Als wir an dem Gebäude ankamen, war niemand zu sehen. Die sonst so lange Schlange hatte sich in Luft aufgelöst. An der Kasse saß niemand und vor der Tür prangte ein dickes „Closed“ - Schild.
„Und wie kommen wir jetzt rein?“, fragte ich und wunderte mich im gleichen Augenblick warum, denn Sherlock holte einen Spezialdietrich hervor und knackte das Schloss.
„Das ist illegal“, zischte ich und blickte mich um, aber es war immer noch niemand zu sehen.
„Und die haben todsicher eine Alarmanlage...Sherlock?!“
Er brach die Tür auf. Nichts passierte. „Bevor du fragst: Bei Scotland Yard habe ich vorgesorgt. Und jetzt komm.“
Ich verdrehte die Augen und folgte ihm. Sherlock schloss die Tür wieder und wir sahen uns um.
Die Eingangshalle war ebenfalls verlassen und natürlich dunkel; eine breite, mit einem roten Teppich ausgelegte steinerne Treppe führte in den ersten Stock. Der Detektiv sah sich kurz um, holte seine Taschenlampe hervor und lief die Treppe hinauf.
„Warte, Sherlock!“
Ich packte ebenfalls meine Taschenlampe aus und rannte ihm hinterher. Oben angekommen, liefen wir einen Gang entlang, der auch mit rotem Teppich ausgelegt war.
„Dieses Kabinett ist riesig! Wie sollen wir hier eine Bombe finden?“, flüsterte ich.
„So groß ist es nun auch wieder nicht. Und wir haben ja noch ewig Zeit.“, wisperte er zurück.
Dann kamen wir in den ersten Teil, wo die Wachsfiguren der berühmtesten Schauspieler standen. Emma Watson saß auf einem Sofa, daneben stand Taylor Lautner; George Clooney grinste uns von links an und Johnny Depp schaute stur geradeaus.
„Das ist ein wenig unheimlich...weil die so echt aussehen.“ Ich ging zu Kate Winslet und schaute ihr in die Augen, die verblüffend echt aussahen. „Komm weiter, hier finden wir die Bombe garantiert nicht“, flüsterte Sherlock vom anderen Ende her.
„Ich komme ja schon.“
Unter den Blicken von James Bond, Shrek und Bruce Willis gelangten wir in die nächste Abteilung. Gott sei Dank lief Sherlock an allen Wachsfiguren vorbei, ohne sie anzuschauen. Es war, als wüsste er bereits, wo er suchen musste. Und ich hatte bereits eine dunkle Vorahnung, hoffte aber, dass sie sich nicht bewahrheiten würde. Wir stiegen eine Treppe hinunter, die von Alfred Hitchcock bewacht wurde, und fanden uns vor zwei Abzweigungen wieder.
„Bitte sag mir, dass wir nicht das tun müssen, was ich denke.“
„Wenn du den linken Gang dort meinst – ja, den nehmen wir.“ Er begann, die Treppe weiter hinabzusteigen. In den Dungeon.
„Verdammt John, du warst Soldat in Afghanistan!“, redete ich mir selbst zu. „Du wirst doch wohl in so einen läppischen Dungeon gehen können!“
Schnell folgte ich Sherlock. Unten angekommen, war er mal wieder nicht zu sehen. Das Licht der Taschenlampe ließ alles noch gruseliger wirken. Die unheimlich real wirkenden Wachsfiguren hinter den Gitterstäben; Wärter, die Gefangene auspeitschten, bis sie blutig waren. Ich merkte, dass mir Angstschweiß auf der Stirn stand. Das hier war etwas anderes als Krieg. Das hier war...nicht wirklich einschätzbar.
Plötzlich hielt mir eine Hand von hinten den Mund zu und eine andere packte meine Hände. Ich wand mich in dem Griff und versuchte vergeblich, mich zu befreien. Da hörte ich ein tiefes Lachen und alle Angst verschwand. Mein Angreifer ließ mich los und ich drehte mich um. Vor mir stand mein völlig verrückter Mitbewohner und lachte sich kaputt.
„J..J...John...d...d...dein Blick....“, er wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Verdammt, Sherlock! Das war überhaupt nicht witzig!“, schimpfte ich, war aber insgeheim erleichtert, ihn zu sehen.
„Und du willst als knallharter Soldat in Afghanistan gewesen sein?“, der Schalk blitzte in seinen Augen. Ich konnte nicht anders, als zu grinsen.
„Ja ja. Ich bin nur etwas schreckhaft in dunklen Horrorkabinetts, okay?“
Er gluckste noch ein paar Mal, dann hatte er sich wieder beruhigt.
„Komm mit. Es wird dich beruhigen, denn wir müssen nicht durch den ganzen Dungeon. Hier ist eine Tür.“
In einer Spalte verborgen, war eine Tür in der Farbe der restlichen Wand eingelassen. Sherlock knackte das Schloss und wir gingen hindurch, kamen wieder an eine Treppe.
„Hier werden die noch nicht fertigen Wachsfiguren aufbewahrt. Das Lager und die Werkstatt liegen im Erdgeschoss, also ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass hier auch irgendwo unsere Bombe sein muss.“
Er schmunzelte. „Und – gut für den äußerst zart besaiteten John – gibt es hier manuelles Licht.“ Sherlock drückte auf den Lichtschalter; und ich sah mich erstaunt um. Überall standen Wachsfiguren, ganze, halb fertige, bereits bemalte und welche, die noch in den Kinderschuhen steckten.
„Und hier soll die Bombe versteckt sein?“
„Ja. Nur hier kann man eine Bombe, die groß genug ist, eine ernsthafte Gefahr zu sein, aufbewahren.“
Also begannen wir zu suchen. Ich untersuchte die Wachsfiguren.
„Hey, Sherlock; der sieht aus wie du!“, rief ich nach etwa 10 Minuten.
„Hm?“, er riss seinen Blick von einem Werktisch und lief zu mir. Ich grinste.
„Hier, der Typ sieht aus wie du!“
„Ach ja? Wer ist das überhaupt?“
Ich verdrehte die Augen. „Das ist ein Schauspieler. Er ist mittlerweile so berühmt, selbst du müsstest von ihm gehört haben. Er heißt Benedict Cumberbatch.“
Sherlock musterte ihn und für einen Augenblick sahen sie sich direkt in die Augen – soweit Wachsfiguren das können. Die Ähnlichkeit war verblüffend: Bis auf die Haare (und natürlich die Kleidung) waren sie ein Ebenbild voneinander.
„Also ich sehe definitiv besser aus“, stellte mein Mitbewohner trocken fest. Aber für einen kurzen Moment sah ich so etwas wie Belustigung in seinem Blick.
Dann machten wir uns wieder an die Arbeit. Ich untersuchte alle Wachsfiguren; bis auf die Erkenntnis, dass die Augen verdammt echt waren und ich einige Stars jetzt näher kannte als die meisten Menschen, fand ich nichts. Frustriert lief ich zu Sherlock.
„Hast du irgendetwas gefunden?“
„Noch nicht, nein.“, er durchwühlte hektisch die Werkzeuge.
„Sherlock....kann es sein, dass du...“, ich holte tief Luft, „dich geirrt hast?“
Ruckartig drehte er den Kopf zu mir. „Geirrt?“
„Ich meine ja nur....denn auch wenn wir noch ein bisschen Zeit haben, so lange sind 18 Stunden auch wieder nicht.“ Er starrte mich nur fassungslos an. In diesem Moment sah ich es. Das kleine rote Lämpchen, das mir so bekannt vorkam.
„Sh..Sherlock..“, ich streckte den Arm aus und deutete nach vorne. „Sieh mal.“
Er sah es, erhob sich und rannte dorthin; hob den Deckel des Kartons an, der der einzige, inmitten hunderter anderer Kartons, ein rot glühendes Loch hatte. Und dort drin war sie. Wie ein Baby in der Wiege, lag dort die Bombe versteckt.
Ich hab mal versucht, die Abteilungen bei Madam Tussaud's so wahrheitsgetreu wie möglich wiederzugeben. Ich war im Herbst 2013 dort, und ich denke, die stellen die Wachsfiguren immer wieder um, also entschuldigt, wenn das nicht auf dem aktuellen Stand ist. :)
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The world belongs to the courageous (Johnlock)
FanfictionSherlock und John stehen irgendwo zwischen Freundschaft und Liebe, zumindest glaubt John das. Als dann noch eine Bombendrohung bei der Polizei eintrifft, findet sich John in einem absoluten Chaos wieder, denn er hat keine Ahnung, wie er dem Detektiv...