Krach in der Vorratskammer

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Verwirrt blieb Yennefer mit ihren Gedanken allein zurück. Hatte sie sich das mehrdeutige Lächeln, auf den Lippen der älteren Zauberin nur eingebildet? Und wenn nicht, was bedeutete das? Im Großen und Ganzen war an Philippas Vorschlag, abgesehen davon, dass die beiden Zauberinnen sich nicht unbedingt nahe standen, nichts ungewöhnliches. Yennefer hatte schon oft mit Triss in einem Bett geschlafen, wenn die eine bei der anderen übernachtete. Und doch war es bei Philippa anders. Sie wusste nicht genau was es war, doch die Vorstellung löste in ihr ein wohliges Kribbeln aus. Die Zauberin versuchte die unzüchtigen Gedanken, die ihr plötzlich in den Sinn kamen beiseite zu schieben, konnte jedoch nicht verhindern dass Philippa in dieser Nacht Hauptthema eines äußerst pikanten Traumes war.

Moment mal.. „Schöne Träume?" Hatte Philippa das gemeint?, fragte sich Yennefer am nächsten morgen. Was, wenn die ältere Zauberin ihr etwas in den Tee gemischt hatte?! Yennefer verwarf diesen Gedanken jedoch sofort wieder, da ihr kein Zaubertrank bekannt war, der die Träume beeinflussen konnte. Bevor Yennefer ihre Überlegungen weiter spinnen konnte, hörte sie Philippa die Treppe hinuntersteigen. „Guten morgen!", sagte die ältere Zauberin gut gelaunt. „Hunger?"

Yennefer nickte verschlafen. „Dann solltest du dir wohl etwas kochen, du kannst bei mir bleiben so lange du willst, aber ich habe wichtigeres zu tun, als für deine Versorgung aufzukommen.", erwiderte Philippa in ihrem üblichen leicht strengen Tonfall. Yennefer nickte erneut. Immer noch verschlafen, streckte sie sich, wobei ihre Decke ein wenig nach unten rutschte und, da Yennefer ihre Kleidung zum schlafen abgelegt hatte, den Blick auf ihre nackte Brust freigab. Philippa bemerkte es, und lächelte verwegen, sagte jedoch nichts. Die jüngere Zauberin sah so verschlafen, mit verworrenen Haaren und diesem verwirrten Blick, wirklich unglaublich niedlich aus. „Was ist denn so komisch?" fragte Yennefer müde.

„Gar nichts." erwiderte Philippa und wendete sich, immer noch lächelnd, wieder ihren gestern begonnenen Vorbereitungen für einen Zauber zu, die Yennefer mit ihrem plötzlichen Auftauchen unterbrochen hatte. Jeder anderen hätte Philippa die Tür vor der Nase zugeschlagen, immerhin hatte sie viel zu tun und wollte dabei weder gestört werden, noch riskieren dass jemand etwas über ihre Pläne erführe. Als sie jedoch die jüngere Zauberin zitternd und durchnässt, mit diesem hilflosen Blick vor ihrer Tür hatte stehen sehen, hatte sie es einfach nicht übers Herz gebracht, sie wegzujagen. Und dann hatte sie der jüngeren Zauberin auch noch angeboten zu bleiben. Diese Frau brachte sie wirklich noch um den Verstand, und das ohne dabei irgendetwas zu tun. Sie schüttelte über ihre eigene Dummheit den Kopf. So viel zum  Thema unauffällig bleiben. Ironisch dachte sie sich: „Am besten, ich hänge ein Schild an meine Tür: "Herberge für hilfsbedürftige Zauberinnen, auch Spione willkommen."

Ein plötzliches Poltern in der Vorratskammer, riss Philippa aus ihren Gedanken. „Verdammt, gibt es hier irgendeinen Ort, der nicht aussieht als hätte der Blitz eingeschlagen?", hörte sie Yennefer fluchen. Die Waldhütte war in der Tat nicht gerade aufgeräumt, aber Philippa hatte auch keinen Besuch erwartet. Mit einem genervten Seufzen lief sie in Richtung Vorratskammer, um nachzusehen, was so gepoltert hatte.

Inmitten von verschiedenen Nahrungsmitteln saß Yennefer mit einem Blick, als würde sie am liebsten einige davon nach Philippa werfen. „Ich wollte mir einen Apfel nehmen, aber sobald man hier irgendetwas aus den gestapelten Lebensmitteln wegzieht, bricht alles zusammen wie ein Kartenhaus." „Da ist wohl heute jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden.", erwiderte Philippa trocken, nachdem sie einen Zauber gemurmelt hatte, woraufhin sich alles von alleine wieder einordnete.

„Du musst mir unbedingt mal verraten wo du diesen Jahrmarktstrick her hast.", stichelte Yennefer. "Ich bin sicher Radovid wäre vor Angst ohnmächtig geworden, wenn er gesehen hätte, wie sich deine Vorräte von selbst aufräumen. Von der gefürchteten kaiserlichen Beraterin zur  harmlosen, chaotischen Waldhexe, die nur noch mit ein paar billigen Tricks den Haushalt schmeißt.. Anstatt in der Politik mitzumischen, mischst du jetzt offenbar Kräutertee. Ich befürchte du wirst wohl doch langsam alt Phil..", merkte sie noch mit einem höhnischen Grinsen an, worauf ein Stück steinalter Käse in ihre Richtung geflogen kam und sie unsanft am Kopf traf. „Wage es ja nie wieder über mich zu urteilen, wenn du nicht einmal die Hälfte weißt Schätzchen, sonst werde ich dir zeigen wie „Alt" und „harmlos" ich wirklich geworden bin. Und glaube mir, es wird dir nicht gefallen..", verkündete Phillippa bedrohlich. „Es tut mir leid Phil, ich wusste nicht...", Yennefer brach ab, sie hatte vergessen wie empfindlich Phillippa manchmal sein konnte, wenn es um ihr Alter ging. Doch Philippa war noch nicht fertig , auf den Käse folgte noch Gemüse, genug um eine Suppe daraus zu kochen. „Was wird das hier? Spielst du die wild gewordene Hexe oder essen wir heute Yen mit Gemüse zum Frühstück?" Sie griff nach einem Apfel der sie soeben am Kopf getroffen hatte und warf ihn nachdem sie abgebissen hatte in Philippas Richtung, wonach sie aufstand und versuchte den Raum zu verlassen, was sich jedoch als unmöglich erwies, da Phillippa mitten in der Tür stand, mittlerweile war ihr allerdings das Gemüse ausgegangen, weshalb sie sich nach weiteren Wurfgeschossen umsah. Yennefer lehnte sich gelangweilt an die Wand. „Man sollte meinen eine Frau deines Alters würde sich weniger albern aufführen, aber ich sehe ich weiß noch immer wie ich dich aus der Fassung bringen kann.", bemerkte sie mit einem selbstgefälligen Lächeln. „Glaub mir, dafür brauchst du gar nichts zu tun, das schaffst du von ganz alleine.", erwiderte Philippa mit einem schwer zu deutenden Blick. „So?" „Wie das?", fragte Yennefer erstaunt. Die andere Zauberin ignorierte die Frage und trat zur Seite.  „Phil, ich wollte dich wirklich nicht verletzen, aber manchmal mangelt es mir einfach an Feingefühl. Es tut mir leid, wenn ich mit meinen Scherzen zu weit gegangen bin." „Au! Wofür war das? Und nebenbei bemerkt Schade um das Ei."

„Dafür, dass du wirklich dachtest ich würde mich deswegen beleidigt fühlen", bemerkte Philippa höhnisch. Erstaunt sah Yennefer sie an."Was?! Wenn alles in Ordnung ist, was sollte dann diese Gemüseschlacht?!"

„Ich brauchte etwas Unterhaltung, und dich inmitten von herumwirbelndem Gemüse, mit diesem unbezahlbaren Blick, sitzen zu sehen, hat mir wirklich den Tag versüßt.", erwiderte die ältere Zauberin, bevor sie den Raum verließ, um sich wieder ihrer Arbeit zuzuwenden. Yennefer stand für einen Augenblick verwirrt in der Vorratskammer, schüttelte dann nur fassungslos, den Kopf und griff sich einen der heil gebliebenen Äpfel. Was war das gerade? Sie wurde einfach nicht schlau aus dieser Frau.

Vertrauen - Lass die Waffen fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt