Kapitel 41

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Von Tag zu Tag geht es Harry besser. Inzwischen sind all die Blutergüsse verschwunden, lediglich rosafarbene Streifen zieren noch seinen Oberkörper. Obwohl mittlerweile ein paar Wochen vergangen sind, steckt der Schock noch immer in unseren Knochen.

Ohne die Augen zu öffnen, taste ich vorsichtig die linke Bettseite ab. Als ich Harrys warmen Körper erfühle, lächle ich und öffne vorsichtig meine Augen, um zu ihm zu schielen. Er schläft noch, sein Gesicht entspannt, sein Atem schnurrend wie ein Kätzchen. Ich beuge mich über ihn, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen, ehe ich die Decke beiseite schlage und aufstehe. Die Sonne scheint gerade erst aufgegangen zu sein, dennoch hört man durch das geöffnete Fenster Nialls Rasenmäher.

Vom Boden schnappe ich mir meine kurze Hose vom Vortag und aus dem Kleiderschrank fische ich ein frisches Tanktop, bevor ich mich aus dem Schlafzimmer schleiche. Harry schläft momentan recht viel und das will ich ihm nicht nehmen, indem ich mich an ihn kuschle und dabei wecke.

Nachdem ich mich im Badezimmer fertiggemacht habe, schlüpfe ich im Flur in meine Sneaker. Mit dem Wohnungsschlüssel in der Hand schließe ich die Tür hinter mir, um meine morgendliche Joggingrunde zu starten. Draußen empfängt mich die warme Augustsonne und der Duft von frischem Heu. Beides erinnert mich an den Tag, an dem alles begann, an dem Harry von Liams Brief berichtet hat. Seufzend richte ich meinen Blick Richtung Koppel und entdecke auch Liam, der am Zaun lehnt und sich mit Niall unterhält, der offensichtlich eine Pause eingelegt hat. Kurzerhand verschiebe ich meine Sportstunde und schlendere auf die beiden zu.

»Morgen, ihr zwei«, nuschle ich, als ich bei ihnen ankomme. Liam streicht sich durch die Haare und dreht sich zu mir. »Hey, wie kommt's, dass du schon wach bist?«

Achselzuckend lasse ich meinen Blick über die Koppel streifen. »Der frühe Wurm vögelt eben gern.«

»Ja, aber da ... du ... was?« Er hat mich schon verstanden, weshalb ich ohne ihn anzuschauen, vor mich hin grinse. Stattdessen huscht mein Blick zu Olli, der in einigen Metern Entfernung auf etwas herumkaut und uns neugierig beobachtet. Niall lacht, doch Liam schüttelt den Kopf. »Ich wollte echt nicht wissen, was ihr eben schon getrieben habt.« Tja, schön wäre es gewesen, wenn wir etwas getrieben hätten. Nur leider kam ich seit Wochen nicht zum Schuss. Mal abgesehen von den einigen Malen, bei denen mich meine eigene Hand beglückt hat, wenn Harry es nicht mitbekommen hat. Den Sex in dem verschlossen Raum bei Carter zähle ich nicht dazu, das waren nicht wirklich wir. »Wie geht es ihm eigentlich?«

Blinzelnd löse ich mich von meinen Gedanken und schaue zu Niall, der sich nach Harry erkundigt. »Gut. Die Wunden sind soweit verheilt, er schläft wieder durch und zugenommen hat er auch wieder. Nur manchmal ist er anscheinend noch in Gedanken beim Keller, was ich aber auch verstehen kann. Sein Blick wird dann ganz ... ich weiß nicht, als hätte er einen Tagtraum. Wenn ich das mitbekomme, versuche ich ihn möglichst schnell abzulenken.«

»Das kann ich auch verstehen. Weißt du denn inzwischen, was er durchmachen musste?«

Seufzend senke ich den Blick und fummle an einem losen Hautfetzen an meinem Finger herum. »Nein, er will nicht darüber reden. Aber ich denke, die blauen Flecken und die länglichen, offenen Wunden verraten schon, dass es schlimm gewesen sein muss.«

»Da hast du recht. Falls er doch irgendwann darüber sprechen möchte, wird er das sicherlich tun. Aber warst du nicht da unten, Liam?«, fragt Niall.

»Ja, schon, aber nur zum Saubermachen. Ich war nie dabei, wenn er irgendwas mit den armen Menschen da unten angestellt hat. Hoffentlich hat die Polizei inzwischen alle befreit.« Davon gehe ich mal aus, immerhin ist das schon eine Weile her und eigentlich will ich auch gar nicht mehr darüber nachdenken. »Das hoffe ich auch. Willst du eigentlich noch deine Weltreise fortsetzen?«

Liam runzelt zwar die Stirn, doch das minimale Lächeln entgeht mir nicht. »Ich glaube, ich habe erst einmal genug von Abenteuern. Vielleicht habe ich in ein paar Wochen oder Monaten ja wieder Lust zu reisen, aber vorerst bleibe ich zu Hause.«

»Zu Hause ist es doch auch schön. Außerdem haben wir dich vermisst«, meint Niall, woraufhin sich auf Liams Wangen ein rötlicher Schimmer ausbreitet. Grinsend beobachte ich ihn, während er verlegen mit seinem Fuß über den Sand schabt. »Ich habe euch auch vermisst.« Seine Stimme ist nur ein Flüstern, ehe er den Kopf hebt und mich ansieht. Ich halte dem Blickkontakt stand, auch wenn ich nicht wirklich weiß, was er mir gerade versucht zu sagen. Seine Augen strahlen Zufriedenheit, aber auch Ernsthaftigkeit aus.

»Oh, der Chef ist auch schon wach.« Verwundert von Nialls Worten schaue ich nun doch zur Seite. Harry fährt mit seinen Fingern durch die Haare und schlendert auf uns zu. Vielleicht war ich doch zu laut und habe ihn versehentlich geweckt. »Guten Morgen«, murmelt er mit noch ganz rauer Stimme, als er bei uns ankommt. Die anderen beiden erwidern seine Begrüßung, während er mir einen kurzen Kuss auf die Schläfe drückt. »Hier bist du, ich hab dich schon gesucht.«

»Du hast mich gesucht?«

»Ja, weil ich mit dir reden wollte. Ich habe mir nämlich etwas überlegt.« Ich lache und lege ihm eine Hand an die Hüfte. »Wann hast du dir denn etwas überlegt? Du hast doch bis eben noch geschlafen.«

»Gestern Abend schon, aber ich wollte dich nicht mehr wecken.«

»Na, dann. Soll ich mit reinkommen?«

»Musst du nicht. So geheimnisvoll ist das nicht«, erwidert er grinsend und sieht zu den anderen beiden, was Niall anscheinend zum Anlass nimmt, abzuwinken. »Macht ihr nur, ich habe noch zu tun.« Kaum hat er die Worte ausgesprochen, springt er wieder auf seinen Traktor, um sich weiter um den Hof zu kümmern. Liam räuspert sich und stößt sich vom Zaun ab. »Ich habe auch noch was zu tun.« Harry schluckt und sieht seinen besten Freund entschuldigend an. »Liam, du musst nicht gehen.«

»Nein, nein, schon okay. Wir sehen uns später.« Wenige Sekunden später verschwindet auch er im Stall. Vorsichtig streiche ich Harry über den Unterarm. »Er ist dir oder uns nicht böse, das weißt du.«

»Ja, ich weiß.«

»Na, also. Worüber wolltest du denn jetzt mit mir reden?«

Seinen Blick vom Stall lösend, schaut er mir in die Augen. Seine Lippen verziehen sich zu einem sanften Schmunzeln, während seine Fingerspitzen über mein Gesicht tänzeln. »Warst du schon mal auf Hawaii?« Überrascht von dieser Frage ziehe ich die Augenbrauen hoch. »Nein, wieso?«

»Hm. Und in Australien?«

»Nein.«

»Brasilien?«

»Auch nicht, aber was wird das? Willst du Liams Weltreise nachahmen?«

Harry lacht und schüttelt den Kopf. »Nein, aber ich würde gerne in den Urlaub fahren. Irgendwohin, wo es ruhige, verlassene Strände gibt. Ich habe keine Lust auf Trubel und will einfach nur entspannen. Würdest du mitkommen?« Oh, halleluja! Habe ich mir das damals nicht auch gewünscht? Sobald der ganze Scheiß vorbei ist, wollte ich mit ihm in den Urlaub und jetzt kommt er sogar selbst mit dem Vorschlag. »Du weißt schon, dass das eine dämliche Frage ist, oder? Wann geht's los?«

»Wann du willst, aber am besten so schnell wie möglich.«

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Es geht in den Urlaub! Ich denke, diese Auszeit haben sich die beiden mehr als verdient, oder? :)

Zatago III - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt