kate, Katherine."
Ich muss ein herzhaftes Lachen unterdrücken. Belustigt verschränke ich die Arme vor meiner Brust. Shawn lässt mich keine Sekunde aus den Augen und steht schließlich auf. Er stellt sich ganz dicht vor mich: „Ab jetzt nenne ich dich nur noch Katie." Mit dem Finger deutet er auf mich.
Merkwürdigerweise überkommt mich eine Gänsehaut. Jeder Mensch, der mir etwas bedeutet, hat mich früher oder später schonmal Katie genannt. Ausnahmslos jeder.
Ich muss schwer schlucken und schaue aus gesenkten Lidern zu ihm hoch. Er steht so nahe vor mir, dass ich sein Parfüm riechen kann. Mein Mund ist furchtbar trocken. Mit einem mal landen meine Hände zu Fäusten geballt auf seiner Brust. In Shawns Augen blitzt etwas auf. Er hebt seine Hände zu meinen und öffnet meine Finger, sodass sie nun geglättet auf seiner Brust liegen. Ich kann seinen Herzschlag unter meinen Fingern spüren. Täusche ich mich, oder geht er schneller als er eigentlich sollte?
Vor meinem inneren Auge blitzt ein Bild auf, das mich manchmal in meinen Träumen heimsucht. Wir beide auf der Dachterrasse, meine Hand auf seinem Hinterkopf.
Mein Blick, der auf meine Hände geheftet war, wandert zu seinen braunen Augen.
Die Intensität die darin liegt trifft mich völlig unvorbereitet.
Seine Hände legen sich auf meine Taille und bevor ich auch nur eine Sekunde länger über diese Situation nachdenken kann, hat Shawn mich schon näher an sich gezogen und legt seine Lippen federleicht auf meine.
Überrascht erwidere ich den Kuss mit einem sanften Druck und schmecke Alkohol.
Alles andere hätte auch wenig Sinn gemacht. Lächelnd löse ich mich von ihm, beiße mir auf die Unterlippe und streiche sein Hemd glatt. Meine Hände lasse ich weiterhin auf seiner Brust liegen. „Nicht so, Shawn.", flüstere ich heiser und ignoriere meinen immer schneller gehenden Herzschlag so gut es geht. In mir hat sich irgendwas geregt und so gerne ich diesen Kuss auch erwidert hätte - nicht, wenn Shawn leicht angetrunken ist. Seine Hände liegen immer noch auf meinem Körper. Dann endlich versteht er. „Ich... oh Gott. Tut mir leid, Katherine."
Er schüttelt den Kopf, was mich zum Lachen bringt. „Alles gut. Viel mehr schockiert mich, das du mich nicht Katie genannt hast."
Noch immer stehen wir dicht beieinander und schließlich ziehe ich meine Hände zurück. Ich muss feststellen, dass ich ein wenig enttäuscht bin. Irgendwie war es ein schönes Gefühl, seine Lippen auf meinen zu haben. Generell waren meine Empfindungen dabei sehr Explosionsartig. Seufzend trete ich noch einen Schritt zurück und Shawn lässt seine Hände sinken. „Fuck.", meint er. „Das...", er schüttelt den Kopf, ringt förmlich nach Worten.
Bevor er welche finden kann, klopft es an der Tür. Ich blinzele benommen, laufe dann zur Tür und sehe Brian vor mir. „Stör ich?"
„Keineswegs.", antworte ich schmunzelnd und sehe Brian dabei zu, wie er seinen besten Freund begrüßt. Dann kommt er grinsend auf mich zu, was mich schreckliches ahnen lässt.
Mit ein paar schnellen Schritten weiche ich aus, aber Brian kriegt mein Handgelenk zu fassen, zieht mich zu sich und hebt mich hoch um mich dann herum zu wirbeln. Laut lachend lasse ich es über mich ergehen. „Du bist doch verrückt!", rufe ich aus.
„Ich hab einen Song geschrieben!", wirft Shawn plötzlich ein, was Brian dazu veranlasst mich abzusetzen. Er legt mir seinen Arm um die Schultern. „Hast du ihn ihr noch nicht gezeigt?", fragt er.
Shawn schüttelt bloß den Kopf und betrachtet argwöhnisch Brians Hand, dessen Finger Kreise auf meine nackte Schulter malt.
Diese Berührung nehme ich erst so richtig wahr, als Shawn seinen Blick nicht davon abwenden kann. „Lass hören.", sage ich.
Er zückt sein Handy. „Er heißt „If I Can't Have You.""
Die nächsten drei Minuten verbringe ich mit einem breiten Lächeln auf meinem Gesicht. Alles an dem Song ist fantastisch. „Das ist super gut.", sage ich. „Spiel es bitte bitte noch mal."
Shawn lächelt mich an. „Aber das bleibt unter uns. Kommt nämlich erst im Mai."
Meine Augen werden groß. „Erst im Mai? Wie soll ich denn da bitte meinen Mund halten?"
Ich stolpere auf ihn zu und drücke ihm meinen Finger in die Brust. „Das ist nicht fair, Shawn."
Wieder legen sich seine Hände auf meine Taille und ich muss an diesen kleinen Kuss denken, den wir miteinander geteilt haben.
Wir lachen einander an.
„Du kannst es ja leaken.", witzelt Brian und tritt einen Schritt auf uns zu. Ich drehe mich zu ihm um; Shawns Hände weichen dabei nicht von meiner Taille.
Mit zusammengekniffenen Augen betrachte ich ihn. Was dann passiert kann ich mir selbst nicht genau erklären.
Brian macht einen Satz auf mich zu und kitzelt mich. Shawns warme Hände fallen von meinem Körper und ich liege plötzlich wieder in Brians Armen.
„Hör auf!", schreie ich hysterisch. Mein Rippenbogen ist der kitzligste Teil an meinem ganzen Körper. Als Brian nicht aufhört, zieht Shawn mich schließlich von ihm weg, in seinen Augen liegt eine Ernsthaftigkeit, die ich so noch nicht erlebt habe.
„Lass das, Brian."
Seine Hand liegt beschützerisch auf meinem Arm. Mein Blick schnellt zu Brian, der aussieht als würde ihm gleich die Kinnlade runterklappen. „Geh schlafen, Mann.", sagt er an Shawn gewandt. „Ich glaub das würde dir guttun."
Ich kann nicht anders als zustimmend zu nicken. Nur einen Wimpernschlag später hat Shawn mein Zimmer verlassen.
„Er ist angetrunken... wenn dann noch Adrenalin hinzu kommt.", Brian schüttelt vielsagend den Kopf.
Irgendwie glaube ich Brian nicht, dass Shawns Reaktion wirklich an dem bisschen Alkohol lag, dass ich auf seinen Lippen geschmeckt habe.
„Ich würde mich dann auch hinlegen, Brian."
Seine blauen Augen fixieren mich. Schließlich drückt er mir einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Kate.", flüstert er.
Nachdem die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen ist, bleibe ich eine Weile in der Mitte des Raums stehen.
Mehrere Sachen waren merkwürdig - allen voran der Kuss. Jetzt wo ich alleine bin spüre ich immer noch seine Lippen auf meinen.
Mit den Fingern berühre ich meinen Mund und gehe im Kopf meine Liste weiter lang.
Ich glaube nämlich, dass ich in Shawns Ausdruck so etwas wie Eifersucht entdeckt habe und gleichzeitig auch einen Kampf zwischen Brian und ihm.
Womöglich einen Kampf um mich. Die Tatsache überrascht mich fast noch mehr als der Kuss und als ich schließlich im Bett liege, schwirrt mir der Kopf.

Shawn Mendes: We keep this love in a photographWo Geschichten leben. Entdecke jetzt