Weg 2 - die Besucherin

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„Betrachte Emhir als erledigt. Jedenfalls sollten wir in ein paar Tagen wissen, ob das Gift in seinem Kreislauf ist. Ich habe meine Quellen, um das herauszufinden.", bemerkte Philippa, die gerade von der Waldlichtung, ihrem Lieblingsplatz für Zauber, zurückgekehrt war. „Tobt der Dschinn immer noch?", fragte sie, als sie ein lautes Geräusch hinter Yennefer vernahm. „Ich bin dabei ihn mit einem Zauber ruhig zu stellen, aber das wird wohl noch ein Weilchen dauern.", antwortete die jüngere Zauberin knapp, bevor sie sich wieder auf den Zauber konzentrierte. Eine halbe Stunde später, wurde der Dschinn endlich ruhig. Und die schwarzhaarige Frau atmete erleichtert auf. Das wäre geschafft. „Was machen wir jetzt mit ihm? Ihn in einem magischen Käfig ausstellen, um unsere Gegner abzuschrecken? Lassen wir ihn ein paar Kunststückchen vorführen?", fragte Philippa ein wenig belustigt. „Das wird sich zeigen, aber ich denke er wird uns noch nützlich sein. Sieh dir das an.", antwortete Yennefer während sie dem Dschinn einen Teil seiner Energie entzog und ihre Hände auf den Himmel richtete. Plötzlich begann es draußen zu stürmen  und innerhalb von Sekunden hatte sich der Himmel verdunkelt. Man konnte einem Wirbelsturm beim entstehen zusehen. Bevor er sich manifestierte, ließ Yennefer die Hand sinken. Die ältere Zauberin gab es nur ungern zu, doch sie fühlte sich ein wenig bedroht, da der Luftgenius an die jüngere Frau gebunden war, war sie es, die über ihn verfügen konnte, was ihr mehr Macht verlieh, als Philippa je besessen hatte. Sie war bisher eine der mächtigsten Zauberinnen gewesen und konnte sich nur schwer mit dem Gedanken abfinden, dass Yennefers Kräfte die ihren nun um ein Vielfaches übertrafen, sei es auch durch ein Hilfsmittel. Dazu kam noch der Groll darüber, dass die jüngere Frau es sich so einfach machte. Die ältere Frau hatte sich jahrelang leidenschaftlich mit Magie beschäftigt. Sie war eine der gefürchtetsten Zauberinnen. Sie befasste sich intensiv mit Magie, weil sie diese liebte, während Yennefer nun ohne großen Aufwand zu Macht gelangt war. Die jüngere Zauberin teilte ihre Liebe zur Magie nicht, sondern sah diese nur als Mittel zum Zweck, ein nützliches Werkzeug, zum Schutz und um zu erreichen was man wollte.  „Beeindruckend.", sagte sie nur, mit so viel Enthusiasmus, wie sie aufbringen konnte. Ein wenig fühlte sie sich bedroht. Was wenn die jüngere Frau plötzlich die Seiten wechselte?

„Klingt ja 'wahnsinnig' begeistert..", bemerkte Yennefer spitz. „Es tut mir leid, der Giftzauber vorhin hat mich ein wenig ausgelaugt.", meinte Die andere Zauberin nur ausweichend, bevor sie die Hütte, mit der Begründung ein wenig frische Luft zu brauchen, wieder verließ.

Yennefer wusste genau, dass es Philippas Stolz verletzte, dass sie nun die Karten in der Hand hatte, den entscheidenden Trumpf, der das gesamte Spiel verändern konnte. Sie vermutete auch, dass die ältere Zauberin befürchtete, sie könne beschließen die Regeln ein wenig zu ändern. Beispielsweise sich selbst zu Macht verhelfen.. Doch diese Befürchtung wäre im Moment unbegründet gewesen. Die schwarzhaarige Frau hatte nicht gelogen, als sie Philippa gesagt hatte, sie wolle sich aus der Politik weitestgehend raus halten. Natürlich hatten die Ideale und Ziele der anderen Zauberin wieder das alte Feuer, das brennende Verlangen etwas zu verändern, in ihr ausgelöst, doch sie wollte dieses Mal eher im Hintergrund mitwirken. Plötzlich klopfte es an der Tür. „Phil? So schnell zurück?", fragte die schwarzhaarige Frau verwundert. „Nein, ich bin es. Keira. Ich muss mit dir reden.", ertönte es von draußen. „Mit mir?", fragte sie misstrauisch. „Oder mit Philippa?". War das eine Falle? Oder war Keira die Informantin, die Philippa über Emhirs Zustand auf dem Laufenden halten sollte? „Mit euch beiden, wenn ihr beide da seid.", kam die Antwort von draußen. „Wenn du mich nicht reinlässt, dann muss ich wohl den Schutzzauber auflösen, der bestimmt aufwendig war, und die Tür aufbrechen.", fügte Keira noch an. Die schwarzhaarige Frau seufzte resigniert, murmelte einen Zauber, damit die andere Frau den Schutzzauber passieren konnte, und ließ mit einer raschen Geste die Tür aufschwingen. „Was willst du?"

„Nun, ich wollte euch nur mitteilen, dass Emhir bereits erste Anzeichen einer unbekannten 'Krankheit' zeigt.", berichtete die blonde Zauberin, ohne Umschweife. Sie schenkte sich und Yennefer eine Tasse ihres mitgebrachten Holunderbeerensaftes ein, bevor sie genaueres berichtete: „Er lässt Gelehrte und Ärzte von überall her anreisen und beschäftigt mich Tag und Nacht, um ein Heilmittel zu finden. Natürlich weiß er nicht, dass es keines gibt und ich nur vorgebe nach einem zu suchen. Nebenbei bemerkt bin ich erstaunt, dass Philippa den Zauber überlebt hat. Es handelt sich nämlich um sehr gefährliche Magie. Ein Fehler und es kostet den Jenigen, der diese ausübt, selbst das Leben.". Die schwarzhaarige Zauberin nahm nachdenklich einen Schluck von dem Saft, den die andere Frau mitgebracht hatte. Irgendetwas kam ihr eigenartig vor. Sie hatte unerklärlicher Weise ein sehr ungutes Gefühl. „Moment mal, davon wusste ich nichts! Und hattest du ihr nicht diesen Zauber vorgeschlagen?", rief Yennefer erschrocken aus. Sie trank noch einen Schluck Saft und bemerkte nach kurzem Nachdenken argwöhnisch: „Hast du vielleicht genau darauf gehofft, dass der Zauber sie tötet? Wenn Philippa aus dem Weg wäre, könntest du vielleicht an Emhirs Stelle treten, sobald der Zauber gewirkt hat. Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, was du von deiner Mithilfe hierbei erwartest. Immerhin bist du ohnehin bereits seine Beraterin. Für dich würde es also kaum Vorteile bringen, wenn du Philippa und der Loge hilfst.". „Sehr scharfsinnig meine Liebe Yennefer. Natürlich bin ich immer noch Mitglied der Loge, aber was bringt das schon. Sie sind ein Haufen Intrigantinnen, die viel reden, aber wenig tun und wenn man ihnen nicht mehr von Nutzen ist, kann man nur hoffen, dass man mit dem Leben davonkommt, solange man den Mund über interne Vorgänge hält. Es geht mir nur um meine Sicherheit. Die erlange ich nicht, wenn ich mit der Loge zusammenarbeite. Wie ich sehe, habt ihr den Dschinn endlich gezähmt. Das ist sehr gut, denn deswegen bin ich eigentlich hier. Frag nicht woher ich von dem Luftgenius weiß, ich habe meine Quellen. Magie ist sehr vielfältig einsetzbar, um Leute zu beschatten.. Wie überaus ärgerlich, dass ich Philippa nicht losgeworden bin, das macht es komplizierter, aber es wird auch so gehen.", erklärte die blonde Zauberin. „Warum? Was hast du vor? Und glaubst du wirklich, ich würde ihn dir kampflos überl... Was zum.. Teufel!", plötzlich fühlte die schwarzhaarige Frau, wie sich der Raum zu drehen begann. „Da war etwas in dem Saft oder?", fragte sie wenig überrascht, während sie versuchte sich aufzurichten. „Wie Überaus Aufmerksam du doch bist, nur leider zu spät. Der Schlaftrank wird in wenigen Sekunden wirken. Du kannst dich glücklich schätzen, dass es kein Gift ist.. Was den Genius angeht: wie du weißt ist mein Fachgebiet Luft-Magie. Der Dschinn, wird mir von großem Nutzen sein. Durch seine Energie werde ich unantastbar, sobald ich herausfinde wie ich ihn an mich binde. Ich werde wenn Emhir aus dem Weg ist, die Macht an mich reißen. Ich meine, was hätte ich denn davon, wenn Philippa an seine Stelle tritt? Wieder jemandes Fußabtreter zu sein, ist nicht das, was ich mir erträumt habe. Ich habe es satt, von früh bis Abends Botendienste zu erledigen, während Emhir von meinen Ratschlägen profitiert. Wieso sollte es bei Philippa anders sein? Ich regiere dieses Reich praktisch schon im Hintergrund.", konstatierte Keira wütend, bevor sie Yennefer unsanft zu Boden stieß. Die schwarzhaarige Frau versuchte kraftlos einen Zauber zu wirken, versagte jedoch als ihr vorher die Augen zufielen. Keira öffnete ein Portal, nahm das Siegel, sowie den Onyx, an den der Genius gebunden war und verschwand.

Vertrauen - Lass die Waffen fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt