Kapitel 10

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Die Woche war ziemlich schnell vergangen, und Adelaide hatte sich Annes, Dianas und Rubys neuem Bücherclub angeschlossen. Wenn sie nicht bei ihnen war, verbrachte sie ihre Zeit in ihrem Zimmer, las und schaute aus dem Fenster, um zu sehen, wie sie mit dem Haus vorankamen. Sie konzentrierte sich besonders auf einen Jungen.  

Sie hatte die ganze Woche über nie die Gelegenheit, mit ihrer Mutter zu sprechen. Alice war entweder mit George weg oder sie schlief in ihrem Bett. Adelaide hatte bemerkt, wie müde sie war und sie schien krank zu sein. Alice war kaum aus dem Bett gestiegen.

Adelaide sah ein letztes mal in den Spiegel und entschied sich die Haare nicht zu bürsten, da es zu viel Aufwand war. Sie schnürte ihre Stiefel zu und verabschiedete sich von ihrer Mutter, da sie dachte, dass sie diese Zeit vielleicht zum Reden nutzen könnte. George war vor einer Stunde abgereist, um ein paar Tage mit seinen Verwandten zu sein.

Sie riss die Schlafzimmertür auf und war verwirrt, als sie sah, dass ihre Mutter noch im Bett lag. Adelaide trat vor und runzelte die Stirn, als sie die vertrauten Tabletten auf dem Nachttisch sah. 

Sie waren seit ihrem Einzug ins Haus aufgetaucht, aber Adelaide fragte nicht, was sie waren, sie dachte es seien Vitamine oder ähnliches.

Als Adelaide merkte, dass sie vielleicht zu spät in die Schule kommen würde, rannte sie die Stufen hinunter und aus dem Haus in Richtung Schulhaus.

...

Adelaide schaffte es gerade noch rechtzeitig zur Schule und setzte sich schnell neben Josie. Sie rieb sich die Hände und versuchte, die Wärme, die sie in der kälte verloren hatte, wiederzugewinnen.

Sie legte ihre Bücher beiseite und wartete darauf, dass Mr. Phillips mit dem Unterricht began. Ein weisses Blatt traf Adelaides Tisch und sie verdrehte die Augen, lächelte aber trotzdem. Adelaide faltete es auseinander und liess ihre Augen über sie schöne Handschrift schweifen.

Können wir nach der Schule reden? Ich habe dich seit einer Woche nicht gesehen.

Gilbert war nicht der einzige, der bemerkt hatte, dass sie sich nicht gesehen hatten. Adelaide vermisste ihn, obwohl sie es nie laut zugeben würde. Der lockige Junge hatte einen eigenen Platz in ihrem Herzen. Wenn sie ehrlich war, hatte sie Angst. Der Gedanke, jemanden zu lieben, selbst jemanden zu mögen, verängstigte Adelaide.

Wer könnte ein so gebrochenes Mädchen wie Adelaide lieben?

Ich habe Anne bereits gesagt, dass ich zu ihrem Buchclub komme.

Gilbert runzelt die Stirn, als er die Notiz las. Sie fühlte sich schlecht, aber Gefühle für ihn zu haben, gehörte nicht zu ihren Plänen.

Als er wieder schrieb, begann Billy, Kussgeräusche zu machen. Adelaide rollte wieder die Augen und drehte sich zu dem blonden Jungen um. Er grinste nur und machte ein Herz mit seinen Händen.

Gilbert warf Adelaide einen weiteren Zettel zu.

Okay, wie wäre es mit morgen früh? Wir können zusammen zur Schule gehen.

Adelaide ärgerte sich über Gilberts sturrheit, schrieb aber mit einem einfachen Ja zurück. Er versuchte sein Grinsen zu verbergen, scheiterte aber, während Billy lachte, als er sah, wie glücklich der Junge wurde.

Mr. Phillips drehte sich um, um zu sehen, woher der Lärm kommt, wurde jedoch von Anne Shirley-Cuthbert unterbrochen, die durch die Tür des Schulhauses eintrat.

"Anne!" Rief Adelaide und erhob sich, um ihre rothaarige Freundin zu umarmen. Mr. Phillips begrüsste Anne kurz und unterrichtete weiter.

Adelaide konnte das Lächeln nicht unterdrücken, die Schule war mit ihrer besten Freundin viel erträglich.

...

Adelaide kam mit einem Lächeln zu der heruntergekommenen Hütte, wo Anne die Versammlungen abhielt. Ruby, Diana und Anne sassen in einem Kreis, mit einem freien Platz für Adelaide.

"Habt ihr ohne mich angefangen?" Fragte Adelaide und sah dabei gespielt traurig aus. Sie lachten und versprachen, dass sie es nicht getan hatten.

Die vier Mädchen redeten und lachten stundenlang und verabschiedeten sich traurig, als der Abend zu Ende ging. Adelaide hatte das Gefühl, endlich irgendwohin zu gehören und echte Freunde zu haben, wie sie es noch nie zuvor getan hatte.

Als sie nach Hause ging, hatte Adelaide immer noch ein strahlendes Lächeln im Gesicht, doch es verschwand, als das Haus, das sie einst als schön bezeichnet hatte, in Sicht kam. 

Etwas das schreckliche Erinnerungen bewahrte, konnte nicht mehr schön sein.

Adelaide fragte sich, ob sie deshalb nicht hübsch war. Ihr Gehirn war voller schrecklicher Gedanken und Erinnerungen, vielliecht machte es sie hässlich, genau wie George sein eigenes Haus abscheulich gemacht hatte, nur durch seine Handlungen. 

Nachdem Adelaide das Haus betreten hatte, schloss sie die Tür, hängte ihren Mantel auf und lief geradewegs auf das Zimmer ihrer Mutter zu. Hoffentlich war sie wach.

"Mutter?" Rief Adelaide und öffnete die Schlafzimmertür. Ihre Mutter stand vor dem Schminktisch und steckte sich etwas weisses in den Mund, bevor sie sich zu ihrer Freundin umdrehte.

"Ja?" Antwortete sie, als ob das junge Mädchen ihr probleme machen würde. Adelaide runzelte die Augenbrauen beim Klang ihrer Stimme.

"Nun, ähm, ich wollte mit dir über etwas reden. Ist jetzt ein guter Zeitpunkt?" Stammelte Adelaide. Alice legte ihre Fingerspitzen an ihre Schläfen und sah mit ihren braunen Augen nach unten. Adelaide bemerkte einen blauen Fleck an ihrem linken Arm.

"Nein, Adelaide. Es ist kein guter Zeitpunkt. Es ist nie ein guter Zeitpunkt, oder?" Sagte Alice ohne Augenkontakt. Sie setzte sich auf ihr Bett und sah sich benebelt um.

"Ich... ich weiss nicht, worüber du spri-"

"Ich gehe ins Bett." Alice unterbrach ihre Tochter und deutete ihr, zu gehen. Adelaide öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Sie verliess geschockt den Raum. Was war in die Frau gefahren?

Adelaide spürte, wie Tränen über ihre Wangen liefen, bevor sie sie wegwischte. Sie legte sich in ihr eigenes Bett, ohne sich überhaupt umzuziehen, und weinte sich in den Schlaf, wie fast jede andere Nacht auch.

Wann hört dieser Schmerz auf?

wondrous (Gilbert Blythe fanfic) german translationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt