Kapitel 16

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Er hatte in der Mitte einen Sprung und war total verdreckt. Trotzdem freute ich mich vorerst über meine Entdeckung. Woher kommt dieser Spiegel? Spiegel war nicht sehr groß, ungefähr zehn Zentimeter hoch und breit. Mit schnellen Schritten ging ich zum Rand des Wassers und begann den Spiegel zu säubern. Das Wasser färbte sich braun von dem ganzen Dreck. Doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Er sah wieder fast wie neu aus. Natürlich nur fast. Dann erblickte ich mich zum ersten Mal seit Tagen und mein Anblick schockte mich sehr. Meine Haare waren zerzaust und mein Gesicht voller Kratzer. Ich blickte einem völlig fremden Mädchen entgegen. Wer ist das? Das kann doch nicht ich sein. Mein Körper sah so dürr aus, als hätte ich ein paar Kilo verloren. Erschüttert drehte ich den Spiegel herum und erkannte eine Gravur auf der Rückseite. Ich war mir nicht ganz sicher, ob das stimmte, was ich las, denn man konnte es nicht ganz erkennen. Aber wenn mich meine Augen nicht trübten stand da in goldener Farbe: „1927“ und gleich daneben: „Charlotte-Maria Bennett“ So ein alter Spiegel. Ich wurde traurig, wenn ich daran dachte, was dieser Charlotte passiert sein muss, dass sie hier gelandet war. Vor fast 90 Jahren. Diese Insel, irgendetwas stimmt nicht. Vielleicht war es ein Schiffsunglück oder sie wurde entführt. Wenigstens können wir jetzt sicher sein, dass wir nicht die einzigen Menschen sind, die bei dieser Lagune waren. Wenn auch nach vielen, vielen Jahren, es ist ein Fortschritt. Ich muss den Spiegel Nick zeigen.

Ich lief zu Nick zurück und rüttelte ihn wach. Verwirrt starrte er mich an. „Was ist los?“, fragte er alarmiert. „Sieh nur, was ich gefunden habe!“ Ich zeigte ihm den Spiegel. Er war anscheinend genauso überrascht wie ich, denn er begutachtete ihn so, als wüsste er nicht, dass das ein Spiegel war. „wo hast du den her?“, wollte Nick von mir wissen. „Ein Stück weiter, er war halb vergraben. Weißt du was das bedeutet?“ „Nein, wieso?“ „Es bedeutet, dass vor uns schon mal jemand da war. Vielleicht gibt es einen Weg zum Meer und zu unserer Freiheit!“ „Nicht zu voreilig, Ally. Vielleicht liegt das Skelett von dieser Frau auch irgendwo in der Nähe und sie hat es nicht von der Insel geschafft.“ Meine gute Laune war wie weggeblasen. „Ich finde wir sollten weitergehen. Aber vorher müssen wir uns noch stärken.“ „Ok…“ „Was ist denn?“ „Ich glaube du hast Recht. Wir werden hier sterben, also können wir genauso gut in diesem Paradies bleiben!“ „Wann hab ich das gesagt?“ „Gesagt nicht, aber das denkst du doch oder?“ „Nein, ich denke, wir sollten uns an unseren Plan halten. Die anderen suchen. Die Verrückten umbringen. Die Insel verlassen. Ich weiß es ist nicht leicht, aber wir werden bis zu unserem letzten Blutstropfen kämpfen, jedenfalls ich. Wirst du mit mir in die Schlacht ziehen?“ „Ich würde dir überall hin folgen.“ Nick sah mir tief in die Augen. Ich wusste, auch er hatte seine Zweifel. Große Zweifel. Aber wir brauchten nun mal etwas an das wir glauben konnten.

Wieder nagte der Hunger an mir. Wir hatten zwar diesmal Wasser im Überfluss aber kein Essen. Deshalb suchten wir in einem Umkreis von 50 Metern, die ganze Umgebung nach Nahrung ab. Tatsächlich wurden wir fündig. Ein Strauch mit roten Beeren, welche ich noch nie zuvor gesehen hatte. Aber sie sahen sehr köstlich aus. Vielleicht sind sie giftig und ihre wunderschöne Farbe soll uns täuschen? Doch der Hunger siegte über die Vernunft und wir aßen alle auf. Wenn, dann sterben wir sowieso beide. Minuten verstrichen und wir befürchteten schon das Schlimmste. Doch keiner von uns fühlte sich schlechter als vorher. Glück gehabt. Anschließend gingen wir wieder zum Wasserbecken um zu trinken. Ich hockte mich hin und wollte mit meiner Hand Wasser zu meinem Mund befördern, als ein Stoß von hinten, mich nach vorne ins Wasser kippen ließ. Mein Körper wurde wieder von dem kalten Wasser umhüllt und ich sah ärgerlich hinter mich. Nick saß am Boden und grinste mich an. „Duuuuu!“, lachend zog ich an ihm, woraufhin er auch im Wasser landete. Wir schwammen ein bisschen und tranken. Ich zitterte, da das Wasser so kalt war. „Ist dir kalt?“, fragte Nick überflüssigerweise. „Ja!“, erwiderte ich. Er zog mich an sich und drückte seine Lippen auf meine. Ich spürte wie tausend Schmetterlinge in meinem Bauch umherflogen und auf einmal wurde mir ganz warm. Hab ich mich in Nick verliebt? „Danke, schon viel besser!“, sagte ich. „Gut.“ Wir tranken noch einmal und machten uns auf den Weg zum Rand. Dort schlug uns wieder die Hitze entgegen und ich war froh, über meine nasse Kleidung. Schließlich nahmen wir unsere Waffen und verabschiedeten uns von diesem kleinen Paradies.

„Hältst du es überhaupt für möglich, dass es noch Überlebende gibt?“ „Ich weiß es nicht.“, gab Nick zu. Der Junge muss einfach noch leben! Diesmal war Nick es, der eine Frage stellte: „Hier im Dschungel verliert man jedes Zeitgefühl, oder?“ Ich stimmte ihm zu, immerhin hatte ich nicht einmal annähernd eine Ahnung wie spät es war. Jedenfalls stand die Sonne noch hoch am Himmel.

In Physik hatten wir einmal etwas über Sonnenuhren gelernt. Man steckt einen Stock in den Boden und wenn der Schatten am kürzesten ist, steht die Sonne am höchsten. Aber ich glaube nicht, dass ich das jetzt zusammen bringen würde. Außerdem wäre es unnötig. Wieso mache ich mir über so etwas überhaupt Gedanken? Wahrscheinlich liegt das daran, dass man hier viel Zeit hat, über Sachen nachzudenken.

Nick und ich redeten über dies und das und vermieden das Thema Dschungel so gut es ging. Eigentlich hatte keiner von uns beiden eine Ahnung wohin wir gingen. Nach Norden oder Süden, Osten oder Westen, wir beide hatten keinen blassen Schimmer. Er erzählte mir von seinen Reisen, in Südamerika und Europa. Natürlich wurde ich neidisch, da ich nicht ein so aufregendes Leben hatte, bis jetzt jedenfalls.  

Wir gingen und gingen immer weiter. Inzwischen spürte ich schon, dass es langsam kühler und dunkler wurde. Hoffentlich finden wir bald einen geeigneten Schlafplatz. Auch die Bäume standen immer enger beieinander, fast schon beklemmend. Nick stieß plötzlich einen Schrei aus und kippte nach vorne. Da ich nicht mehr bremsen konnte, knallte ich gegen ihn und ging ebenfalls zu Boden. Sofort spürte ich es. Warm. Klebrig. Blut. Meine Hände waren voll damit. Der ganze Boden war voll damit. Anschließend entdeckte ich die vielen Fleischstücke.

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