So what?

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Der nächste Morgen verlief wie sonst auch. In der Früh zog ich wie üblich meine Jeans, ein T-Shirt und einen Hoody an. Mit ausdrücklich ‚weiblichen' Klamotten konnte man mich jagen. Kurze Röcke, Kleider, hohe Schuhe und Handtaschen standen Dragqueens deutlich besser. Auch Schminken empfinde ich als eine ziemliche Zeitverschwendung. Den Alibi-Maskara, den ich mir alle Jahre mal kaufte, trocknete schneller ein, als ich ihn benutzen konnte.

Im Büro hatte ich mir wieder den Wecker gestellt. Doch als der Alarm an meinem Handy losging, musste ich wieder an Rick denken. Hatte er Recht? Keine Ahnung. Was ich aber wusste, war, dass mir meine verdammte Sozialisation überhaupt nicht weiterhalf. Und ich hasste es, nicht zu wissen, was richtig ist.

Nachdem ich kapiert hatte, dass ich eine schwule Frau bin, hatte ich jede freie Sekunde mit Recherche verbracht. So wie bei anderen Themen auch, war ich wieder im Strebermodus gewesen. Hatte unbedingt Kontakt zu anderen Girlfags gesucht und das ganze Internet umgegraben. Doch mit wenig Erfolg. Am Ende war ich auch nicht schlauer, als vorher. Und den Kontakt zu anderen Girlfags... Naja... ich verstehe mich einfach nicht mit Mädels... sad but true and no offence!

Wer sagt, dass Max 100% schwul ist und ich 100% eine Girlfag? Also fuck it! Ich mag ihn und er mich! Ich werde ohnehin heulen, egal was ich tue, so what?

Keine fünf Minuten später, stand Max wieder an meinem Tisch. Er lächelte fröhlich und schien sich darüber zu freuen, mich zu sehen.

„Hi Sam." „Hi Max!" Er reichte mir meine Bestellung und sagte etwas leiser, aber mit einem schelmischen Funkeln in den Augen: „Hier kommt deine Befriedigung. Ähm, Belieferung."

Ich steckte ihm frech die Zunge raus und ich hätte schwören können, dass er sich in dem Moment mit der Zunge über seine perfekten Lippen fuhr.

Max räusperte sich schnell und sagte: „He, ihr beiden, also ich habe einen Vorschlag..." Er sah Theo an, der sowieso die ganze Zeit lauschte. „Also meine beste Freundin und ich wollten den DC Film auch am Wochenende sehen. Was haltet ihr davon, zu viert zu gehen?" sagte er weiter.

Theo und ich sahen uns an. Ich bettelte förmlich mit meinen Blicken und versuchte den Stein, der er war, zum Erweichen zu bringen.

„Soll das ein Doppeldate werden, Max?" fragte Theo schließlich lakonisch.

„Hm? Nein." Er grinste.

„Lynn, ihre Freundin, wäre sicher nicht erfreut darüber, wenn ich Dana verschachere!"

„Ok, also nur zwei Frauen und zwei Männer, die kein Date haben", konstatierte Theo.

Max schaute Theo zweideutig an und lächelte verschmitzt: „Naja, wenn es ein Date wäre, würden sich in dem speziellen Fall nach dem Date die Mädels vergnügen und dann wir beide..."

Doch Theo reagiert nicht auf die Anmache, denn bereits der erste Teil des Satzes hatte ihn schon zum Lachen gebracht: „Sam mit einem Mädel? Das wirst du nicht erleben!"

Ich beendete das Thema, indem ich Max kurz umarmte. Er roch wieder so herrlich und meine Gedanken und Gefühle fuhren wieder den Highway to Hell entlang. Was hatte ich mir dabei gedacht?

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Das Wochenende kam mal wieder viel langsamer, als eine Schnecke auf Extasy. Theo war stoisch wie immer und ich war ein nervliches Wrack, als wir vor dem Kino auf Max und Dana warteten. Ich hasste die beste Freundin von Max schon jetzt, einfach weil sie existierte, doch als sie auf uns förmlich zuschwebte, hasste ich sie umso mehr. Sie war wunderschön. Ihr müsst mir glauben! Sie hatte dunkle lange wellig Haare, eine gerade Nase, volle Lippen und tolle Auge. Natürlich war sie schlank und hatte lange Beine. Sie musste noch nicht einmal mega-feminin gekleidet sein, um Sex-Appeel auszustrahlen.

Frauen haben wenig Reiz für mich, aber diese Frau würde ich nicht von meiner Bettkante schubsen. Keine Ahnung, was ich dann mit ihr anstellen sollte, aber ... echt, die Frau war schön. Und habe ich schon gesagt, dass ich sie hasste? Das steigerte sich noch spontan, also ich sah, dass sie und Max händchenhaltend auf uns zu schlenderten.

Unbewusste hatte ich meine Arme vor der Brust verschränkt, so dass Max mich nicht umarmte, sondern mir nur einen Kuss auf die Wange gab. Dabei flüsterte er mir etwas ins Ohr: „Du siehst gut aus!" Mein Herzschlag setzte aus! Von meiner persönlichen Hölle aus, nahm ich den Expressway Richtung 7. Himmel.

„Darf ich euch meine beste Freundin Dana vorstellen?" Dana lächelte und ich musste Theo nicht ansehen, um zu wissen, dass er sich genau in diesem Moment verliebt hatte. Sie war genau sein Typ. Wobei sie wahrscheinlich einfach jedermanns Typ war!

Dana knuffte Max, der ungefähr 1,5 Köpfe größer als sie selbst war. Habe ich euch schon gesagt, dass Max wunderbar groß war? 1,90m!

Oh, sie sagte auch noch etwas: „Hört nicht auf ihn, ich bin seine Schwester. Also das, wo man dieselben Eltern hat." Sie sah wahrscheinlich in unsere irritierten Gesichter. „Sorry, Max' Freunde halten ‚Schwester' immer für einen Euphemismus für eine Faghag."

Ich sah Max an, der gerade hinter ihrem Rücken seine Augen verdrehte und musste lächeln. Spontan entfuhr mir der Satz: „Ich liebe deine Schwester!" Und bevor ich weiter nachgedacht hatte, hatte ich beschlossen, meine erste Freundschaft mit einer Frau zu führen. Ich hakte mich bei diesem Traum aller Männer ein und wir gingen schon einmal ins Kino und ließen die Männer - der eine perplex, der andere grinsend - stehen. Wir hörten noch, wie Max grinsend sagte: „Ich sagte dir ja, die Mädels hauen ab und dann sind wir nur noch zu zweit!"

Nach dem Kino gingen wir in ein kleines Restaurant und analysierten ausgiebig den Film. Habe ich euch schon gesagt, dass ich diese Frau liebte? Ha! Wie so oft im Leben, täuscht der äußere Anstrich. Dana war in Wirklichkeit ein totaler Nerd. Und sie liebte es, dass ihr Bruder einmal ordentliche Freunde hatte. 

Dana wurde schon viel zu oft auf ihr Äußeres reduziert, doch bei uns fühlte sie sich wohl. Wobei... um ehrlich zu sein, bei Theo noch ein bisschen wohler! Und es wirkte, als hätte sie sich zur Aufgabe gemacht, ihn ständig aus der Fassung zu bringen. Ich liebte sie dafür umso mehr, denn es war zu lustig.

Durch Danas Anwesenheit hatte ich ganz vergessen, ständig jede kleine Berührung von Max aus dem Weg zu gehen, zu ignorieren oder zu bewerten. Denn er hatte wirklich keine Berührungsängste und ich genoss seine Nähe heute Abend einfach unbeschwert. Denn mein Kopf ratterte nicht ständig und die Bahama Mamas taten den Rest dazu.

Im Moment lag sein Arm locker um meine Schulter. Wir saßen beide auf der Bank und Theo und Dana uns gegenüber. Die beiden unterhielten sich gerade leidenschaftlich über Das schwarze Auge, unser Lieblingsrollenspiel.

Plötzlich flüsterte mir Max ins Ohr: „Als wären die beiden für einander geschaffen..." Ich drehte meinen Kopf und schaute ihn an. Seine Augen waren jetzt so nah und wunderschön. Braun mit feinen grünen Sprenkeln und so beruhigend. Und für einen Moment flog sein Blick über meine Lippen.

„Hey Max, wie kommt es, dass deine Schwester so fantastisch ist? Also ich meine ihr solltet doch irgendwelche Ähnlichkeiten haben..." Theo. Ein verschmitzt grinsender Theo. Ich hatte ihn schon so lange nicht mehr fröhlich gesehen!

Just A Little QueerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt