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30. Mai 1990:

Ich sitze gerade in unserem kleinen, grauen Backstein Haus, in Edinburgh, in meinem Zimmer. Unser Haus hat so weit überhaupt nichts spezielles, sodass es sich nicht lohnen würde, davon zu erzählen. Es ist genauso wie alle anderen Häuser in dieser kleinen Stadt, die ich über alles Liebe. In meinem Zimmer hat es, wie in jedem anderen Haus auch, ein hübsches grosses Erker Fenster, in das ich Kissen hineingelegt habe und jetzt verträumt aus dem Fenster schaue. Ich betrachte das gegenüberliegende Haus, vor dem meine Nachbarn stehen und mit irgendeinem Mann diskutieren. Das kam öfters mal vor. Sie sind sehr jung und machen am Wochenende gerne mal ein bisschen Party, zum Missvergnügen unserer Nachbarn. Wahrscheinlich beschwert sich mal wieder einer. Ich lasse meinen Blick weiter schweifen, als ich plötzlich stutze. Vorne, auf der alten Eiche in unserem kleinen Vorgarten, meine ich ganz kurz etwas weisses gesehen zu haben. Fast wie eine Eule. Ich schüttle meinen Kopf. Genau, denke ich, eine Eule hier, mitten in der Stadt. Ich sollte wirklich ein bisschen weniger Tagträumen. Ich nehme mein Buch, das ich gerade weggelegt habe, wieder in meine Hand und fange an zu lesen.

Ding Dong! Ich schrecke von meinem spannenden Roman hoch. Mann, immer genau bei den besten Teilen werde ich gestört! Genervt lege ich mein Buch wieder zurück und laufe hinunter um zu schauen, wer da geklingelt hat. Als ich fast unten angekommen bin, setze ich mich hinter das Geländer und beobachte, wie meine Mutter die Türe öffnet. Neugierig schiele ich zum Eingangsbereich. Dort steht der Mann, der vorher noch mit unseren Nachbarn diskutiert hatte. Erst jetzt fällt mir auf, wie komisch er angezogen ist. Er trägt einen schwarzen Anzug und seine wenigen, garantiert gefärbten, blonden Haare kleben mit viel zu viel Gel an seinem Kopf. Er macht ja nicht wirklich einen sympathischen Eindruck. «Guten Tag Miss Lion?» fragt er meine Mum. «Ja, das ist mein Name und sie sind?» fragt meine Mutter, lächelt ihn freundlich an und streckt ihm die Hand entgegen. Aber anstatt dass er sie annimmt, rümpft er nur die Nase und antwortet auf ihre Frage: «Ich bin Mr. Chester von der Bank. Sie wohnen hier mit ihrer Tochter. Stimmt das?» Mum runzelt kurz die Stirn und nickt dann. «Gut. Ich wollte ihnen mitteilen, dass sie leider ausziehen müssen.» sagt Mr. Chester kühl, weshalb ich ihm das "leider" überhaupt nicht abkaufe. Geschockt schauen Mum und ich ihn an. Ich sitze immer noch hinter dem Treppen Geländer, sodass die beiden mich nicht sehen können und entscheide, weiterhin dort zu bleiben, genau jetzt wo es so interessant wird. «Die Bank braucht mehr Geld und deswegen werden alle Bewohner, die keine höhere Miete zahlen können, umziehen müssen. Und so weit ich informiert bin, schaffen sie es ja gerade mal so, diese Miete hier zu bezahlen.» sagt er in einem abschätzigen Ton. Ich bin geschockt und schaue zu Mum. Das konnten sie doch nicht machen! Das ist doch gar nicht erlaubt oder? Meiner Mutter scheint es wohl gleich zu gehen, denn sie steht wie angewurzelt da und starrt diesen blöden Anzugstypen einfach nur an. «Aber.. wo sollen wir denn dann hin?» fragt sie. «Na, das ist nicht mein Problem. Aber sie müssen in spätestens einem Monat hier raus sein.» antwortet Mr. Chester gelangweilt. «In einem Monat?! Kann man da nicht irgendetwas machen?» fragt sie verzweifelt. Aber Mr. Chester blickt nur auf seine, wahrscheinlich sau teure, Uhr und meint: «Nein. Und ich muss jetzt auch weiter, die anderen Leute informieren.» damit dreht er sich einfach um und geht.

Mum bleibt noch einen Moment stehen, dreht sich dann zu mir um und fährt sich gestresst durch die Haare. Ich sitze immer noch stumm und geschockt da und versuche das alles zu verarbeiten. In einem Monat müssen wir hier weg. Weg von meiner Heimat, denn hier sind die Häuser und Wohnungen alle viel zu teuer. Langsam stehe ich auf und laufe, wie in Trance, zu meiner Mum, die mich sogleich in den Arm nimmt. «Du hast alles gehört nicht wahr?» murmelt sie mit einem traurigen lächeln im Gesicht. Ich nicke stumm. «Wir werden schon etwas finden, keine Sorge.»

The dreamer and the joker (Fred Weasley FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt