Es tut sich nichts.
Ich klopfe erneut. Aber auch jetzt kann ich keine Regung hinter der Tür wahrnehmen.
Vielleicht schläft er ja schon, sage ich mir, klopfe aber vorsichtshalber ein drittes Mal. Verzweifelt beiße ich mir auf die Unterlippe. Vielleicht will er mich ja gar nicht sehen? Vielleicht war der Kuss ein Fehler?
Wie eine halbe irre starre ich auf die cremebeige Türe, so als könnte ich vielleicht hindurch schauen. Wenn dem bloß so wäre.
Aber ich kann den Blick einfach nicht abwenden. Es ist, als wäre ich in einer Starre gefangen. Alles was ich noch höre, ist mein eigener Herzschlag.
Ich bin so konzentriert darauf meinen Puls wieder etwas runter zu fahren, dass ich mich total erschrocken umdrehe, einen Satz nach hinten mache und gegen die Tür knalle, als mich eine Hand an der Schulter berührt.
„Scheiße!", fluche ich und starre in Brians Gesicht.
Mit einem besorgten Ausdruck in den Augen sieht er mich an. „Alles okay? Ich wollte dich nicht erschrecken."
Hast du aber, liegt mir auf der Zunge, aber ich drücke die Zähne aufeinander.
„Falls du Shawn suchst... der ist nicht da."
Mit der Hand streiche ich über meinen Rücken. „Wo ist er denn?"
Als ich die Frage stelle wird mir klar, dass ich mich jetzt eigentlich nur noch hinlegen möchte. Der Tag war lang.
Brian zögert mit seiner Antwort. „Bis gerade waren wir in einem Club in der Stadt... aber ich hatte keine Lust mehr. Ich schätze Shawn und die anderen sind noch da. Ich glaube sogar er hat ein Mädchen an der Backe."
„Aha.", antworte ich knapp. Ich wurde noch nicht mal eingeladen. Verärgert stiere ich an Brians Kopf vorbei und nehme trotzdem wahr, dass mich seine blauen Augen eindringlich mustern. „Magst du ihn?"
Ob jetzt der Alkohol aus Brian spricht, ist schwer zu sagen. Ich bin nicht mal sicher, ob er überhaupt was alkoholisches angerührt hat. Aber anders als in den Staaten, könnte er hier in Berlin schon Alkohol trinken. Vielleicht ist er aber auch schon einundzwanzig, so genau weiß ich das nicht.
Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Nein. Zumindest nicht so."
Es klingt sogar sehr überzeugend und ich bin mir nicht mal sicher, ob es jetzt wirklich eine Lüge ist oder eher die Wahrheit. Aber wenn ich drüber nachdenke, sehnt sich alles in mir nach ihm. Ich möchte ihm die Sache mit Adrian erzählen, die immer noch auf mir lastet wie eine schwere Tonne und ich möchte ihn wieder berühren - um jeden Preis.
Da ich noch keinen Freund hatte, weiß ich nicht richtig ob es einfach daran liegt, wie anziehend er ist oder ich wirklich davon ausgehen kann, dass Shawn etwas für mich empfindet.
Eigentlich wollte ich das ja rausfinden. Brian gibt ein Brummen von sich. „Wir sollten schlafen, Katie... also, jeder im eigenen Bett, versteht sich."
Aber ich hätte das gar nicht zweideutig aufgefasst. Alles was ich gehört habe war dieses Katie.
Wenn das so weitergeht, lasse ich meinen Namen ändern. Mittlerweile interpretiere ich irgendwie zu viel in die Wahl des Spitznamens hinein. Katie, Kate oder Kat. Wie kann ein simpler Name so viele Spitznamen haben?
Ich weiß, dass meine Mom diejenige war, die angefangen hat mich Katie zu nennen, bis es sich irgendwann in den Köpfen meiner Familie festgesetzt hat.
Katherine war der Name meiner Grams - die Mutter meiner Grandma. Meine Mom hing sehr an ihrer Oma und ich finde es wirklich schön, ihren Namen zu tragen, aber wenn mich ohnehin schon so gut wie jeder Katie nennt, dann könnte es auch in meiner Geburtsurkunde stehen.
Vermutlich hätte ich gar nicht damit anfangen sollen, mich mit Kate vorzustellen. So erwachsen das auch klingen mag, es ändert nichts an meinem Alter oder meiner Erfahrung als Fotografin.
Erschöpfung überkommt mich mit einem mal wie ein Sturm und ehe ich merke, dass ich weine, streicht Brian mir behutsam mit dem Daumen über die Wange.
Woher diese Emotion auf einmal kommt, weiß ich gar nicht. „Sorry.", murmele ich tränenerstickt. „Ich weiß nicht..."
„Schhh...", unterbricht er mich liebevoll und nimmt mich in den Arm. Ich schmiege mein Gesicht an seinen Hals, nehme die Fürsorglichkeit und Wärme mit jeder Faser meines Körpers auf.Ich bin noch nie neben einem Mann aufgewacht. Aber ich glaube auch, dass es sich anders anfühlt, wenn man etwas für diesen Mann empfindet. Oder die Nacht mit ihm verbracht hat. Im herkömmlichen Sinne.
Das haben Brian und ich nicht. Als ich die Augen öffne, bin ich etwas orientierungslos, bis mir das, was letzte Nacht geschehen ist, wieder einfällt.
Ich habe plötzlich angefangen zu weinen und Brian hat mich auf mein Zimmer begleitet. Ich wollte, das er bleibt. Jetzt liegt er neben mir, seine Atmung geht gleichmäßig, seine Hand liegt unter seinem Kopf. Vermutlich kribbelt sein kompletter Arm.
Ein träges Lächeln legt sich auf mein Gesicht. Brian hat mir versichert bei mir zu bleiben, bis ich eingeschlafen bin. Er hat einen Gentleman-Haften Abstand gehalten und sich neben mich gelegt, nur um dann vor mir einzuschlafen.
Die Tour ist anstrengend. Auch für Mitreisende Freunde. Auch als Fotografin.
Wie es Shawn wohl damit geht?
Shawn. Mein Herz zieht sich ein wenig zusammen. Er hat gestern anscheinend mit einem Mädchen angebändelt. Nachdem wir uns geküsst haben. Nachdem er mich geküsst hat, um genau zu sein. Mein Lächeln verrutscht ein Stück, und als Brians Augenlider flattern, drücke ich meine wieder zu.
„Ich hab das gesehen...", murmelt er verschlafen und gähnt herzhaft. Mit seinem Finger stupst er gegen meine Nase, die ich augenblicklich Kraus ziehe.
„Hey!", protestiere ich.
Brian dreht sich auf die Seite und schaut mich etwas besorgt an. Dafür, dass er gerade erst wach geworden ist, scheint er ziemlich klar im Kopf zu sein. „Wie geht es dir?", fragt er mich.
Also wenn er so fragt: Beschissen.
Ich fühle mich erschöpft von allem. Dabei sind wir gerade mal acht Tage unterwegs.
Aber ich vermisse meine Familie und meine Freunde, obwohl wir jeden Abend miteinander schreiben. Vor meiner Abreise haben wir einen großen Chat Eröffnet, der den Namen Katherines Journey trägt. Alle Information werden dort rein geschrieben, alle sind in dieser Gruppe drin. Meine gesamte Familie, Chase und Jenny. Die wichtigsten Menschen eben.
Aber dieses Heimweh ist nicht das einzige. Die Sache mit Adrian lastet noch immer wie ein Fluch auf mir, obwohl ich rückblickend feststellen muss, dass wir beide vielleicht etwas überreagiert haben.
Und jetzt das mit Shawn. Irgendwas ist da. Und das nicht erst seit unserem Kuss. Da war schon viel eher was.
„Hey...", flüstert Brian. Seine Hand wandert zögerlich an meine Wange. Ich umschließe meine Finger mit seiner Hand und führe sie von meinem Gesicht weg. „Nicht."
Ich rechne es Brian hoch an, dass er meine Abweisung einfach so hin nimmt. Er lächelt sogar.
„Na komm. Wir müssen schließlich einen Flug kriegen."
Was ich total vergessen habe. Auf nach Norwegen.
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Shawn Mendes: We keep this love in a photograph
FanfictionKatherine Reed studiert an der NYU Tisch Fotografie und arbeitet nebenbei in dem Fotostudio ihres Onkels. Das „Reed Photography" ist eines der besten Fotostudios in New York und fotografiert unter anderem auch für die Vogue. Als ihr Onkel möchte, da...