Kapitel 14

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„Ally!“, Nicks Stimme drang ein mein Ohr, doch ich war unfähig mich zu bewegen. Wie in Zeitlupe kam der Speer immer näher und näher. Verdammt nochmal, tu was! Ich hatte schon dieses Bild in meinem Kopf, die Waffe steckte tief in meiner Brust und hatte meine Lunge zerfetzt. Ein letztes Mal hob sich mein Brustkorb.

Ich kippte zur Seite und spürte den Windstoß, als der Speer haarknapp an mir vorbeischoss. Mit einem widerlichen Geräusch blieb er in dem Tier stecken. Es kreischte und strampelte, jedoch konnte ich spüren, dass es gleich vorbei sein musste. Die Augen der Wildkatze starrten mich an. Es lag tiefe Traurigkeit in ihnen. Schon kam Nick auf mich zugerannt und mein Blick schweifte auf ihn über. „A…Alles ok?“, stotterte er. „Ja, denke schon!“, erwiderte ich. Um ein Haar wäre ich draufgegangen. Im Dschungel lauern wohl überall Gefahren. Doch ich war viel zu sehr mit dem sterbenden Tier beschäftigt, als auch nur einen Gedanken dafür zu verschwenden, dass ich selbst gerade fast gestorben wäre. Nick sah mich ernst an: „Es tut mir leid! Ich meine ohne dich gäbe es für mich keinen Sinn mehr, hier weiterzumachen.“ Inzwischen war das Lebewesen gestorben und aus seinem Maul tropfte Blut. „Nick, ich lebe noch!“, ich gab ihm mein wundervollstes Lächeln, welches ich gerade zu Stande brachte. Nick schien damit nicht klarzukommen und wandte sich von mir ab und dem Tier zu. Er zog den Speer aus dem Körper des Tieres und legte ihn sachte beiseite. Ich brachte all meinen Mut zusammen und bewegte mich auf Nick zu. „Lass mich dir helfen!“ Er lächelte mir zu. Ich reichte ihm das Messer und er begann kleine Stücke aus dem Fleisch herauszuschneiden. Oh mein Gott! Mir wird schlecht. Am liebsten hätte ich mich selbst geohrfeigt. Wir müssen das essen. „Meinst du, man kann das einfach so essen?“, fragte ich vorsichtig. „Naja wir haben kein Feuer, so gesehen haben wir keine andere Wahl!“

Als mir Nick ein blutiges Stück die Hand legte, fühlte es sich noch warm an. Ich spürte wie sich mein Magen zu verkrampfen begann. Trotzdem biss ich rein, als wäre es ein frischer Apfel. Das Blut lief mit übers Kinn und tropfte auf mein T-Shirt. Bei Nick sah es genauso aus. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so etwas sagen würde, aber es schmeckte gut. Wäre, dass alles nicht so makaber gewesen, hätte ich sogar über unsere blutverschmierten Münder lachen können. Doch zum Glück hielt ich mich zurück. Langsam aber sicher verliere ich den Verstand! Ich hätte gleichzeitig lachen und weinen können. Endlich haben wir essen, aber dafür musste ein Tier sterben. „Hättest du jemals gedacht, dass du dich über rohes Fleisch freuen würdest?“ Nick schluckte runter und meinte: „Unter normalen Umständen wohl eher nicht!“ „Das hier sind keine normalen Umstände Nick. Wir fallen wie Verrückte über ein totes Tier her!“ „Früher hätte ich auch nicht gedacht, dass ich zu sowas in der Lage sein werde. Mir wurde immer schlecht, wenn mein Vater nach der Jagd ein Tier ausgenommen hatte!“ „Früher wurde mir schon schlecht, wenn ich nur ein bisschen Blut gesehen habe!“ Ich begann zu lachen.

Auf einmal sah ich eine Gestalt vor uns stehen. Es war mein Bruder. Das kann doch nicht möglich sein! Sofort sprang ich auf und lief auf ihn zu. Doch er war anscheinend nicht froh mich zu sehen, er wich zurück. „Was ist los Mike?“, fragte ich. Er bewegte sich noch einen Schritt zurück. „Hol mich hier raus, Mike!“ Mein Bruder drehte sich um und rannte davon. „Nein! Nicht! Bleib da! Ich will nach Hause!“, brüllte ich. Doch er war verschwunden. Heiße Tränen liefen mir über die Wangen. „Warum tut er das? Warum lässt er uns zurück? Warum hilft er uns nicht?“, ich sah Nick an. „Nick, ich bekomme keine Luft!“ „Ally, da war niemand!“ „Doch genau, hier stand ein Bruder!“, ich zeigte auf die Stelle. „Nein, Ally! Komm setzt dich wieder hin!“ „Nein, siehst du nicht, was dieser Dschungel mit uns macht?“ Unter Tränenschleier sah ich auf die Stelle an der das tote Tier gelegen hatte. Doch statt dem Tier lag dort Olivia. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten mich an. Ich begann zu kreischen. „Nein! Was hast du getan?“ „Ally, hör auf!“ Ich zerkratzte mit meinen Fingernägeln mein Gesicht und hielt mir dann in meinem Schreikrampf die Ohren zu: „Mach das es aufhört!“ Ich schrie mir die Kehle Wund. Nick drückte mich zu Boden und hielt mir den Mund zu. Ich biss ihm in die Hand, doch er drückte mich weiter zu Boden.  

Es dämmerte. Die Sonne verschwand langsam aber sicher hinter den Bäumen. „Was geschieht hier mit uns?“, meine Stimme war von meinem Geschreie ganz heiser. „Ich denke, dass alles hier ist eine Prüfung!“ „Und werden wir sie gewinnen oder verlieren?“ „Das liegt ganz bei uns.“ „Ich weiß nicht, ob ich sie überhaupt gewinnen will…“ „Sag sowas nicht, Ally!“ „Sollten wir jemals wieder aus diesem Albtraum aufwachen, gehöre ich in eine Irrenanstalt. Ich bin ein Trümmer meiner selbst.“ „Wir werden es schaffen, das verspreche ich dir!“ „Versprochen?“ „Versprochen.“ Nick drückte mich ganz fest an sich.

In der Nacht besuchten mich alle möglichen verschiedenen Gestalten. Olivia, meine Geografie Professorin, Mike und noch viele mehr. Doch ich hatte keine Angst vor ihnen. Inzwischen wusste ich, dass sie alle nur in meinen Träumen existierten und nicht real waren. Eigentlich war das alles ganz tröstlich. Ich erinnerte mich an Geschehnisse aus meiner Kindheit, sah meine Freunde und Familie wieder. Deshalb sind Träume so schön, sie lassen die reale Welt um uns verschwinden.

Als ich bei Sonnenaufgang wieder aufwachte, war ich wieder im wirklichen Albtraum gefangen. Nick war auch schon auf. Seltsamerweise war es ganz windstill. Er saß im Schneidersitz am Boden und sah zum Himmel hinauf. „Was machst du da?“, fragte ich. „Hörst du das?“, er schien zufrieden zu sein. Ich lauschte. „Nein, ich höre gar nichts.“ „Dann höre genauer!“ Ich konzentrierte mich ganz auf das, was Nick mir befohlen hatte. Und dann hörte ich es auch. Ein Rauschen. Ich wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Nick lächelte mich an und ich zurück. Wasser. 

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