Von jetzt auf gleich ist das Knistern zwischen uns verschwunden. Wir erstarren, so als hätte man uns in flüssigen Stickstoff getaucht. Wer war das? Bitte lass es nicht Carter gewesen sein. Ich traue mich kaum zu atmen, das Gesicht noch immer gegen Harrys Hals gedrückt. Sein Brustkorb hebt und senkt sich schwer, in meinen Ohren rauscht mein eigenes Herzklopfen. »Harry, was...«
»Psst, bleib leise«, zischt er und bewegt seinen Kopf leicht. Ich bete dafür, dass man uns jetzt nicht erwischt. Ein Motor heult auf, bevor Reifen über den Asphalt quietschen. Das Geräusch wird lauter, mein Herzschlag beschleunigt sich. Unwillkürlich verkrampfen sich meine Finger in dem Stoff von Harrys Hemd.
Doch dann ebbt die Lautstärke ab, bevor sie in der Ferne gänzlich verstummt. »Das war nur ein Nachbar. Vielleicht einer, der in der Nachtschicht arbeitet«, sagt Harry dann, als ich vorsichtig meinen Kopf hebe, um ihn anzusehen.
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, jetzt entdeckt uns dein Ex beim Sex«, gebe ich erleichtert von mir, woraufhin Harrys Lippen sich zu einem Grinsen verziehen. »Ach komm, wenn es nicht Carter wäre, sondern irgendein anderer Exfreund, hättest du das mit Sicherheit nicht schlimm gefunden.« Ich schmunzle und zucke mit den Achseln. »Mag schon sein. Dann wüsste er wenigstens, dass du zu mir gehörst.«
Harry lacht und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Vielleicht sollten wir doch lieber verschwinden. Nicht, dass es doch noch schiefgeht.« Ich seufze frustriert, aber rutsche dennoch zurück auf den Beifahrersitz, das Notebook lege ich auf die Rückbank.
Er hat ja recht, aber irgendwann werde ich mich von ihm in einem verdammten Auto nageln lassen! So viel steht fest!
Aber wie ich mein Glück kenne, werde ich darauf noch eine Ewigkeit warten müssen. Glück hat doch nur Zayn mit seinen Autos, die er knackt. Harry verschließt seine Hose wieder, ehe er den Schlüssel in der Zündung herumdreht und dann den Wagen auf die Straße lenkt. Wir holen Zayn ab und tauschen an gleicher Stelle die Autos, ehe wir uns auf den Rückweg nach Zatago machen. Im Laufe der knapp zweistündigen Fahrt verlässt ein Gähnen nach dem anderen meinen Mund und schon bald fallen mir gänzlich die Augen zu.
Ich wache erst wieder auf, als es bereits hell ist und ich in einem weichen Bett liege. In unserem Bett. Harry schläft friedlich neben mir, gibt dabei nur ein leises Schnarchen wie das Schnurren eines Kätzchens von sich. Ich lächle bei dem Anblick und schmiege mich an ihn, um noch einmal die Augen zu schließen. Obwohl er schläft, legt er seinen Arm wie selbstverständlich um mich herum.
Als ich das nächste Mal die Augen öffne, bin ich alleine. Doch der köstliche Kaffeegeruch, der bis hier oben ins Schlafzimmer dringt, lässt mich lächeln. Seufzend strecke ich mich und reibe mir übers Gesicht, ehe ich aufstehe. Mein erster Weg führt mich ins Badezimmer, danach husche ich die Wendeltreppe nach unten, um dem herrlichen Duft zu folgen, der mich direkt in die Küche führt. Zu meiner Überraschung sitzt nicht nur Harry, sondern auch Niall am Frühstückstisch. Fix werfe ich einen Blick hinab auf mein graues Shirt. Aber keine erkennbaren Flecken. Gut.
»Morgen«, nuschle ich und tapse zu Harry hinüber, um ihm einen kurzen Kuss zu geben. »Hey, Baby«, haucht er lächelnd und hält dann eine Kanne hoch, in der vermutlich das bräunliche Lebenselixier schwimmt. Also nicke ich, bevor ich mich an den Tisch neben Niall setze, den ich dabei beobachte, wie er eine wirklich besorgniserregende Menge Zucker in seinen Kaffee schüttet. Ich rümpfe die Nase und schaue ihm in die Augen, als er aufblickt. »Also, versteh mich bitte nicht falsch. Aber gibt es einen Grund, warum du uns so früh am Morgen schon besuchst?«
»Harry und ich hatten nur ein paar Dinge bezüglich der Arbeit zu besprechen.« Ich lasse erleichtert die Schultern sinken, denn ich hatte schon die Befürchtung, dass wieder etwas passiert ist. Die Vorstellung hatte meinen ganzen Körper verkrampfen lassen, sobald ich ihn in unserer Küche gesehen habe. »Ja, ich wollte dich nämlich fragen, ob du mit mir verreisen würdest«, sagt Harry und setzt sich zu uns.
»Verreisen? Jetzt? Was ist mit Liam? Meinst du nicht, dass der Zeitpunkt äußerst ungünstig ist?« Skeptisch hebe ich eine Augenbraue, während ich meinen Freund mustere. Zu jeder anderen Zeit wäre ich mit Freudensprüngen durch die Luft gewirbelt, aber jetzt können wir doch nicht einfach Urlaub machen. Sonnengeküsst am Meer liegen, während Liam irgendwo gegen seinen Willen festgehalten wird? So kalt kann Harry doch nicht sein. »Es hat mit Liam zu tun. Ich will keinen Strandurlaub, sondern ... zu meiner Mutter.«
Sein Ton ist so unsicher, dass ich einen Moment benötige, um den Satz zu verarbeiten. Zu seiner Mutter? Oh Gott. Obwohl ich sie schon als Kind kennengelernt habe, ist inzwischen viel Zeit vergangen. Es wäre, als würde ich eine Fremde treffen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. »Zu deiner Mutter?«, wiederhole ich sicherheitshalber, damit ich mich auch wirklich nicht verhört habe. »Ja, wegen der Fotos. Die Bilder, die ich hier habe, sind nicht vollständig. Und ich weiß, dass Mum noch eine ganze Menge hat. Ich habe nämlich eine Idee, die mich nicht mehr loslässt. Aber das Foto ist nur verschwommen in meinem Kopf, ich bekomme es einfach nicht mehr zusammen. Und ich würde mir wünschen, dass du mich begleitest. Aber wenn du nicht willst, ist das auch in Ordnung.«
Ich lege die Hände flach vor mir auf den Tisch und denke einen Augenblick darüber nach. Keine Ahnung, was mich bei Anne erwarten würde. Hasst sie mich, weil ich ihren Sohn damals im Stich gelassen habe, als ihr Ehemann und damit auch der Vater von Harry starb? Oder verzeiht sie mir das, weil ich noch ein Kind war? Würde sie mich überhaupt wiedererkennen? Ich weiß es nicht. Aber die Vorstellung macht mir Angst. »Weiß nicht«, nuschle ich und hebe meinen Kopf, um Harry anzusehen. Doch erschrocken stelle ich fest, dass er so aussieht, als hätte ich ihm gerade eine Ohrfeige verpasst. »Nicht, weil ich nicht will. Versteh das bitte nicht falsch, um Gottes Willen. Aber ... ich habe Angst vor ihrer Reaktion. Nicht, dass sie mich hochkant wieder rauswirft«, ergänze ich schnell, was seine Miene gleich viel lockerer wirken lässt.
»Ach Quatsch, das wird nicht passieren«, versichert mir Harry. »Was macht dich da so sicher? Weiß sie überhaupt, dass wir zusammen sind?« Ich schätze nicht. Im ganzen letzten Jahr habe ich ihn nicht einmal mit seiner Mutter telefonieren hören.
»Nein, aber dann wird sie es erfahren«, erwidert er. Niall blickt abwechselnd zwischen uns her und schlürft derart geräuschvoll an seiner Kaffeetasse, weshalb ich ihm einen missbilligenden Blick zuwerfe. Geht das nicht leiser?!
Ich seufze und reibe mir über die Stirn. »Okay, wann willst du los?«
»Nach dem Frühstück.«
»Was?!« Auf meinen fassungslosen Gesichtsausdruck hin hebt Harry entschuldigend die Arme hoch. »Denk an Liam. Wir sollten keine Zeit verlieren.«
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Harry und Louis besuchen Harrys Mutter? Was die beiden dort wohl erwartet? ;)

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Zatago III - [Larry-AU]
FanfictionTeil III von Zatago Verzweiflung. Laut dem amerikanischen Webster-Wörterbuch ist das der Zustand völliger Hoffnungslosigkeit. Doch wer denkt schon an die Bedeutung, wenn das Leben stattdessen Geld, Freiheit, Luxus und Liebe schenkt? Richtig - nieman...