Sherlocks innerer Monolog

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Meine zitternden Finger bekamen nur mühevoll das Handy in meiner Jackentasche zu fassen. Ich tippte den Entsperrcode falsch ein und fluchte leise. „Verdammt, jetzt mach!“

Ich rief die Kontakte auf und stellte einen Anruf zu Greg her, während ich mich schon auf den Weg zu einem Taxi machte. Ich durfte keine Zeit verlieren; jede Sekunde, die verstrich, konnte Sherlocks letzter Atemzug sein.

„Greg? Ich weiß wo Sherlock ist. … ich habe einen Zettel unter seinem Fenster gefunden, aber das ist jetzt unwichtig! Wir müssen sofort zum River Lea, am Banbury Reservoir. … ich bin schon unterwegs, mit einem Taxi …“

Ich bedeutete dem Fahrer, ebenfalls zu der genannten Adresse zu fahren. Lestrade versuchte noch mich aufzuhalten, aber ich drückte ihn weg. Ich hatte nur noch ein Ziel vor Augen: Sherlock finden.

Der Taxifahrer konnte gar nicht schnell genug fahren. Bei jeder roten Ampel wurde ich ungeduldig; wenn jemand langsamer als die Höchstgeschwindigkeit fuhr, wurde ich wütend; als wir endlich außerhalb der Stadt waren, atmete ich auf.

'Warte auf mich, Sherlock. Ich finde dich.'

Der Taxifahrer sagte zum Glück nichts, er fuhr lediglich konzentriert und schnell. Er war jung; um die 20 Jahre und hatte noch ein kindliches Gesicht. Aber fahren konnte er. Bei dem Gedanken, wie Sherlock jetzt die Biographie, die Vorlieben und den Familienstand des jungen Mannes deduziert hätte, musste ich grinsen und wurde gleichzeitig traurig. Wenn Sherlock nie wieder neben mir im Taxi sitzen und die Passanten deduzieren würde....wenn ich die Leichenteile aus dem Kühlschrank entfernen und nie wieder neue entdecken würde... wenn die ganzen Mikroskope, Experimente, Petrischalen und Utensilien des Detektivs auf unserem Küchentisch verstauben würden... wenn ich nie wieder nach Hause kommen und dem unheimlich guten Geigenspiel des Detektivs lauschen würde....etwas zerbrach in mir. Ich hatte einen bitteren Geschmack auf der Zunge und mir war, als würde mein Kopf zusammengedrückt. Energisch versuchte ich mich zusammenzureißen. Ein hysterischer Anfall war das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte.

Sherlocks P.o.V.

Ich lag einfach nur da. Die Zeit schien mit jeder Sekunde zäher zu werden; mittlerweile zählte ich jede endlos dauernde Sekunde. So langsam konnte die Zeit doch gar nicht vergehen! Die Fesseln schnitten in meine Handgelenke und verursachten stechende Schmerzen. Es mag seltsam klingen, aber ich hoffte darauf, dass jemand kommen würde...diese Ungewissheit, diese Endlosigkeit war grauenhaft.Wenn doch nur etwas passieren würde! Es gab die Möglichkeit, dass Moriarty hinter der Entführung steckte, aber da sie mit dem Bombenanschlag zusammenhing – und dies so gar nicht Moriartys Stil war – schloss ich ihn aus. In Gedanken ging ich die Liste meiner Feinde durch, aber niemand von ihnen kam infrage. Die meisten Verbrecher saßen im Gefängnis und wenn jemand aus dem Ausland nach England gereist wäre, hätte mein Bruder es erfahren und mich informiert. Oder nicht? Ich durfte nicht an mir selbst zweifeln. Wenn ich das tat, war ich verloren. Ich pustete die Luft aus den Lungen und zwang mich, ruhig zu atmen. Ich hatte wenig Probleme mit Panik; aber sehr wohl welche mit zu viel Langeweile. Dann kamen alte Gedanken wieder hoch, Gedanken, die in den tiefen meines Gedächtnispalastes verborgen waren, damit sie nie wieder auftauchten...von der Frage, ob ich damals die richtige Kapsel gewählt hatte, über so viele Mysterien des menschlichen Verhaltens bis zu peinlichen Vorfällen in meiner Kindheit. Und darüber wollte ich nun wirklich nicht nachdenken. Wenn John nur hier wäre...dann könnte er mich ablenken... aber insgeheim war ich froh, dass John nicht hier war. Er musste schon so viel Leid ertragen, da wäre es extrem egoistisch von mir, seine Gesellschaft nur für Ablenkung herbeizuwünschen.

Ich stutzte.

Zu egoistisch?

Ich?

Die meisten Menschen bezeichneten mich als Egoist, aber bisher hatte mich das noch nie interessiert. Warum denn auch? Die Meinung anderer war generell uninteressant.

Das ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Ich begann, mich zu verändern. Und wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich Angst davor.

The world belongs to the courageous (Johnlock)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt