Eine Sache, die unweigerlich passieren wird

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Ich spürte, wie die Wut wieder in mir anschwoll. Fassungslos starrte ich Sherlock an.

„Jetzt sieh doch, was du wieder angerichtet hast!“, schrie ich.

„John, beruhige dich. Du reagierst völlig über.“

„Überreagieren? Ist das dein Ernst? Du hast mir gerade mein Date vergrault!“

„Es war nur eine von vielen. Sie wird in der Masse verschwinden.“ Er drehte sich um und schritt – während ihm alle hinterher starrten – aus dem Lokal. Unter den verwirrten Blicken der Gäste und des Personals zog ich eilig meine Jacke über und lief Sherlock hinterher.

„Jetzt warte!“, rief ich erbost. Draußen war es eisig kalt und es regnete mal wieder. Die Nacht war bereits hereingebrochen und wurde vom Licht der Straßenlaternen und den Geschäften erleuchtet. Auf der Straße war niemand zu sehen; kein Wunder, alle Menschen saßen bestimmt irgendwo in ihren Häusern oder in Gaststätten und ließen es sich gutgehen.

„Ach, zum Teufel mit diesem Sherlock Holmes!“, fluchte ich. Meine Jacke besaß keine Kapuze und einen Schirm hatte ich auch nicht. Der Regen lief bereits über mein Gesicht und in meinen Kragen, eiskalt meinen Rücken hinunter. Meine Zähne klapperten. Ich musste möglichst schnell in die Baker Street kommen. Wenigstens war meine Wut dadurch ein wenig verraucht.

Ich schlug meinen Kragen hoch, biss die Zähne zusammen und lief los. Der Regen wurde immer stärker, sodass ich ständig blinzeln musste, damit ich überhaupt etwas sehen konnte. Ich rannte ungefähr 100 Meter bis zu einer kleinen Seitenstraße, an deren Ecke ich kurz verschnaufte. Ich hielt den Kopf gesenkt, um mein Gesicht zu schützen. Die Kälte biss in meine Wangen und verursachte ein unangenehmes Gefühl.

Abrupt hörte der Regen auf. Nein, halt. Es regnete immer noch. Nur bekam ich nichts mehr ab. Stand ich unter einem Vordach? Ich sah auf. Sherlock stand wortlos neben mir und hielt einen schwarzen Regenschirm über uns.

„Ich wusste, dass du den Regenschirm vergessen hattest.“, sagte er nur.

„...du bist einfach abgehauen.“

„Es gab nichts mehr zu sagen.“

„Es gab nichts mehr zu sagen?“, echote ich verblüfft. „Es gibt noch eine ganze Menge zu sagen, Sherlock!“

„Und was?“

„Wen meinst du mit der einzigen Person, die ich...liebe?“

Er schnaubte. „Wenigstens das solltest du mal selbst herausfinden.“

„Was heißt denn hier wenigstens?! Ach, du kannst mich mal!“, ich machte Anstalten, einfach weiter nach Hause zu gehen, aber Sherlock packte mich am Ärmel und zog mich zurück.

„Wenn du weiter durch den Regen stapfst, erkältest du dich noch.“

„...seit wann interessiert dich das?! Lass mich los!“

Sherlock schaute mich nur mit seinem arroganten Blick an, den er immer aufsetzte, wenn er etwas definitiv besser wusste als sein Gegenüber (also wie fast immer). Dann hakte er sich bei mir unter und ging langsam weiter, sodass ich unweigerlich mitgeschleift wurde. Ich stolperte und bemühte mich, mit ihm Schritt zu halten, um nicht in den Dreck zu fallen.

„Sherlock, was soll das?“

Er antwortete nicht, sondern stapfte einfach weiter.

„Wohin gehen wir?“

„In die Baker Street. Hier draußen ist es zu kalt und nass.“

Ich seufzte. „Na, schön, aber unter zwei Bedingungen: 1. Erzählst du mir dann alles und vor allem, warum du mein Date versaut hast. Ich verstehe es nämlich immer noch nicht. Und 2. Lässt du mich bitte alleine gehen.“

Sherlock ließ mich los und ich ging neben ihm her. Es war wirklich ziemlich kalt und insgeheim war ich froh, den Konflikt in der warmen, gemütlichen Wohnung klären zu können und nicht hier draußen.

Als wir in der Baker Street waren, ließ sich Sherlock in seinen Sessel fallen. Ich setzte mich ihm gegenüber und schaute ihn abwartend an.

„Also. Warum hast du mein Date versaut? Und welche Person meinst du?“

„Ich habe dein Date versaut, John“, sagte Sherlock verächtlich, „weil du dir anscheinend nicht darüber im Klaren bist, was du wirklich willst.“

„Ach? Seit wann interessiert dich eigentlich das Innenleben deiner Mitmenschen? Du bist doch sonst nicht so!“, warf ich ihm vor.

Sherlocks Miene verhärtete sich. „Ich brauche einen Partner, der halbwegs bei Verstand ist und sich zumindest über die grundlegenden Dinge seiner Psyche im Klaren ist. Reiner Eigenschutz.“,

„Du glaubst also, ich bin nicht der Herr über mich selbst? Du glaubst, du kennst mich besser als ich mich?“

„Ja. Denn wäre es anders, hättest du heute Abend kein Date gehabt.“

„Na schön. Dann kläre mich doch mal auf über alle Sachen, die ich nicht über mich weiß, die du aber schon längst an mir deduziert hast!“

„Die musst du selbst herausfinden.“, sagte Sherlock kalt. Er wollte sich erheben, aber ich hielt ihn zurück. „Wir haben ausgemacht, dass du mir alles erzählst, wenn ich mit dir in die Baker Street zurückkehre!“, erinnerte ich ihn erbost.

„Falsch. Du hast Bedingungen gestellt. Ich habe überhaupt nichts gesagt, John. Ich habe dich lediglich losgelassen.“, er stand endgültig auf und verließ das Zimmer. An der Türschwelle drehte er sich noch einmal um.

„Ich wollte dein Date nicht zerstören, John. Ich wollte nur die eine Sache, die unweigerlich passieren wird, nicht noch weiter hinauszögern.“ Dann lief er schnell in sein Zimmer und knallte die Tür zu. 

The world belongs to the courageous (Johnlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt