Seit knapp zwei Stunden fahren wir Richtung Osten, Harry und ich vorne, Zayn und Michelle auf der Rückbank. Die Hitze flirrt über den heißen Asphalt und gaukelt uns Pfützen auf den Straßen vor, die sich jedoch schnell in Luft auflösen, sobald man näher kommt. In unangenehmer Stille lehne ich meinen Kopf an den Gurt und starre nach draußen. Doch nichts anderes als dürre Felder, rostige Strommasten und die unzähligen Mandelplantagen rauschen an uns vorbei. Dabei bläst mir unentwegt die kühle Luft der Klimaanlage ins Gesicht.
Also wenn's nach mir geht, könnte ich ein ganz anderes Gebläse vertragen.
Ich will es mir verkneifen, doch ungewollt stoße ich einen leisen Seufzer aus. Ob Zayn und Michelle es mitbekommen, weiß ich nicht, Harry greift aber über die Mittelkonsole des Wagens, um seine Hand auf meine zu legen. Mein Herz macht einen fröhlichen Salto, als ich lächelnd zu unseren Fingern schiele, die sich miteinander verflechten. Hauchzart streicht dabei Harrys Daumen über meinen Handrücken. Unauffällig neige ich meinen Kopf zur Seite, um ihn anzusehen. Ich liebe dich formt er tonlos mit den Lippen, was ich mit einem ebenfalls unhörbarem ich dich auch erwidere. Daraufhin drückt er meine Hand ein bisschen fester und schaut grinsend auf die Fahrbahn. Meine Augen huschen jedoch über den Körper meines Freundes und das dunkle Leder, auf dem er sitzt. Warum hatten wir eigentlich noch nie Sex im Auto? Wie kann das bitte angehen?! Irgendwie traurig.
Gott, wenn ich nur an diesen Nervenkitzel denke, erwischt zu werden, wird mir schon ganz heiß.
Heißer als mir sowieso schon ist. So leise wie möglich atme ich tief durch und richte meinen Blick wieder nach vorne, wo ich erkenne, dass langsam aber sicher Zivilisation in Sicht ist. Die ersten Ampeln, flache Bungalows und nur wenige Bäume befinden sich abseits der Straße. Harry lenkt seinen Dodge weiter über den Maze Boulevard, bis nach einer Kurve das hohe DoubleTree Hotel erscheint.
Hinter mir raschelt es, bevor Zayn mir auf die Schulter klopft. »Wie sieht denn jetzt euer Plan aus?« Ich zucke mit den Achseln und sehe fragend zu Harry, der aber die gleiche Geste ausführt. »Wir gucken uns erst einmal die Lage an und wenn es nichts Spektakuläres gibt, werde ich einfach mal höflich anklopfen.«
»Höflich anklopfen?«, hakt Zayn nach. »Meinst du nicht, dass das ein bisschen gefährlich ist?«
»Ach Quatsch. Das ist Carter. Ich kenne ihn. Er hatte zwar mit uns beiden gleichzeitig was laufen, aber ansonsten war er ein lieber Kerl.« Ich rümpfe die Nase bei der Vorstellung, dass Harry mit einem anderen Mann als mir im Bett war. Seit über einem Jahr hatte ich mit niemandem Sex außer ihm, sodass es beinahe unwirklich erscheint, dass es davor eine andere Zeit gab. Früher dachte ich immer, dass es todlangweilig sein muss, immer vom gleichen Typen beglückt zu werden. Aber jetzt kann ich mir nichts Besseres vorstellen.
»Also ich weiß ja nicht. Liam hat geschrieben, dass er ihn festhält. In meinen Augen kommt das jetzt nicht so lieb rüber«, meint Zayn, woraufhin ich nicke, denn ich finde, er hat recht.
»Vielleicht gab es auch nur ein Missverständnis. Wir wissen das nicht.«
»Missverständnis? Mein Gott, Harry! Was ist los mit dir? Sonst bist du doch auch kritischer. Glaubst du das wirklich? Mach mal die Augen auf!« Ungläubig starrt Zayn zu Harry, der jedoch mit zerknirschter Miene auf den Straßenverkehr achtet. Mit gekräuselter Stirn überlege ich, warum er so naiv ist. Liam hätte mit Sicherheit einfach angerufen, wenn es harmlos gewesen wäre. Aber nein, er hat einen Hilferufe als Hochzeitskarte getarnt und diesen nicht direkt nach Zatago geschickt, sondern an Harrys Postfach in Washington. Meiner Meinung nach muss das schon eine wichtige Bedeutung haben und ich bin mir sicher, dass auch Harry das weiß. Nur irgendetwas muss es da geben, dass er es als kleine Sache darstellt.
Sanft lege ich meine bisher freie Hand auf unsere bereits miteinander verflochtenen, um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist. Kaum berühre ich seine Haut, schüttelt Harry seufzend den Kopf. »Wir sind da.« Das war nicht meine gewünschte Reaktion, aber mir fällt im Moment nichts ein, was ich sonst tun könnte. Hinter mir lässt sich Zayn stöhnend zurück auf die Rückbank fallen. »Ich glaub das nicht«, murmelt er dabei.
Als Harry mir seine Hand entzieht, um den Motor abzustellen, schaue ich nach draußen. Wir befinden uns in einem gepflegten Wohngebiet mit riesigen Villen. Habe ich hier in Modesto bisher nur niedrige Häuser gesehen, so haben diese hier mindestens drei Stockwerke. »Welches ist es?«, meldet sich jetzt auch Michelle zu Wort, die die ganze Strecke über bisher nichts gesagt hat.
»Das Hellblaue dahinten am Ende«, erwidert Harry. Wir befinden uns mindestens hundert Meter entfernt, geschützt von Bäumen und anderen Autos, sodass man uns nicht entdeckt. »Sieht aus wie ein normales Familienhaus.« Das stimmt allerdings. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dort jemand gegen seinen Willen festgehalten wird. Aber warum sollte Liam das sonst schreiben? Neben mir trommelt Harry nervös aufs Lenkrad, während sein rechtes Bein auf und ab wippt. »Ich geh da jetzt hin.«
»Was?! Nein, man!«, schimpft Zayn und beugt sich wieder zu uns.
»Doch, habe ich doch eben schon gesagt, dass ich das mache.«
»Alter, bist du irgendwie bescheuert?! Was sollen wir machen, wenn du nicht mehr wieder kommst?!« Ich schlucke, als Zayn das sagt. Doch Harry gibt nur einen kurzen Lacher von sich, der alles andere als beruhigend klingt. »Warum sollte ich nicht mehr wiederkommen, hm? Ich denke, ich kann mich ganz gut verteidigen.«
»Boah, du hast doch keine Ahnung, was sich drinnen abspielt! Wer weiß, ob da 'ne ganze Bande hockt, ob die Waffen haben oder sonst was veranstalten.«
»Jetzt übertreibst du aber, Zayn. Ich bin der Boss, ich entscheide«, beendet Harry die Diskussion und schnallt sich ab, woraufhin mir mein bester Freund auf die Schulter schlägt und mich beunruhigt anblickt. »Mach doch was!« Aber was soll ich denn machen? Aus einem Impuls heraus lege ich meine Hand auf Harrys Unterarm. »Baby, warte mal. Hast du dir das gut überlegt?«
Er stockt und sieht zu mir. »Ja, es geht um Liam. Ich kann nicht einfach nichts tun.« Mich sieht er nicht so entschlossen wie Zayn an. Es ist eher ein bittender Ausdruck, so als würde er um Erlaubnis fragen. Seufzend strecke ich einen Arm aus, um ihm zärtlich über die Wange zu streichen. »Das verstehe ich ja. Aber ich habe Angst um dich.« Sein Adamsapfel bewegt sich ab und wieder auf, während sich Zayn leise zurücklehnt. Ich sehe jedoch im Augenwinkel, dass uns sowohl er als auch Michelle beobachten. »Mir passiert nichts. Versprochen«, wispert er, was mich zum Kopfschütteln bringt. »Versprich bitte nichts, was du nicht halten kannst. Du weißt nicht, was da drinnen los ist.«
Harry senkt den Blick und richtet seine Aufmerksamkeit auf die babyblaue Villa. Es vergehen einige Momente, bis er entschieden nickt. »Ich werde vorsichtig sein. Bis gleich.« Ehe ich mich versehe, drückt er mir einen Kuss auf den Mundwinkel und öffnet die Fahrertür, ehe er aussteigt. »Harry!« Leider ist mein Rufen zu spät, denn Harry überquert schnurstracks die Straße und läuft auf das Haus zu. Sofort schnalle ich mich ab, um ihm hinterherzurennen, doch Zayn hält mich von hinten fest. »Vergiss es, Freundchen. Du bleibst hier. Was denkst du, welche Aufmerksamkeit auf euch liegt, wenn ihr euch auf offener Straße streitet? Wir sind mitten in einem Wohngebiet. Reicht schon, wenn Harry dumm ist.«
Stöhnend verdrehe ich die Augen. »Rede nicht so über ihn.«
»Ist doch wahr. Was soll der Scheiß?!«, zischt Zayn.
»Das gibt dir trotzdem nicht das Recht, ihn zu beleidigen! Vergiss nicht, dass er immer noch dein Chef ist. Er wird sich schon was dabei gedacht haben.«
»Kenn ich ihn länger oder du? Er hat ausnahmsweise seinen Grips mal nicht eingeschaltet. Außerdem rede ich, wie ich will.«
»Jetzt kommt mal wieder runter, Jungs. Wir können es nicht mehr ändern. Lasst uns abwarten, was passiert«, mischt sich Michelle ein, woraufhin Zayn leise schnaubt. Er lässt jedoch meine Schultern los und verschränkt die Arme vor seinem Oberkörper, während er sich zurück ans Leder lehnt und dann aus dem Seitenfenster schaut. Nach einem tiefen Atemzug schließe ich die Augen und lehne meine Kopf an die dahinter befindliche Stütze. »Genau genommen kenne ich ihn länger.«
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Oh je ... was hat Harry sich nur dabei gedacht?
Habt ihr eine Vermutung, was als nächstes passiert? 😳

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Zatago III - [Larry-AU]
FanfikceTeil III von Zatago Verzweiflung. Laut dem amerikanischen Webster-Wörterbuch ist das der Zustand völliger Hoffnungslosigkeit. Doch wer denkt schon an die Bedeutung, wenn das Leben stattdessen Geld, Freiheit, Luxus und Liebe schenkt? Richtig - nieman...