Der tiefe Fall Teil 16

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Als ich in mein Schlafzimmer zurückkam, war ich ziemlich sicher, dass hier etwas total schief gelaufen war. Indiz Nummer eins: Max schaute mir nicht mehr in die Augen. Indiz zwei: anscheinend hatte er seine Zunge verschluckt.

Na toll, ich habe einen Schwulen zum Sex genötigt. Ob ich bald Post vom Anwalt bekomme? Ihr habt es aber alle gehört, ich habe mir sein Einverständnis geholt. Ich hätte es aufzeichnen sollen.

Ich gab ihm das Handtuch und zog mir selber wieder etwas über.

Was soll ich jetzt nur tun?

Wie blöd stand ich im Zimmer rum und schaue Max an, während ich verzweifelt nach einem coolen Spruch in meinem Hirn googelte.

Leise sage ich: „Es tut mir leid, anscheinend war es keine gute Idee..." Ich sehe förmlich wie es in seinem Hirn rattert. Er öffnet und schließt den Mund immer wieder, nur Worte verlassen diesen nicht.

Ich setzte mich zu ihm aufs Bett. Er hat sich mittlerweile zugedeckt und schaut an die Decke. „Ich wünschte mir, du könntest mit mir reden Max. Es tut mir leid, dass ich nicht schon früher aufgehört habe. Du hast von Schubladen gesprochen und irgendwie hatte ich gedacht..."

Es ist, als würde plötzlich ein ganz anderer Mann vor mir liegen. Er ist nicht mehr der gelassene, in sich ruhende, witzige und fröhliche Typ.

„Was kann ich für dich tun, Max?" frage ich ruhig. Meine eigenen Gefühle hab ich abgeschottet, sie können mich später immer noch quälen.

„Vielleicht sollte ich besser gehen...", sagte er schließlich leise. „Wage es nicht", sagte ich schneller, als ich denken konnte. Ich atmete tief durch und setzte noch einmal an: „Entschuldige. Natürlich kannst du jederzeit gehen, Max. Ich hoffe, du findest bald den Mut oder die Worte, um mit mir zu reden."

Schließlich schaute er mich an und nun brachen alle Gefühle über mir zusammen. Doch bevor sie sich auf meinem Gesicht abzeichnen konnten, löste ich mich von ihm und floh förmlich ins Badezimmer.

Nach einer Weile hörte ich die Haustür leise zufallen und dann war ich alleine.

Alleine mit meinen wirren Gedanken und alleine mit meinen wirren Gefühlen.

Tja, Theo, ich habe deine Prognose glatt um einiges unterboten! Ob ich es ihm gleich schreiben soll?

Ich hatte keine Lust, mich mit diesen beschissenen Gefühlen und den kreisenden Fragen über Max auseinanderzusetzen, also schnappte ich mir den Rest der Likörflasche und setzte sie an. Ich exte den Rest in einem Zug. Dann lenkte ich mich mit einem stumpfen Egoshooter ab und kippte noch mehr Alkohol in mich hinein.

Ich hatte nicht vor zu heulen, denn dann hätte ich aufgegeben. Keine Ahnung, was da mit ihm los war, aber ich werde erst aufgeben, wenn er mir sagt, dass es ein Fehler war.

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Der nächste Morgen kam mal wieder zu früh und ich hasste ihn schon vor dem Aufstehen. Ich kam ewig nicht aus dem Bett und hatte schließlich fast verschlafen. Kopfschmerzen terrorisierten mich und die Tabletten brauchten ewig um zu wirken.

Theo grinste wie ein Regenbogenpony. Schön für ihn. Aber ich konnte es wirklich nicht ertragen. Ich brauchte ihm nicht zu sagen, was passiert war.  Er liest es von meinem Gesicht und hier im Büro würde ich auch sicher kein Wort darüber verlieren.

Ich versteckte mich auf dem Klo, als Max seine Runde drehte und als ich wieder kam, lag nur mein Frühstück auf meinem Platz.

Die nächsten Tage verflogen langsam. Ich funktionierte im Büro und abends zockte ich stumpfsinnige Spiele während ich mich dabei betrank.

Theo nervte zum Glück nicht, denn er war mit Dana vollkommen ausgelastet. Wofür ich um ehrlich zu sein dankbar. Ich hätte es nicht gebrauchen können, wenn er mir jetzt unter die Nase gerieben hätte, dass er ja Recht hatte.

Irgendwann erfuhr ich, dass Max und Matt ein Paar geworden waren.

Ich ging nun nicht mehr zur Arbeit. Ich weiß nicht mehr, was ich meinem Arzt erzählt hatte, aber ich sah anscheinend wirklich so schlimm aus, dass er mir ein Attest schrieb.

Jetzt konnte ich auch weinen. Nur aufhören konnte ich nicht mehr. Irgendwann war ich nur noch wütend. Wütend auf mich selbst, weil ich so blöd war. Wütend auf Theo, weil er mit Dana beschäftigt war.

Nur fürs Protokoll. Ich hatte Theo weder gebeten mir zu helfen noch ihn angerufen.

Und schlussendlich war ich wütend auf Max. Er hatte mir noch nicht einmal eine Erklärung gegeben.

Theo kam vorbei. Dana kam vorbei. Dann war ich wieder alleine.

Mein Arzt verwies mich an einen Therapeuten. Ha! Auf der Visitenkarte stand Matt Hastings. Maxs Matt. Sicher, den werde ich gerne aufsuchen!

Ich wusste, ich musste wieder zur Arbeit. Ich wusste auch, es war keine Lösung, hier ewig rumzuliegen und sich zeitweilig zu betrinken. Ich wusste, dass ich einfach nur funktionieren müsste und dann würde ich mich vielleicht irgendwann wieder normal fühlen.

Aber ich konnte nicht. Ich fühlte mich leer. Als würde ich nicht mehr existieren.

Dann kam Max vorbei. Warum war er da? Ich dachte, ich würde ihn anschreien, ihn vielleicht schlagen, wenn ich ihn wieder sehen würde. Aber das war nicht so. Ich war noch immer leer.

Max sorgte sich darum, dass mein Kühlschrank gefüllt war. Er räumte die leeren Alkoholflaschen weg, räumte die Küche auf und kann es sein, dass er mein Bad geputzt hatte?

Er brachte Pflanzen für meinen Balkon und als er weg war, saß ich jämmerlich zusammengekauert an der Wand auf dem Balkon und weinte. Warum tat er das? Warum verdammt noch einmal tat er das?

Max kam jeden Tag. Ich sprach nicht mit ihm, aber wenn er in meinem neuen Garten war, setzte ich mich zu ihm.

Ab und zu kam auch Theo vorbei. Er hielt mich fest und wir spielten zusammen irgendwas.

Irgendwann musste ich wieder zur Arbeit. Ich versteckte mich nicht mehr vor Max und er kam immer noch jeden Tag zu mir. Wir redeten über die Pflanzen, über das Wetter und über Belangloses. Es war nicht wie vorher, aber ich war nicht mehr so ganz alleine.

Ich traute mich nicht, ihn zu fragen, was geschehen war. Was wäre, wenn ich erneut in dieses schwarze Loch fallen würde. Würde ich ein zweites Mal hinaus finden?

Just A Little QueerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt