Was, wenn...?

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Sherlocks P.o.V.

Es war dunkel. Nicht das normale Dunkel, was eigentlich eigengrau heißt, sondern wirklich Schwarz. Ein finsteres, erdrückendes, undurchdringliches Schwarz, das alles verschluckte und durch nichts vertrieben werden konnte.

Und diese Kopfschmerzen! Es fühlte sich an wie tausend kleine Hämmerchen, die einen eigenartigen Rhythmus an meinen Hinterkopf klopften und sich langsam in meinen Schädel bohrten. Ich wollte vorsichtig an die Wunde fassen, als ich bemerkte, dass meine Hände gefesselt waren, genau wie meine Füße. Ich lag in Embryostellung auf dem Boden, die Arme hinter den Rücken gefesselt, in einem kalten Raum. Mühsam öffnete ich die Augen. Es brachte nicht viel. Eine fahle Glühlampe leuchtete einen Raum aus nacktem Stein aus; anscheinend war ich in einem Keller. Keine Fenster, keine Möbel, kein gar nichts – bis auf eine Eisentür rechts von mir. Ich versuchte mich aufzusetzen, aber alles drehte sich. Schließlich schaffte ich es doch und lehnte mich erschöpft an die Wand. Sie war eiskalt. Man könnte meinen, ich sollte Panik kriegen. Bekam ich aber nicht. Warum? Ich wusste, dass mich jemand retten würde. Ich wusste, da draußen waren Menschen, die mich mochten und sich um mich sorgten; um ehrlich zu sein war es nur ein Mensch. Aber dieser Mensch war so klug, loyal und mutig, dass er mich retten würde. Denn er wusste: Ich würde ihn genauso retten.

John würde kommen.

Johns P.o.V.

Mittlerweile waren mehrere Polizisten aufgetaucht, unter anderem die Spurensicherung, um den Tatort zu untersuchen. Was Sherlock wohl dazu sagen würde, wenn er erführe, dass Anderson gerade seine Unterwäsche auseinandernahm, wollte er sich gar nicht vorstellen. Für einen kurzen Moment war er versucht zu lachen; aber es wurde nur ein seltsames, heiseres Gurgeln. Wir mussten Sherlock finden, das war mein einziger Gedanke. Ich konnte nicht ohne ihn leben und ich wollte es auch nicht. Ich war wie ein Jäger, der nur ein Ziel vor Augen hat und an nichts anderes mehr denkt. So musste es Sherlock gehen, wenn er an einem Fall arbeitete. Und wenn der Grund meiner Gedanken nicht so schlimm gewesen wäre, hätte ich es sogar als angenehm empfunden.

„Inspector Lestrade! Wir haben etwas gefunden!“, ich schreckte hoch und lief sofort mit Lestrade zu dem rufenden Polizisten. Am Fensterbrett war offenbar ein Haar hängengeblieben, genauso wie ein kleiner Fetzen Stoff. Der hätte natürlich auch von etwas ganz anderem stammen können, aber wir hatten zumindest eine Hoffnung, an die wir uns klammern konnten.

„Und, Chef? Soll ich es ins Labor schicken?“, fragte Donovan. Lestrade nickte nur geistesabwesend und reichte ihr die Tüte, ohne sie anzusehen. Kopfschüttelnd lief sie zurück ins Präsidium.

„Greg?“, fragte ich leise. „Stimmt etwas nicht?“ Er hob den Kopf, sah mich an und seufzte.

„Nein, es ist nur...wir müssen Sherlock so schnell wie möglich finden. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, sinkt seine Überlebenschance. Und wenn wir ihn finden, wird er vielleicht nicht ganz der alte sein. Aber das wird schon.“ Er klopfte mir auf die Schulter und begann ein Gespräch mit dem Polizisten, der die Indizien gefunden hatte. Ich hörte nicht mehr zu. In meinem Kopf drehte sich alles; was, wenn wir Sherlock nicht finden würden? Was, wenn wir ihn finden, er aber nicht mehr der alte, sondern innerlich zerrüttet ist? Wenn ihm etwas Schlimmes angetan wurde und er verstümmelt ist? Wenn er vielleicht gar nicht mehr lebt?

Ich wurde mit jedem Gedanken wütender. Niemand ging so mit Sherlock um! Ich ballte die Hände zu Fäusten und merkte, dass mein Atem schneller ging.

„John?“, fragte Mrs Hudson vorsichtig. Ich antwortete nicht, sonst würde ich sie womöglich in meinem Frust anschreien. Stattdessen schnappte ich mir meine Jacke und lief nach draußen. Es war noch kälter geworden, aber immerhin regnete es nicht. Ich atmete tief ein und aus, um mich zu beruhigen. Mein Atem kondensierte in der eisigen Luft. Ich beschloss, ein Stück zu gehen. Lestrade würde mich sowieso per Handy informieren, falls es eine Spur gab. Ich lief einfach los und merkte, dass ich nicht die Straße entlang ging, sondern einfach um den Block herum und unter Sherlocks Fenster stehen blieb. Über mir hörte ich die Stimmen der Polizisten, aber sie bemerkten mich nicht.

Gedankenverloren ließ ich meinen Blick über die Häuser schweifen, über den Boden, über das Unkraut, dass in den Spalten der Steine wuchs, über den kleinen zusammengefalteten Zettel, auf dem ein Stein lag...ein Zettel?

Ich hob ihn auf und entfaltete ihn. Es war eindeutig Sherlocks Schrift, wenn auch hektisch und unordentlich. Es war nur Gekritzel, aber ich wusste sofort, was gemeint war. River Lea, BR.

River Lea, Banbury Reservoir.

The world belongs to the courageous (Johnlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt